Hamburg. Das Abendblatt fragte alle Räte: Ist der 53-Jährige noch tragbar? Der holt zum Gegenschlag aus – und hat weiter Jansens Unterstützung.

Wer gedacht hatte, dass nach den schweren Vorwürfen gegen HSV-Vorstand Thomas Wüstefeld, von denen am Freitag und Sonnabend der "Spiegel“ und das Abendblatt berichtet hatten, der HSV-Aufsichtsrat nun doch seiner Kontrollfunktion nachkommen würde, der sah sich getäuscht. „Es gilt die Unschuldsvermutung“, sagte Aufsichtsratschef Marcell Jansen kurz vor dem Heimspiel gegen Düsseldorf bei Sky – und erklärte auch dem Abendblatt auf Nachfrage, dass man alles Weitere intern bespräche.

Das überraschte – auch die eigenen Kollegen im Kontrollgremium, von denen der eine oder andere davon ausgegangen war, dass Jansen spätestens nach dem Abendblatt-Bericht über fehlende Nachweise für Wüstefelds akademische Karriere eine sofortige Aufsichtsratssitzung einberufen würde. Am Sonnabend waren bis auf Andreas Peters alle Räte im Stadion.

Causa Wüstefeld: HSV-Präsident Jansen gerät in die Kritik

Nach Abendblatt-Informationen wächst nun auch im Gremium das Unverständnis darüber, dass Jansen seiner bisherigen Linie treu bleibt und nicht aktiv versucht, die zahlreichen Vorwürfe gegen Wüstefeld aufzuklären. Bereits am 12. August hatte Hans-Walter Peters auf der vergangenen Sitzung einen Misstrauensantrag gegen Wüstefeld gestellt. Diesen zog der Banker allerdings während der Sitzung zurück, nachdem unmittelbar vor der Sitzung das angenommene Mehrheitsverhältnis von vier zu drei Stimmen platzte.

Nach Abendblatt-Informationen hatte sich Aufsichtsratsvize Andreas Peters im letzten Moment gegen eine Absetzung Wüstefelds ausgesprochen. Klar gegen den umstrittenen HSV-Vorstand hatten sich neben Hans-Walter Peters auch Markus Frömming und Lena Schrum ausgesprochen. Neben Jansen waren dessen Präsidiumskollege Michael Papenfuß und Neu-Rat Detlef Dinsel für eine weitere Zusammenarbeit mit Wüstefeld. Nun soll sich Andreas Peters erneut umentschieden haben. Allerdings weigert sich Chefkontrolleur Jansen bislang, eine außerordentliche Sitzung zu beantragen.

Vor einem Monat hatte Jansen schon einmal in einem Sky-Interview betont, dass Wüstefeld das Vertrauen des Rats genieße. Nach Abendblatt-Informationen wurde intern nun deutlich gemacht, dass der Chefkontrolleur nicht noch einmal einen vergleichbaren Satz sagen darf, da der Vorstand eben nicht mehr das Vertrauen des gesamten Aufsichtsrats genieße.

Wüstefeld gibt weiterhin keine Antworten auf wichtige Fragen

Wüstefeld selbst holte nun zum medialen Gegenschlag aus. Im NDR-„Sportclub“ sprach der unter Druck stehende Vorstand von einer „gezielten Kampagne“, dem „Spiegel“ warf er „Sensationsjournalismus“ vor. Ähnlich beschreibt es auch Jansen, der die Abendblatt-Berichterstattung meist als „Fake-News“ abtut. Doch wirkliche Antworten wollte Wüste­feld auch im NDR keine geben. Zu den Vorwürfen gegen seine Firmen sagte er nur, dass er das „natürlich sachlich und themenorientiert“ lösen wolle. Zu den fehlenden Nachweisen seiner akademischen Laufbahn sagte er: „Ich habe studiert. Ich werde auch dazu, wenn es notwendig ist, detailliert Stellung beziehen.“

Auf die Stellungnahme zum am Donnerstag verschickten Fragebogen rund um seine Doktor- und Professorentitel wartet das Abendblatt allerdings noch immer. Über die 200-Millionen-Euro-Pläne (Plaza und HSV-Tower) im Volkspark, die er selbst am Dienstag dem Abendblatt gegenüber öffentlich gemacht hatte, sagte er nun: „Die Unterlagen sind, warum auch immer, entsprechend verteilt worden.“ Er könne sogar verstehen, dass das Architektenbüro sauer sei, „weil wir eben vereinbart haben, dass es sehr vertraulich ist“. Wüstefeld sagte: „Wir hatten gar keine Pläne, das zu veröffentlichen.“

HSV-Aufsichtsrat: Kontrolleure schweigen zum Thema Wüstefeld

Ob er befürchte, dass seine Zeit beim HSV bald abgelaufen ist, fragte der NDR. „Ich habe deutlich gemacht, dass es immer nur um den HSV geht“, antwortete Wüstefeld. „Ich habe auch gesagt, dass ich nicht an einem Stuhl klebe.“

Das Abendblatt fragte am Wochenende alle sieben Kontrolleure schriftlich, ob der Aufsichtsrat ihrer Meinung nach reagieren müsse und ob Wüstefeld als Vorstand noch tragbar sei. Eine konkrete Antwort gab es von keinem der Räte – lediglich den mehrfachen Verweis, dass wegen der Satzung sich nur der Aufsichtsratschef äußern dürfte. Und genau darauf warten die Gremiumskollegen nun sehnlichst.