Hamburg. Die Querelen rund um Interimsvorstand Thomas Wüstefeld belasten den Verein und haben nun auch erste wirtschaftliche Auswirkungen.

Fast auf den Tag zwei Jahre ist es her, als es beim HSV Großes zu verkünden gab. „Telekom wird neuer Exklusivpartner des Hamburger SV“ stand über der Pressemitteilung geschrieben. Dazu wurden Fotos verschickt, die Hagen Rickmann, verantwortlich für das Geschäftskundensegment bei der Telekom, auf dem Rasen des Volksparkstadions mit einem HSV-Trikot zeigen, bei dem auf dem Rücken „Telekom“ und „2023“ stand.

Ebenfalls auf dem Foto: Sportvorstand Jonas Boldt, der damalige Finanzvorstand Frank Wettstein und der damalige Marketingdirektor Henning Bindzus. Der HSV freue sich auf die neue Exklusivpartnerschaft, die mindestens über die kommenden drei Jahre laufen werde, hieß es.

HSV News: Telekom will Vertrag nicht verlängern

Von den HSV-Protagonisten von damals ist heute nur noch Boldt übrig – und von der Freude über den renommierten Partner ist auch nicht mehr viel da. Nach Abendblatt-Informationen hat die Telekom nach den Streitigkeiten in der HSV-Führung als erster HSV-Großsponsor die Konsequenz gezogen und will den im kommenden Sommer auslaufenden Vertrag nicht verlängern. 1,5 Millionen Euro hat die Telekom pro Saison als „Top-Presenter für diverse Content- und Liveformate wie HSVtv, das HSVnetradio und die HSV-Matchday-Show“ überwiesen.

Offiziell äußern wollten sich auf Anfrage weder Telekom-Mann Rickmann noch die HSV-Verantwortlichen. Inoffiziell wurde dem Abendblatt aber bestätigt, dass besonders die Unstimmigkeiten rund um Vorstand Thomas Wüstefeld, die gesamte HSV-Governance und das intransparente Gebaren im Aufsichtsrat zu diesem Schritt geführt haben. Man habe Vorstand Wüstefeld die Entscheidung in einem persönlichen Gespräch im Telekom-Büro in der HafenCity bereits mitgeteilt.

HSV News: Telekom-Entscheidung ein herber Schlag

Aus HSV-Sicht ist die Telekom-Entscheidung doppelt bitter. Zum einen, weil es nicht leicht fallen wird, in der aktuellen Wirtschaftslage einen vergleichbar zahlungskräftigen Exklusivpartner zu finden. Zum anderen ist damit endgültig der Traum ausgeträumt, die Telekom als strategischen Partner und Anteilseigner für den HSV zu gewinnen.

Nach Abendblatt-Informationen hat es vor der Einigung über eine Exklusivpartnerschaft vor zwei Jahren auch Gespräche über einen möglichen Anteilskauf gegeben. Bevor die Telekom im Sommer ihre Partnerschaft mit Bayern München über weitere fünf Jahre verlängerte, die dem Rekordmeister 250 Millionen Euro einbringen soll, hat es nach Abendblatt-Informationen erneut die konzerninterne Überlegung gegeben, ob man nicht auch in die Regionalvermarktung investieren und bei drei bis vier Clubs mit entsprechender Anhängerschaft einsteigen solle.

Keine Ruhe bei den internen Streitigkeiten

Auch der HSV gehörte zu den Clubs, die sich die Telekom-Macher genau anguckten. Doch unabhängig davon, dass beim HSV ein solcher Schritt mittlerweile sowieso nur noch nach einer Strukturreform und einer Umwandlung von einer AG in eine KGaA möglich wäre, hat man die Überlegungen wieder schnell verworfen. Der Hauptgrund: die zerstrittene, in-transparente und gelähmte Führung.

Diese kommt auch aktuell nicht zur Ruhe, im Gegenteil. Vor allem Thomas Wüstefeld muss sich gleich zu mehreren Themen unangenehme Fragen gefallen lassen. Auf neue Vorwürfe zu seinen Praktiken als Geschäftsmann, über die nach Abendblatt-Enthüllungen im Sommer zuletzt auch der „Spiegel“ berichtet hatte, will Wüstefeld nun auch juristisch antworten. Hausgemacht ist der Wirbel um die Frage, welche akademische Exzellenz der HSV-Vorstand mit dem Titel „Prof. Dr.“ wirklich vorzuweisen hat.

Wüstefeld will Beweise vorlegen

Auf simple Fragen des Abendblatts zu seiner Promotion und seinem Professorentitel wollte oder konnte Wüstefeld am vergangenen Dienstag zunächst nicht antworten. Dann ließ er eine Frist für eine schriftliche Stellungnahme zu den Grundzügen seines akademischen Lebenslaufs verstreichen. Nachdem das Abendblatt am Wochenende schließlich nach weiterer Recherche über die fehlenden Spuren seiner akademischen Laufbahn berichtete, sagte Wüstefeld im NDR-Sportclub, dass er die entsprechenden Belege vorzeigen könne, wenn es denn erforderlich sei. Er habe schließlich „studiert und meine Arbeiten gemacht.“

Am Montag blieben diese nach inzwischen mehreren Nachfragen des Abendblatts noch aus. Allerdings hat sich nun auch der Aufsichtsrat des Themas angenommen. „Ich werde dem Aufsichtsrat vollumfassende Informationen geben, denn wir wollen den Sachverhalt ja aufklären“, bestätigte Wüstefeld am Montag. Die Kontrolleure wollen vom Vorstand vor allem wissen, warum er nicht einfach die Universität oder Hochschule, an der er zunächst den „Dr.“ und dann den „Prof.“ erwarb, nennen kann.

Wüstefeld als Experte für Bauinformatik vermerkt

Nachdem die Kontrolleure bereits einen Untersuchungsausschuss gegründet hatten, um den Verbleib der 23,5 Millionen Euro für die Stadionsanierung zu klären, soll nach „Bild“-Informationen nun also ein zweiter Ausschuss gebildet werden, bei dem der Aufsichtsratsvorsitzende Marcell Jansen allerdings nicht dabei sein soll. Merkwürdig: Nach Abendblatt-Informationen waren bis Montagabend Teile des Aufsichtsrats noch nicht darüber informiert, dass es in ihrem Gremium diesen Ausschuss geben soll.

Ein mögliches Thema für den Ausschuss: Gegenüber dem Abendblatt verneinte Wüstefeld klar, dass er akademisch in der Schweiz gewesen sei, nachdem er anderen Reportern ebendies aber suggeriert hatte. Und ebenfalls gegenüber dieser Redaktion sagte Wüstefeld, er würde den Professorentitel nicht benutzen, aber tut dies nach Abendblatt-Recherchen nicht nur in offiziellen Bilanzen seiner Firmen, sondern etwa auch offen in einem Internet-Branchenverzeichnis, in dem er als Experte für Bauinformatik vermerkt ist. Es ist neben Nahrungsergänzungsmitteln, anderen IT-Angeboten, Medizintechnik und Cannabisprodukten einer von vielen Bereichen, in denen der Geschäftsmann Wüstefeld bereits unterwegs war.

HSV News: T. Wüstefeld, fleißig publizierender Wissenschaftler

Sowohl die zuständige Wissenschaftsbehörde als auch die Staatsanwaltschaft haben die Berichterstattung wahrgenommen, wie es heißt. Es gibt keinerlei Hinweise auf akademischen Betrug durch Thomas Wüstefeld. Aber die Frage, wie lange ein Professorentitel getragen werden darf, ist klar reglementiert, mögliche Verstöße können von der Wissenschaftsbehörde untersucht werden.

Während eine Aufklärung durch Wüstefeld weiter auf sich warten lässt, sind nun sogar die Leser des Abendblatts aktiv geworden. So erreichte die Redaktion ein Leserbrief mit dem Hinweis auf einen „Wüstefeld, T.“, der zwischen 2000 und 2022 satte 21 Publikationen vorzuweisen hat. Das Problem: Es ist nicht der HSV-Vorstand, sondern Top-Wissenschaftler Torsten Wüstefeld.