Schwarzenbek. Im Kreisarchiv sind alte Luftbilder von Schwarzenbek aufgetaucht. Sechs unveröffentlichte Ansichten sind im historischen Kalender.

Ein Zeppelin mit Werbeaufdruck schwebt über der ehemaligen Windmühle an der noch kaum bebauten Fritz-Reuter-Straße, die alte Futtermittelfabrik Michelsen steht auf weiter Flur, wo heute das Amtsgericht steht und die Realschule ist gerade erst fertiggestellt:

Der neue historische Kalender vom Heimatbund und Geschichtsverein weckt Erinnerungen an das alte Schwarzenbek, von dem kaum noch etwas erhalten ist. Das kommt nicht nur bei nostalgisch veranlagten Alteingesessenen gut an, sondern auch bei Neubürgern.

Exklusiv: Seltene Fotos von Schwarzenbek aus den 70er-Jahren aufgetaucht

„Viele Kunden haben schon vor Wochen angefragt, ob es wieder einen historischen Kalender gibt und wann er herausgegeben wird. Das ist ein beliebtes Weihnachtsgeschenk“, sagt Buchhändler Thomas Evers von der LeseZeit am Markt 3. Dort ist der Kalender auch ab sofort für 15 Euro erhältlich. „Wir haben über das Kreisarchiv bislang nicht veröffentlichte Luftbilder bekommen, die das Archiv kürzlich aufgekauft hat. Sie zeigen Schwarzenbek in den 1970er-Jahren aus der Luft“, erzählt Gisela Berger, Vorsitzende des Heimatbund und Geschichtsvereins, der in diesem Jahr seinen 70 Geburtstag feiert.

Historischer Kalender Schwarzenbek
Die alte Windmühle an der Fritz-Reuter-Straße wurde 1963 abgerissen. Hier steht sie noch und im Hintergrund wächst die Siedlung mit den Mehrfamilienhäusern, die vielen Neubürgern ein zu Hause bieten sollte.  © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

„Das Interesse an der Stadtgeschichte nimmt wieder zu. Ich biete regelmäßig historische Spaziergänge an. Bei meiner letzten Führung hatte ich 50 Teilnehmer. Viele von ihnen waren Neubürger, die gerne mehr über die Geschichte ihrer neuen Heimat erfahren wollten“, berichtet Gisela Berger, die in Schwarzenbek aufgewachsen ist und über ihren Heimatkundelehrer Günther Hampe das Interesse an Geschichte bekommen hat.

Aus der Luft sieht die Europastadt ganz anders aus – vor allem, wenn die Bilder sehr alt sind

Historischer Kalender Schwarzenbek
Die Einmündung der Berliner Straße auf die Lauenburger Straße gab es um 1970 noch nicht. Das Kaufhaus Kampff (Bildmitte) war im Weg. Heute steht dort CML. Gut zu sehen ist auch das Pastorat (r.), das noch alleine steht. Das Franziskushaus war noch nicht gebaut.  © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Doch die Luftbilder brachten auch ihren reichen Kenntnisstand über das alte Schwarzenbek an die Grenzen. Gemeinsam mit den Hobbyhistorikern Armin Borchardt und Christian Weiß hat Gisela Berger über den neuen Bildern aus dem Kreisarchiv gebrütet, die über die ehemalige Stadtarchivarin Dr. Anke Mührenberg an den Heimatbund weitergereicht wurden. „Mitunter waren wir erst einmal gar nicht so sicher, welche Bilder Schwarzenbek zeigen und welche nicht. Aber auch die Identifizierung der Gebäude war nicht immer leicht, weil die Stadt aus der Luft doch anders aussieht, als wir sie noch von unten aus unserer Kinderzeit und Jugend kennen“, sagt die pensionierte Finanzbeamtin.

Denn außer dem alten Amtsgericht an der Compestraße und dem Amtsrichterhaus ist nicht mehr viel aus Schwarzenbeks Vergangenheit erhalten. „Zugegebenermaßen gab es auch nicht so viele historische Schätze. Um 1800 war Schwarzenbek ein Bauerndorf mit 395 Einwohnern. Vieles entstand erst danach und auch diese Gebäude sind zum großen Teil wieder verschwunden, wie beispielsweise das alte Vorwerk oder die Mühle“, erzählt die Schwarzenbekerin.

Historischer Kalender Schwarzenbek
So viel Platz gab es noch in der heutigen Mitte Schwarzenbeks um 1970. Rechts von der Möllner Straße steht der Firmenkomplex um die Nährmittelfabrik und den Futtermittelhersteller Michelsen. Hier ist heute das Amtsgericht zu finden. Nördlich davon ist der neue Friedhof, rechts wogen Felder. Heute sind dort das Gymnasium und das Baugebiet um die Finkhütte.  © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Die Fotos zeigen, wie dünn bebaut die Stadt damals noch war

Zwar kein Luftbild, dafür aber umso spektakulärer ist auch das Kalenderbild für den August, das die alte Mühle kurz vor dem Abriss im Jahr 1963 zeigt. Dahinter ist ein erstes Mehrfamilienhaus an der Fritz-Reuter-Straße zu sehen, das heute mit weiteren Gebäuden den Eingang zum großen Baugebiet um den Mühlenbogen flankiert, das in den 1990er-Jahren entstand. Über der Mühle schwebt ein Zeppelin mit Werbeaufdruck.

Ein Bild aus den frühen 1970er-Jahren zeigt auch, wie dünn bebaut die Innenstadt damals noch war. Die Berliner Straße wurde gerade erst gebaut, die Durchfahrt war noch verschwenkt, weil an der Stelle des heutigen CML (mittlerweile ein Leerstand) das Kaufhaus Kampff stand. Dahinter weitläufige Flächen, das einsam stehende Pastorat und viel Brachland.

Als das Hotel Stadt Hamburg noch ganz allein auf weiter Flur stand

Auch den Einkaufstreff Passage gab es in den 1970er-Jahren noch nicht. Das Hotel Stadt Hamburg stand frei, um den 1835 entstandenen alten Friedhof an der Uhlenhorst war viel freie Fläche. Auch der Gebäuderiegel, der heute Dönerladen und griechischem Restaurant an der Einmündung zur Schmiedestraße ein Domizil bietet, war ein Einzelhandelsbereich. Dort hatten ein kleiner Spar-Markt, Saaten-Otto, die Drogerie Kempcke, ein Süßigkeitengeschäft und das Textilgeschäft Fialkowski ihren Sitz.

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Auch zwischen der alten Meierei und der Lauenburger Straße gab es nur lockere Bebauung, wie ein weiteres Luftbild eindrucksvoll dokumentiert. Viele Häuser hatten Anfang der 1970er-Jahre noch sehr große Gärten. Ein Relikt aus der Nachkriegszeit, als die Versorgung mit Lebensmitteln in der Metropolregion um Hamburg nicht so einfach war und viele Schwarzenbeker ihr Gemüse selbst anbauten und auch Tiere im Garten hielten.

Rund um die alte Meierei gab es viele große Gärten für die Selbstversorger

„Überhaupt war Schwarzenbek bis weit in die 1970er-Jahre hinein noch wesentlich dörflicher. Selbst an der Lauenburger Straße gab es große Gärten mit Obstbäumen, wo heute durchgehende Ladenzeilen zu finden sind“, erinnert sich Gisela Berger, während sie ein Bild mit dem Lührschen Haus an der Ecke Schmiedestraße betrachtet, in dem einst eine Apotheke untergebracht war.

Auch an der Möllner Straße sah es vor fünf Jahrzehnten noch ganz anders aus. Das Gelände, auf dem heute das Amtsgericht steht, waren damals die Nährmittelfabrik Pomosin und die Futtermittelfabrik Michelsen untergebracht. „Es roch dort immer sehr streng, wenn ich mit meiner Mutter spazieren ging“, berichtet Gisela Berger. Im rückwärtigen Bereich, wo heute Finkhütte und neues Gymnasium zu finden sind, wogten damals noch die Felder.

Historischer Kalender ist ab sofort im Handel erhältlich

Wer neugierig geworden ist, kann den historischen Kalender ab sofort in der Buchhandlung LeseZeit, Markt 3, kaufen. Wer mit Gisela Berger ins Gespräch kommen möchte, hat die nächste Möglichkeit am Sonnabend, 7. Dezember, um 15 Uhr. Dann gibt sie gemeinsam mit Gudrun Rosenthal einen plattdeutschen Nachmittag im Amtsrichterhaus am Körnerplatz 10. Bei Kaffee und Kuchen können die Besucher mit den beiden Frauen vom Heimatbund und Geschichtsverein ins Gespräch kommen – und für einen informativen Plausch über das alte Schwarzenbek ist die Hobbyhistorikerin immer zu haben...