Hamburg. HSV setzt auf die jüngste Startelf und wechselt fast nur 20-Jährige ein – und die überzeugen. Es geht also doch mit jungen Spielern.
Der Dank für seine starke Vorstellung sollte Gott gebühren. „Alhamdulillah“ („der Dank gebührt Allah“), schrieb der gläubige Muslim Faride Alidou bei Instagram über sein Premierentor für den HSV. Der 20 Jahre alte Wilhelmsburger nahm beim 4:1-Heimspektakel gegen Regensburg zusammen mit Sonny Kittel (ein Tor, drei Vorlagen) eine tragende Rolle ein.
Mit seinen 28 Jahren war Kittel wie schon so häufig in dieser Saison der älteste HSV-Profi auf dem Platz. „Das ist schon ein bisschen lustig, so alt bin ich doch noch gar nicht“, scherzte der Kreativspieler, der in der Offensive als Chefdirigent eines nahezu fehlerlosen Orchesters fungierte. Doch neben Unterschiedsspieler Kittel waren es vor allem die Youngsters, die gegen Regensburg begeisterten, und die den Club in seinem neu eingeschlagenen Weg bestätigten.
Alidou, Suhonen, Reis & Co: HSV-Youngsters überzeugen
Alidou, Anssi Suhonen, Mario Vuskovic und Ludovit Reis, drei 20- und ein 21-Jähriger, avancierten zu Protagonisten auf dem neu verlegten Rasen.
- Der eine (Alidou) fand schon als Elfjähriger den Weg zum HSV und steuerte nun nicht nur ein Tor und einen Assist zum erst zweiten Heimsieg der Saison bei, er begeisterte zudem mit seiner Spielfreude und seinen Tempodribblings.
- Der andere (Suhonen) stammt ebenfalls aus der eigenen Nachwuchsakademie und brauchte nur sechs Minuten nach seiner Einwechslung, um mit einem sehenswerten Schlenzer sein Tordebüt für den HSV zu feiern.
- Der Dritte (Vuskovic) gehört seit diesem Sommer dem Kader an und ließ sich die fehlende Spielpraxis zu keiner Zeit anmerken – vor allem in der Luft räumte er alles ab. Der Kroate war ein würdiger Vertreter des verletzten Jonas David, der im Übrigen auch erst 21 Jahre alt ist.
- Und schließlich wäre da noch Reis (21), der seit dieser Saison ein Hamburger ist und gegen Regensburg nicht nur wegen seines schönen Tores endlich sein ganzes Potenzial abrief.
Kurzum: Vier junge Spieler, die sinnbildlich für die neue Hamburger Rasselbande stehen. Mit durchschnittlich 24,6 Jahren setzte Trainer Tim Walter an diesem Sonnabend auf die jüngste Startelf in dieser Saison. Die eingewechselten und noch jüngeren Manuel Wintzheimer (22), Suhonen, Tommy Doyle (20) und Mikkel Kaufmann (20) sind in dieser Statistik noch gar nicht mit eingerechnet.
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Mit einem Schnitt von 24,2 Jahren aller 23 eingesetzten Spieler in dieser Saison hat der HSV nun sogar Werder Bremen (24,5) als jüngstes Team abgelöst.
Tabellenspitze der 2. Bundesliga
1. Heidenheim 34 / 67:36 / 67
2. Darmstadt 98 34 / 50:33 / 67
3. HSV 34 / 70:45 / 66
4. Düsseldorf 34 / 60:43 / 58
5. FC St. Pauli 34 / 55:39 / 58
Wenn HSV-Spieler nicht nur Verträge aussitzen
Es geht also doch mit jungen Spielern. Ein Weg, der im Volkspark lange Zeit angezweifelt wurde, den die Verantwortlichen um Vorstand Jonas Boldt und Sportdirektor Michael Mutzel in diesem Sommer aber mangels finanzieller Möglichkeiten eingeschlagen sind.
Statt überteuerter „Säulenspieler“, die nur noch ihren letzten großen Vertrag austrudeln lassen, hat der HSV nun junge Talente auf dem Platz, die alles geben, sich weiterentwickeln wollen und zu jeder Zeit einen Wiederverkaufswert haben. Dieser dürfte mutmaßlich sogar Jahr für Jahr steigen.
HSV muss dauerhaft auf Alidou, Suhonen & Co. setzen
Dass eine Strategie mit jungen Spielern nur funktionieren kann, wenn um sie herum eine erfahrene Achse vorangeht, wissen die Verantwortlichen im Volkspark. Trainer Walter wollte deshalb bewusst keinen seiner Youngsters hervorheben. „Es war eine geschlossene Mannschaftsleistung, in der jeder einzelne Spieler seine Leistung gebracht hat“, sagte der Coach über das erste restlos überzeugende Spiel seiner noch jungen Amtszeit in Hamburg.
„Wenn überhaupt“, ergänzte Walter, „kann man Sonny ein wenig herausheben, denn er hat spielerisch geglänzt, seine Mitspieler hervorragend eingesetzt und wieder mal gezeigt, wie sehr er gereift ist und wie wichtig er in dieser Rolle für die Mannschaft ist“, sagte der Coach, der endlich den „Walter-Fußball“ sah, den er erleben möchte: Mutig wie immer, aber diesmal auch effizient und erfolgreich.
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Natürlich darf dieses zweifellos überzeugende Spiel nicht über die Fehler der vorherigen Spiele hinwegtäuschen, die vor allem taktischer Natur waren, und durch die der HSV bereits zehn Punkte nach einer Führung verspielt hat. Und dennoch wurde gegen Regensburg deutlich, dass der HSV gar nicht so sehr auf Hilfe von oben angewiesen ist, wie es Alidou bei Instagram schrieb. Sondern dass der HSV einfach nur mal nachhaltig auf seine eigenen Talente setzen muss.