Jürgen Krempin beendet Zusammenarbeit mit DLV
Athen. Jürgen Krempin gibt auf. Der Hamburger Leichtathletik-Landestrainer und Coach von 400-m-Europameister Ingo Schultz hat das Angebot des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) abgelehnt, Team-Trainer der 400-m-Läufer zu bleiben. Auch, weil er keine Lust mehr hat, mit sauberen Athleten gegen gedopte anzutreten. "Schon bei der WM 2003 in Paris haben mich die Mädels mit ihren Zahnspangen genervt, was ja als Hinweis auf die Einnahme von Wachstumshormonen gilt. Ich habe Probleme damit, Sportler zu trainieren, die am Ende doch keine Chance haben, weil die Kraft der Konkurrenten aus der Apotheke kommt."
Es mache andererseits auch keinen Spaß, das Doping anderer als Ausflucht für mögliche eigene Fehler zu benutzen. "Ich habe mir deshalb die Frage gestellt, ob das noch Sinn macht, was wir tun. Meine momentane Antwort wäre: Nein!" Es sei zwar dank der Amerikaner endlich Bewegung in den Kampf gegen Doping gekommen, die Masse der ertappten Athleten ließe jedoch auf eine hohe Dunkelziffer schließen. "Jeder, der gewinnt oder schnell läuft, weit springt oder wirft, steht unter Verdacht. Das ist eine unerträgliche Situation."
Für die deutschen Leichtathleten will Krempin die Hände ins Feuer legen: "Ich bin sicher, niemand von ihnen dopt." Hierzulande gäbe es nicht wie in den USA die Möglichkeiten des industriellen Dopings, das das Staatsdoping abgelöst hat. Ohne die ständige Entwicklung von neuen Designerdrogen sei es jedoch kaum möglich, den Dopingfahndern zu entkommen. Krempin: "Die Kontrolleure hecheln nicht mehr meilenweit hinterher, sie sitzen den Sportlern fast schon im Nacken." Dennoch herrschten weiter ungleiche Bedingungen.
Jürgen Krempin ist aber auch aus anderem Grund frustriert. Ingo Schultz' klägliches Scheitern im 400-Meter-Halbfinale, der anschließende routinemäßige Entzug seiner olympischen Akkreditierung und der damit verbundene Auszug aus dem olympischen Dorf hatten sein Gemüt belastet. Jetzt verwehrte ihm der DLV die Eintrittskarten für den Auftritt der deutschen 4x400-Meter-Staffel am Wochenende im Olympiastadion. Das limitierte Kontingent sei ausgeschöpft. "Das war der letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. So geht man nicht mit jemandem um, der sich das ganze Jahr für den Verband und die Athleten einsetzt. Ich werde die Zusammenarbeit mit dem DLV beenden", sagte Krempin dem Abendblatt.
Sein Vertrag läuft am 31. Oktober aus, DLV-Sportdirektor Frank Hensel wollte den Hamburger Verwaltungsbeamten aber weiterbeschäftigen. Krempin wird die Gespräche abbrechen. Die Missstände im Verband will er nicht öffentlich anprangern, er sagt nur: "Wenn ich als Projektleiter in der Innenbehörde die Arbeit ähnlich organisieren würde, wie der DLV seine Mannschaft führt, würde alles zusammenbrechen. Das erschwert die Vorbereitung der Sportler auf die Wettkämpfe ungemein. Die Verbandsstrukturen sind nicht leistungsfördernd."
Krempin will das nicht als Ausrede für Schultz' Auftritt am vergangenen Sonnabend verstanden wissen. "Ingo hatte vor dem Rennen einen Kreislaufkollaps. Auch wenn er das herunterspielt, das war die Ursache für seine schwache Zeit. Bitter ist: In den Tagen danach war er fit und in sehr guter Form."
Krempin will als Hamburger Landestrainer weiterarbeiten und junge Athleten ausbilden. Dass sie eine bessere Zukunft hätten, davon ist er überzeugt: "2008 oder 2012 werden wir dem Ideal der sauberen Spiele ein gutes Stück nähergekommen sein."