Zwischenbilanz: Von Siegern und Verlierern der ersten Athen-Woche
Athen. Yvonne Bönisch, die erste deutsche (Judo-)Olympiasiegerin in Athen, hat von ihrem Ruhm nur zwei Tage zehren können. Spaß hatte sie ohnehin nie an der öffentlichen Seite ihrer Medaille. Nach der obligatorischen Vorzeigetour bei Beckmann, Kerner, ARD und ZDF sitzt sie im "Deutschen Haus", dem Treffpunkt von Sponsoren, Sportlern, Funktionären und Journalisten, meist unbeachtet mit ihrem Trainer und künftigem Ehemann Axel Kirchner herum. Das Lachen fällt ihr immer noch schwer. "Ich bin eben ein introvertierter Typ", sagt sie. Dabei hat sie durchaus etwas zu erzählen: Zum Beispiel von ihrer Mutter, die einen Super-Spar-Laden betreibt und das Paar mit Nahrungsmitteln versorgt, von den Problemen mit ihrem Trainer, der keine Anstellung bei den Verbänden findet und von ihrem Verein UJKC Potsdam unterstützt wird, und vor allem von ihren Kochkünsten, wenn sie sich für die Wettkämpfe von 65 auf 57 Kilo herunterhungern muss. Das ist das Leben eines deutschen Olympiasiegers in einer Randsportart, sagt sie, und schaut dabei derart finster drein, als wäre sie gerade auf die Matte gelegt worden.
Die Annehmlichkeiten des olympischen Dorfs kann Jürgen Krempin, der Trainer von Ingo Schultz, nur noch heute genießen. Dann muss er sein Zimmer räumen. Mit dem Ausscheiden seines Athleten endet offiziell seine Mission für den Deutschen Leichtathletikverband (DLV). Krempin wird dennoch bis zum Ende der Spiele in Athen bleiben. Er hat sich bereits ein Zimmer in der Stadt gemietet. Und er wird Schultz auf die Staffelrennen am nächsten Wochenende vorbereiten.
Die Stimmung in den olympischen Stadien bleibt ein Problem. Die Vorkämpfe am Morgen werden weiter kaum besucht, Ausnahme ist die Leichtathletik, nachmittags und abends füllen sich die Arenen vor allem, wenn einheimische Athleten am Start sind. Vorschläge der Fernsehanstalten, die Zuschauer von den preiswerteren Plätzen auf die teureren in den Schwenkbereich der Kameras zu holen, um das (Welt-)Bild zu schönen, lehnte das Athener Organisationskomitee ATHOC bisher strikt ab. Auch die Idee, 500 000 Karten an Staatsdiener zu verschenken, stieß auf kein Gehör. ATHOC argumentiert mit Zahlen: Fast 90 Prozent der noch verfügbaren Eintrittskarten seien inzwischen verkauft. Viele Lücken entstünden, weil die Sponsoren ihre Kontingente nicht nutzten. Das olympische Motto "Welcome Home", meinen Spötter, hätten die Griechen missverstanden. Sie bleiben lieber zu Hause. Auch, weil Karten für Endkämpfe am Abend mit mindestens 100 Euro oft zu teuer für die hiesigen Einkommensverhältnisse sind. Die, die sich vor Ort ein Bild machen, erkennen nicht immer den Reiz der sportlichen Duelle. Festzustellen bleibt: In puncto Sportbegeisterung der Bevölkerung, die vor vier Jahren die Spiele in Sydney unvergesslich machte, haben die Griechen Nachholbedarf. Was tröstet, ist die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft. Die Welt fühlt sich wohl als Gast in Athen.
Doping ist in griechischen Medien derzeit Thema Nummer eins. Was sich in den vergangenen Jahren in der Doping-Bekämpfung getan hat, lässt sich in Athen bereits in den Resultaten ablesen. Zeiten und Weiten stagnieren oder sind deutlich schlechter als in den vergangenen Jahren. Fragt man auf dem Aufwärmplatz hinter dem Olympiastadion die Leichtathletiktrainer, fällt die Antwort aus allen Ecken der Welt gleich aus: "No Drugs!" Besonders die Unsicherheit, was wie lange nachgewiesen werden kann, habe zum Medikamentenverzicht beigetragen. Und natürlich die gestiegene Zahl der Kontrollen im Vorfeld der Wettbewerbe. Ein Coach zum Abendblatt: "Die Frühwarnsysteme funktionieren nicht mehr. Viele korrupte Leute sind aus den Verbänden entfernt worden. Es müssen erst neue Netzwerke entstehen, das braucht aber seine Zeit. Die Bereitschaft zu dopen besteht nach wie vor. Die geeigneten Mittel sind jedoch schwieriger zu beschaffen. Und dadurch steigen die Preise. Unter 10 000 Dollar erhältst du keine Monatsration mehr."