Fazit: Dem Gastgeber bleiben von den Spielen Stadien und Schulden

Athen. Dass die Griechen seit 1896 keine Olympischen Spiele mehr veranstaltet haben, sagen Spötter, haben man ihnen angemerkt. In 108 Jahren scheint so manche Sportart in Vergessenheit geraten und der Sportsgeist im Zeitenlauf stecken geblieben zu sein. Allzu viel, das war der Eindruck der ausländischen Besucher, hat die griechische Bevölkerung - trotz neun Sporttageszeitungen allein in Athen - mit diesen Spielen nicht anfangen können. Füllten sich nach einer Woche teils gähnender Leere endlich die Stadien, verließen die Hellenen gern ihre teuer erkauften Plätze, bevor zum finalen Höhepunkt aufgerufen wurde, zum Beispiel am vorvergangenen Sonnabend, als um 23 Uhr Ortszeit der 100-Meter-Endlauf der Frauen anstand.

Ignoranz wäre zu ertragen, die Respektlosigkeit vor den ausländischen Athleten nötigt zur Publikumsbeschimpfung. Nicht nur beim 200-Meter-Finale der Männer verletzten die Griechen die Grenzen des Anstandes, als sie den Start minutenlang mit Sympathiekundgebungen für den des Dopings verdächtigen Kostas Keteris, den Olympiasieger im Weglaufen, verzögerten, auch anderswo verteilten sich Beifall und Missfall einseitig. Steffi Nerius, deutsche Speerwurf-Silbermedaillengewinnerin, musste unter Pfiffen zu ihren letzten Versuchen anlaufen, weil die Zuschauer sie als direkte Medaillenkonkurrentin der Griechin wähnten.

Olympische Spiele in Athen, in einem Land mit nur elf Millionen Einwohnern, das war vor allem eine politische Prestigeentscheidung. Den Preis hat die Bevölkerung zu zahlen. Im vorigen Quartal stieg die Staatsverschuldung auch auf Grund olympischer Nachtragseffekte um elf Milliarden auf 195,6 Milliarden Euro. Sie beträgt jetzt rund 119 Prozent des Bruttosozialprodukts. 60 Prozent dürften es nach den Maastricht-Kriterien der EU sein. Die gesamten Investitionskosten für Olympia belaufen sich nach Angaben der neuen konservativen Regierung auf gut zehn Milliarden Euro. Die genaue Abrechnung steht aus. Im Frühjahr hatten die abgewählten Sozialisten diese auf 4,6 Milliarden Euro beziffert. Selbst das Athener Organisationskomitee ATHOC kam mit 1,962 Milliarden Euro Einnahmen (Anteil an TV-Rechten, Eintrittskarten, Merchandising) nicht aus. Es musste kürzlich 197 Millionen Euro Kredit aufnehmen. Dabei wurden 3,7 Millionen der 5,2 Millionen Tickets verkauft, mehr als offiziell erhofft.

Vor vier Jahren hatten in Sydney in teilweise größeren Arenen sieben Millionen Besucher die Spiele gesehen. Das war olympischer Rekord. Letztlich hat es sich als Bumerang erwiesen, die Athener in den Urlaub zu schicken, um ein Verkehrschaos auf den Straßen zu vermeiden. Das entstand in der Tat nicht. Auch, weil wegen der baulichen Verzögerungen weniger ausländische Besucher als erwartet kamen.

Die Griechen sind nicht nur zu tadeln. Im Gegenteil. Sie haben sich - abseits der Wettkämpfe - als freundliche, herzliche und stets hilfsbereite Gastgeber internationales Lob verdient. Transport und Organisation klappten bei einem Ereignis dieser Dimension nahezu anstandslos, die immensen Sicherheitsvorkehrungen wurden angemessen umgesetzt. Die Sportler fühlten sich in Athen sehr wohl, das olympische Dorf, die modernen Arenen und der architektonisch gelungene Sportkomplex OAKA werden in Erinnerung bleiben und als Vorbild dienen. Die Sportstätten zu unterhalten wird künftig jährlich 100 Millionen Euro kosten. Die Regierung sucht händeringend Unternehmen, die als Paten die Stadien bewirtschaften.

Der Brückenschlag zur Antike gelang, Kugelstoßen in Olympia, die Marathons auf historischer Strecke und das Radrennen um die Akropolis bleiben unvergesslich. Thomas Bach (Tauberbischofsheim), der scheidende IOC-Vizepräsident, sprach von "begeisternden Spielen. Sport und Kultur haben sich in Athen die Hand gegeben." Die organisatorische Leistung der Griechen bezeichnete er als "perfekt". 1896, schrieben die Chronisten, hätte es dagegen manche Panne gegeben. Wer sagt denn, die Griechen seien nicht lernfähig? Das mit dem Sport kriegen sie irgendwann auch noch hin.