Norderstedt. Mit einem Aktionsplan werden kritische Bereiche erfasst und Maßnahmen erarbeitet. Überblick: Wie die Menschen geschützt werden sollen.
Eine seelige Stille wird es in Norderstedt nie geben. Doch auch wenn die viertgrößte Stadt von Schleswig-Holstein mit ihrer Lage im Hamburger Speckgürtel mittendrin ist, je nach Ortsteil mehr oder weniger geplagt vom Lärm durch Straßenverkehr, Flugzeuge oder die Bahn, so muss das nicht immer so bleiben. Und so kommt einem umfangreichen Strategiepapier eine besondere Bedeutung zu, um das Leben für die Bevölkerung etwas leiser werden zu lassen. Auf den Lärmaktionsplan kommt es an, und auf dessen Umsetzung. Nur: Ein Selbstgänger ist dieser nicht, wie sich derzeit wieder zeigt.
Norderstedt ist verpflichtet, das Konzept aufzustellen, das besagen sowohl das Bundes-Immissionsschutzgesetz als auch die EU-Richtlinie „zur Bewertung und Bekämpfung von Umgebungslärm“. Darunter fallen viele Alltäglichkeiten, sogenannte „unerwünschte oder gesundheitsschädliche Geräusche im Freien, die durch Aktivitäten von Menschen verursacht werden, einschließlich des Lärms, der von Verkehrsmitteln, Straßenverkehr, Eisenbahnverkehr, Flugverkehr sowie Geländen für industrielle Tätigkeiten“.
Straßen, Flugzeuge, Bahn: Die Lärmbrennpunkte in Norderstedt
In der Stadtvertretung, die sich kürzlich vor der Sommerpause noch einmal traf, flog das Thema dennoch kurzfristig von der Tagesordnung. „Es ist ein formaler Grund“, erklärte Baudezernent Christoph Magazowski. „Wir hatten nicht alle Unterlagen online gestellt, und damit wäre der Beschluss nicht rechtskräftig gewesen.“ Und diesen müsse man haben, um den Lärmaktionsplan über den Bund in Brüssel bei der Europäischen Union einzureichen.
Manche Politiker fragten, ob man den Lärmaktionsplan überhaupt brauche, schließlich könne doch alles auch so beschlossen werden. Doch das ist keine Option. Im Gegenteil: Zwar nicht der Stadt, aber Deutschland würde dann theoretisch ein Vertragsverletzungsverfahren drohen. „Das wollen wir natürlich nicht.“
„Dezibel-Zahl, die gesundheitsgefährdend ist“
Nach den Sommerferien wird der Beschluss nachgeholt. Magazowski: „Der Lärmaktionsaktionsplan verfolgt eine gewisse Systematik. Er wurde 2008 das erste Mal aufgestellt, wird seitdem alle fünf Jahre fortgeschrieben. Alle fünf Jahre stellen wir Lärmkarten auf, diese identifizieren Lärm-Brennpunkte, die eine gewisse Dezibel-Zahl überschreiten, die gesundheitsgefährdend ist. Dort sind wir als Verwaltung angehalten, Maßnahmen zu entwickeln.“
Das können unterschiedliche sein: „Baulich, also Kreisverkehre, Lärmschutzwände, Linksabbieger, um Anfahrverkehre zu vermeiden. Oder strategisch, also ÖPNV-Ausbau, Radwege, auch so etwas wie Nextbike, das wirkt sich indirekt aus.“ Das dritte wären verkehrsrechtliche Maßnahmen: „Die typische Methode wären Tempo-30-Zonen.“ All das wurde der Bevölkerung bei einer öffentlichen Veranstaltung präsentiert, die Bürger hatten die Möglichkeit, sich einzubringen. Betroffen sind viele, als belastet gelten laut Untersuchung von Fachbüros 28.800, also rund ein Drittel.
Lärmaktionsplan: Das unternimmt Norderstedt zum Schutz der Bevölkerung
Dann wiederum ging das Strategiepapier durch die Politik. Ein Freifahrtschein ist der Lärmaktionsplan nicht. „Er ist eine Willensäußerung gegenüber der EU. Damit sagt die Politik: Ja, wir wollen diese Maßnahmen angehen. Aber das befreit die Verwaltung nicht von Haushaltsrecht und der Gemeindeordnung.“ Das heißt: Wenn Geld investiert werden soll, muss das die Politik auch beschließen. „Aber es wäre verwunderlich, wenn die Politik beim Lärmaktionsplan sagt, dass sie Kreisverkehre möchte, aber nein sagt, wenn es so weit ist.“ Es sei denn, Haushaltszwänge, also ein enger Finanzrahmen, spräche dagegen.
Inhaltlich sind die Beratungen durch, der finale Beschluss wird nach den Ferien erfolgen. Also: Was besagt der Lärmaktionsplan tatsächlich?
Hauptverkehrsachsen: Die größten Brennpunkte in Norderstedt
Als „Brennpunkte“ gelten die Hauptverkehrsachsen: Ulzburger Straße, Ohechaussee, Ochsenzoller Straße, Horst Embacher-Allee, Friedrichsgaber Weg, Niendorfer Straße, Segeberger Chaussee, Poppenbütteler Straße, Alter Kirchenweg. Die Belästigung durch AKN oder U-Bahn ist eher gering, betrifft in der Regel nur die unmittelbaren Anwohner.
Beim Fluglärm konzentriert es sich auf einen bestimmten Bereich. „Der Flughafen Hamburg, der südlich von Norderstedt liegt, hat Auswirkungen auf das südwestliche Stadtgebiet von Norderstedt. Lärmbelästigungen durch startende und landende Flugzeuge treten hauptsächlich aufgrund der Start- und Landebahn auf, die bis in den südlichen Bereich von Norderstedt reicht.“
Umbau von Hauptverkehrsstraßen: Mehr Radverkehr, weniger Autos – weniger Lärm?
Getan werden könnte viel. Je attraktiver Straßen beispielsweise für den Radverkehr sind, desto eher könnten Menschen das Auto stehen lassen zugunsten der leisen Fahrräder. Zuletzt wurde das in der Marommer Straße umgesetzt, auch ein Teil der Ulzburger Straße ist seit einigen Jahren umgebaut, dort gibt es auch weitere Planungen für Abschnitte vom Glashütter Weg bis Harckesheyde und bis Am Gehölz sowie südlich zwischen Breslauer Straße und Ohechaussee.
Ebenso langfristig zu sehen ist die Segeberger Chaussee, dort laufen aber Vorbereitungen für eine Umgestaltung zwischen Poppenbütteler Straße und Müllerstraße. Und erst für 2026 angedacht sind neue Radspuren auf Kohfurth und Berliner Allee, also, nachdem das dortige Wohnungsbauvorhaben auf dem Kabs-Areal abgeschlossen ist.
Tempo 30 – langsame Geschwindigkeiten sind ein beliebtes Mittel für Lärmschutz. Tagsüber gibt es das in Norderstedt seit Jahren in der Niendorfer Straße, nachts zudem an mehreren Punkten, etwa der Ochsenzoller Straße, der Segeberger Chaussee und der Ohechaussee. Die neue Straßenverkehrsordnung könnte der Stadt und der Politik mehr Spielraum geben.
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Lärmschutz in Norderstedt: Nachts die Ampeln aus – auch neue Kreisel in Prüfung
Vorschläge liegen einige auf dem Tisch. So wurde die Ulzburger Straße zwischen Alter Kirchenweg und Langenharmer Weg in der Vergangenheit bereits geprüft und dann verworfen. Auch die Ochsenzoller Straße (zwischen Tannenhofstraße und Berliner Allee) sowie der Alte Kirchenweg (zwischen Am Exerzierplatz und Ulzburger Straße) sind Optionen. Ergänzend dazu wäre zu sehen, nachts Ampeln auszuschalten, etwa an der Rathausallee/Buckhörner Moor oder bei der Einmündung Ulzburger Straße/Buchenweg.
Auch Kreisverkehre als Alternative zu Ampelkreuzungen haben sich bewährt. Ob es jedoch auf Sicht zusätzliche geben wird, ist unklar. Laut Verwaltung seien die Brennpunkte aus verschiedenen Gründen nicht geeignet. Nur eine Prüfung für die Kreuzung Poppenbütteler Straße/Tangstedter Landstraße sowie für Quickborner Straße/Lawaetzstraße steht noch aus.
Weitere Maßnahmen, die teils bereits in Vorbereitung sind, aber auch erweitert werden könnten: Der ÖPNV könnte enger getaktet sein und ausgebaut (Beispiel: Glashütter Damm), nach Pinneberg könnte es einen Expressbus geben (Vorbild: der künftige AKN-Expresszug Neumünster-Norderstedt), der Radverkehr eigene Ampelschaltungen erhalten, Straßen „Flüsterasphalt“ bekommen. In den nächsten fünf Jahren gibt es also viel zu tun.