Hamburg. Der HSV-Finanzvorstand will das Areal am Volksparkstadion attraktiver gestalten. Teil des spektakulären Konzepts ist ein Wolkenkratzer.
- Der HSV will am Volkspark eine spektakuläre Veranstaltungsfläche schaffen
- Ein mindestens 25 Stockwerke hoher HSV-Tower ist Teil des Konzept
- Das 200-Millionen-Euro-Projekt soll den HSV nichts kosten
Am Morgen nach dem verlorenen Relegationsspiel gegen Hertha BSC im Mai war Thomas Wüstefeld der Nackenschlag noch deutlich anzumerken. Nur ein Tor hatte dem HSV am Vorabend zur Verlängerung und zum möglichen Aufstieg in die Bundesliga gefehlt. „Es ist sehr traurig“, sagte der HSV-Vorstand, der nur wenig geschlafen hatte. „Aber die Stimmung gegen Hertha war trotzdem unglaublich. Unser Stadion und der Volkspark sind einfach einmalig.“
Vier Monate später sitzt Wüstefeld an einem großen Tisch in diesem Stadion – und will in der nächsten Stunde zeigen, wie er und sein Team den einmaligen Volkspark noch einmaliger machen können. Durch die Fenster kann man genau auf das Spielfeld schauen. „Wir beschäftigen uns schon seit mehreren Monaten mit diesem Projekt“, sagt der 53-Jährige nicht ohne Stolz und legt mehrere Illustrationen auf den Tisch, die mit der Headline „Projekt HSV 360 Grad“ überschrieben sind. „Wir wollen mehr Infrastrukturmöglichkeiten für den Volkspark schaffen.“
HSV-Vorstand Wüstefeld plant Plaza für 12.000 Menschen
Ein Blick auf die Grafiken vor ihm verrät, was Wüstefeld mit diesem nüchternen Satz meint. Der Unternehmer will auf der Fläche des Stadionvorplatzes und des Parkplatzes weiß eine sogenannte Volkspark-Plaza, eine Veranstaltungsfläche für bis zu 12.000 Menschen im Zeichen der Raute, bauen lassen. Es sollen Einzelhandelsflächen entstehen, eine Zusammenkunft für HSV-Fans, ein erweitertes Gastronomieangebot und genügend Parkplätze über zwei Ebenen.
Doch damit nicht genug. Die Devise – im wahrsten Sinne des Wortes – heißt: Think Big! Groß denken! So soll die Volkspark-Plaza noch abgerundet werden durch einen Wolkenkratzer, den sogenannten HSV-Tower. Hier sollen Apartments, ein Hotel und zusätzliche HSV-Räumlichkeiten entstehen. Auch Teile des HSV-Internats könnten hier untergebracht werden. Der mindestens 25 Stockwerke hohe Tower soll nach Wüstefelds Wünschen von der A7 mit einer leuchtenden HSV-Raute auf dem Dach zu sehen sein – ähnlich wie bei Schalkes Veltins-Arena, wo man das blaue Schalke-Logo von der A44 schon von Weitem bewundern kann. Wüstefelds Idee dahinter: „Wir wollen den HSV noch stärker mit Hamburg verbinden.“
Investoren sollen das Megaprojekt des HSV finanzieren
Bleibt zunächst die Frage: Sind die Pläne wahnsinnig? Oder wahnsinnig genial? Wie kann der HSV, der sich gerade mit der Stadt über den Verbleib der 23,5 Millionen Euro für das Stadiongrundstück streitet und seit Monaten für dringend benötigte Sanierungsarbeiten um eine Landesbürgschaft in Millionenhöhe bittet, über so ein Großprojekt nachdenken?
Wüstefelds Antwort lautet: Investoren. Demnach würde das Bauvorhaben, das er mit 150 bis 200 Millionen Euro beziffert, den HSV nichts kosten. Er habe bereits mit drei potenziellen Geldgebern gesprochen, einem Privatinvestor und zwei institutionellen Investoren, die großes Interesse an dem Vorhaben hätten. In der neuen Plaza könnten Konzerte, Events oder Sportveranstaltungen stattfinden. „Die Rückmeldung ist bislang sehr positiv“, sagt der HSV-Vorstand.
Und tatsächlich: Die nackten Zahlen auf dem Papier beeindrucken: Die Multifunktionsplaza, die überdacht, aber an den Seiten offen sein soll, ist mit einer Fläche von 13.580 Quadratmetern veranschlagt. Die zweistöckigen Parkmöglichkeiten darunter: 4400 Quadratmeter. Die Riegelbauten: 15.000 Quadratmeter. Und – Vorsicht: Schwindelgefahr! – das Hochhaus: 23.520 Quadratmeter. Der besondere Clou aus Wüstefelds Sicht soll aber das 18.000 Quadratmeter große Dach über der Plaza sein.
Wüstefeld hofft, dass drei bis fünf Jahre nach der Genehmigung alles fertig ist
Wüstefeld zeigt einen von ihm mitgebrachten DIN-A4-Zettel, auf dem ein gewölbtes, schwarzes Dach über der Plaza gut zu sehen ist. Dieses Photovoltaik-Dach soll nach seinen Angaben Sonnenlicht in direkten Strom umwandeln und so den kompletten Volkspark – die Rasenheizung, das Flutlicht, die Plaza mit der überdimensionalen Videowand – mit erneuerbarer Energie versorgen.
In Zeiten von Energieknappheit ein cleverer Schachzug. Genauso wie die Idee, in Kooperation mit dem neuen (und bei den Fans zunächst wenig geliebten) HSV-Partner Shell E-Mobility-Stationen bereitzustellen. Wüstefelds Vision: Die Nähe zur A7 soll genutzt werden. Nord-und Ostseeurlauber könnten auf dem Hin- oder Rückweg einen Zwischenstopp im Volkspark machen, das Auto aufladen – und es sich in der neuen HSV-Plaza gutgehen lassen.
Große Ideen, das alles. Ob sie aber auch umsetzbar sind, steht auf einem ganz anderen DIN-A4-Blatt. Das renommierte Architektenbüro Hadi Teherani Architects ist aber bereits involviert, später sollen noch Projektplaner hinzugezogen werden. Aktuell, in der sogenannten Pre-Concept-Phase, lässt eine HSV-Projektgruppe um Daniel Nolte im Volkspark eine Machbarkeitsstudie erstellen. Wüstefeld spricht neudeutsch von einer "feasibility study". „Wir sind in Gesprächen mit der Stadtentwicklung, mit den zuständigen Behörden und mit Investoren“, sagt Wüstefeld. Der HSV-Aufsichtsrat wurde über die Ideen aber noch nicht informiert.
Bezirksamt Altona steht den spektakulären Plänen offen gegenüber
Auch in der zuständigen Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und im Bezirksamt Altona weiß man auf Abendblatt-Nachfrage noch nicht viel von den Plänen. Gespannt ist man dort aber schon. „Es trifft zu, dass in den kommenden Wochen ein Gespräch zwischen dem Bezirksamt Altona und dem HSV geplant ist. Das Bezirksamt Altona steht dem Gespräch mit dem Verein grundsätzlich offen gegenüber“, sagt ein Behördensprecher. Und weiter: „Hinsichtlich etwaiger baulicher Pläne ist anzumerken, dass diese nicht zu Lasten des Altonaer Volksparks gehen und auch keine übergeordneten städtischen Planungen berühren dürfen. Wichtig ist darüber hinaus, dass bei Plänen rund um die Arenen auch freiraum- und landschaftsplanerische sowie verkehrliche Belange berücksichtigt werden.“
All das und der Bebauungsplan sei längst berücksichtigt, versichert Wüstefeld, der trotzdem auf das Wohlwollen der Stadt hoffen muss. Denn: Die Flächen, auf denen Wüstefelds neue HSV-Plaza entstehen soll, gehören nicht dem HSV, sondern der Stadt.
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Bislang hat der HSV mit der Stadt einen spieltagsbezogenen Pachtvertrag, um die Parkplätze für die Fans zu nutzen. Für das Großprojekt müsste man sich laut Wüstefeld nun auf einen neuen Pachtvertrag mit einer Mindestlaufzeit von 60 Jahren einigen. „Ich hoffe, dass die Politik uns unterstützt“, sagt Wüstefeld, der am kommenden Donnerstag einen Termin im Rathaus hat. Im Haushaltsausschuss soll es dann allerdings primär um offene Fragen rund um den Verbleib der 23,5 Millionen Euro gehen. Gut möglich aber, dass auch die Politiker dann schon ein paar Nachfragen zu den bislang noch unbekannten HSV-Visionen haben. Denn im Rathaus hat bislang noch niemand so wirklich von den ehrgeizigen Plänen gehört.
Athleticum von UKE und HSV soll 2023 fertig sein
Davon will sich Wüstefeld nicht bremsen lassen. „Im Hamburger Westen passiert infrastrukturell sehr viel“, sagt er – und erinnert an die Science City in Bahrenfeld. Nun sei der Volkspark dran. In den Plänen sei auch der bereits begonnene Bau des Athleticums am Volkspark berücksichtigt. Das sportmedizinische Kompetenzzentrum, in dem Profis und Kassenpatienten gleichermaßen behandelt werden sollen, dürfte bereits im kommenden Jahr fertiggestellt sein. Die Betreibergesellschaft Athleticum am Volkspark GmbH besteht aus den Gesellschaftern des UKE, von Philips und vom HSV.
Ähnliches erhofft sich Wüstefeld auch von der HSV-Plaza, in der auch Sozialbauten wie Kitas berücksichtigt werden sollen. Sofern Investoren und Politik grünes Licht geben, soll auch die HSV AG durch Anteile an dem Großprojekt beteiligt werden. Auch an eine bessere Verkehrsanbindung hat Wüstefeld gedacht. Derzeit stehe eine U-Bahn-Anbindung Volkspark im Planungsfeststellungsverfahren, der HSV-Vorstand hofft auf eine Umsetzung zwischen 2026 bis 2028.
Bereits 2004 unter Ole von Beust gab es erste Pläne für eine Volkspark-Plaza
All das klingt fast wie „ein Traum, den es sich zu träumen lohnt“. Genauso hat Hamburgs Bürgermeister seinen „Masterplan Sportpark Volkspark“ bereits betitelt. Allerdings nicht Peter Tschentscher (SPD) im Hier und Jetzt. Sondern sein Vorvorvorgänger Ole von Beust (CDU) im Jahr 2004. Auch damals gab es große Pläne rund um die HSV-Arena: Ein kleines Stadion für die zweite Mannschaft des HSV, eine Leichtathletik-Arena, das Spaß- und Erlebnisbad „Wasserpark“ und eine Golfanlage mit eigener Driving Range. Es wurde sogar eine Machbarkeitsstudie für die Verlagerung der Tennisanlage Rotherbaum in den Volkspark empfohlen.
Nach vier Jahren war von Beusts Traum ausgeträumt, das Großprojekt wurde gekippt. Wüstefeld hat das Träumen dagegen erst so richtig begonnen. Sein Plan: In drei bis fünf Jahren nach der Genehmigung könnte alles fertig sein.
Und träumen wird ja wohl erlaubt sein.