Schwarzenbek. Schwarzenbeker Buchhändler profitieren von neuem Trend und einer Aktion der Bundesregierung. Was es damit auf sich hat.

Totgesagte leben bekanntlich länger: Das zeigt auch der lokale Buchhandel. Rund 6000 Buchhandlungen mit 120.000 Beschäftigten gibt es in Deutschland, die Branche leidet einerseits unter Konjunkturflaute und hohen Preisen durch Inflation und sehr hohen Kosten für Papier. Andererseits bringen der Kulturpass und Internetplattformen wie TikTok & Co. neue Zielgruppen in die Läden. Auch die zahlreichen Neuerscheinungen können gerade für das nach wie vor wichtige Weihnachtsgeschäft neue Impulse geben.

Hohe Kosten und Kaufzurückhaltung setzen den Buchhandel unter Druck

Generell gilt: Der Branchenumsatz ging 2022 im Vergleich zum Vorjahr um 1,9 Prozent zurück. Die Halbjahresbilanz 2023 fällt zweischneidig aus. Zwar liegt der Umsatz über alle Vertriebswege hinweg 4,1 Prozent über dem der ersten sechs Monate 2022 – im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit werden aber weniger Bücher verkauft. Und im Buchhandel vor Ort besteht noch eine deutliche Umsatzlücke, so eine vorläufige Bilanz des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels.

Buchhändlerin Andrea Anders-Koch zeigt ein Buch mit sogenanntem Farbschnitt. Auch die Außenkanten der sonst weißen Seiten sind mit dem Motiv des Titels bedruckt und machen das Buch zum „Hingucker“.
Buchhändlerin Andrea Anders-Koch zeigt ein Buch mit sogenanntem Farbschnitt. Auch die Außenkanten der sonst weißen Seiten sind mit dem Motiv des Titels bedruckt und machen das Buch zum „Hingucker“. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

„Wir stellen fest, dass immer öfter junge Mädchen im Alter ab 15 Jahren zu uns kommen, die wir vorher nicht als Kunden hatten. Sie haben ganz spezielle Wünsche und fragen Titel nach, die in einer aufwendigen Technik mit sogenanntem Farbschnitt gedruckt sind“, sagt Buchhändlerin Andrea Anders-Koch. Bei diesen Büchern wird das Motiv des in der Regel hochwertig künstlerisch gestalteten Buchcovers auch auf die Außenkanten der Seiten übertragen, sodass das gesamte Buch zum rundum farbigen Kunstwerk wird.

Influencerinnen wecken die Lust aufs Lesen bei jungen Frauen

Influencerinnen lesen aus diesen Büchern in Videos auf dem Portal TikTok vor. Meist verwenden sie dabei auch die hochwertigen Versionen mit dem Farbschnitt, weil diese auf Videos besonders edel aussehen. Das Ganze ist im Internet unter dem Hashtag #BookTok zu finden. Der Trend boomt mittlerweile so stark und beeinflusst den Markt, dass auch auf der gerade zu Ende gegangenen Frankfurter Buchmesse ein spezieller Bereich dafür vorgesehen war.

Bei dem Format posten überwiegend junge Frauen, genannt BookTokerinnen, Buchempfehlungen. Die Clips sind, typisch für TikTok, sehr kurz, es geht um Liebesromane, New Adult (für junge Erwachsene) und Fantasy. Andere Nutzerinnen kommentieren das Video, fragen nach speziellen Autorinnen und Buchtipps oder suchen Mitglieder für einen Buchclub. Der Trend wird reproduziert, indem BookTok-Videos selbst darauf eingehen: „Bücher, die ich wegen BookTok gelesen habe“ titeln einige Clips.

Sie liebt es blutig: Buchhändlerin Petra Baumhof liebt Krimis und empfiehlt „Nacht“ sowie „Die Insel der Tausend Leuchttürme“.
Sie liebt es blutig: Buchhändlerin Petra Baumhof liebt Krimis und empfiehlt „Nacht“ sowie „Die Insel der Tausend Leuchttürme“. © Stefan Huhndorf | Stefan Huhndorf

Das ist inzwischen so erfolgreich, dass auch Buchhandlungen auf den Zug aufspringen und Videos für ihre eigenen TikTok-Kanäle drehen. In manchen Buchläden gibt es gar eigene Thementische, auf denen ausschließlich Bücher angepriesen werden, die auf TikTok trenden.

So weit geht die „LeseZeit“ nicht, aber von dem Trend wollen die Buchhändler Thomas Evers und Andrea Anders-Koch in ihrem seit 16 Jahren am Markt 3 ansässigen Geschäft trotzdem profitieren. „Wir beobachten die Entwicklung sehr genau und bestellen die angesagten Bücher sofort. Denn die Bestseller sind sehr kurzlebig. Sie sind nur einige Tage oder Wochen angesagt, dann kommt die nächste Empfehlung. Bis dahin müssen sie verkauft sein oder sie werden zu Ladenhütern“, betont die Buchhändlerin.

Modernes Aschenputtel kommt bei Mädchen sehr gut an

Die Bücher selbst haben Namen wie „Der schlafende Prinz“, „It starts with us – nur einmal für immer“ oder „Fourth Wing – Flammengeküsst“. Die Influencerinnen lesen daraus Passagen, im Hintergrund erklingt aktuelle, angesagte Musik wie beispielsweise von Taylor Swift, und als Kulisse dient ein kuscheliges Jugendzimmer mit Blümchenbettwäsche. „Das Strickmuster der Bücher ist immer ähnlich. Es ist ein modernes Aschenputtel-Märchen, bei dem ein Mädchen aus einfachen Verhältnissen sich in einen Prinzen verliebt“, erläutert Andrea Anders-Koch.

Generell sei die Situation für den stationären Buchhandel schwierig. Die Konkurrenz gerade auch durch den Online-Handel ist groß, die Preise für Bücher sind hoch und die Kaufzurückhaltung der Kunden sei wegen der hohen Inflation deutlich zu spüren, so Andrea Anders-Koch. Deshalb kommen neue Kunden wie die Followerinnen der BookTok-Stars genau richtig. Aber es gibt auch einen anderen Lichtblick: „Wir haben auch deutlichen Zulauf wegen des Kulturpasses der Bundesregierung. Es war zwar ein gewaltiger bürokratischer Aufwand, sich dort anzumelden, aber das hat sich gelohnt“, erzählt Andrea Anders-Koch.

Kulturpass der Bundesregierung bringt neue Impulse für Buchhandel

Der Kulturpass ist ein Angebot der Bundesregierung für alle, die in diesem Jahr ihren 18. Geburtstag feiern. Sie erhalten ein Budget von 200 Euro, das sie für Eintrittskarten, Bücher, CDs, Platten und vieles andere einsetzen können. So soll Kultur gefördert und jungen Menschen schmackhaft gemacht werden. Ein Trend, der auch vor Ort ankommt. „Zu uns kommt eine junge Zielgruppe, die wir sonst so hier nicht haben“, sagt Andrea Anders-Koch.

Den Hauptanteil der Kunden machen aber nach wie vor erwachsene Leser aus, die die gute Beratung vor Ort schätzen – ein Erfolgsrezept und die Überlebensstrategie der „LeseZeit“. Und gerade zur dunklen Jahreszeit steigt wieder die Nachfrage nach neuen Büchern – zumal auch die Weihnachtszeit vor der Tür steht und Bücher gefragte Geschenke sind. Deshalb haben sich die Buchhändler unter den Neuerscheinungen umgeschaut und einige Tipps für die dunkle Jahreszeit zusammengestellt.

Gute Lesetipps frisch von der Frankfurter Buchmesse für die dunkle Jahreszeit

Andrea Anders-Koch schwört auf Bestseller-Autor Ken Follett. Sein neuer Roman „Die Waffen des Lichts“ (24,99 Euro) knüpft an seine im 12. Jahrhundert beginnende Familiensaga „Die Säulen der Erde“ an und verbindet in der Familiengeschichte Tradition und Moderne im 18. und 19. Jahrhundert. Ganz England wird von einem industriellen Wandel ergriffen, der den Arbeitern in den Garn- und Tuchmanufakturen ihre Existenzgrundlage nimmt. Die Arbeit von Hand wird durch neue Maschinen ersetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass zwischen England und Frankreich Krieg herrscht.

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Thomas Evers ist begeistert von Geschichte. Er empfiehlt Steffen Kopetzkys Roman „Damenopfer“ (21,99 Euro). Er schildert das Leben der Journalistin Larissa Reissner und den misslungenen Versuch, die Russische Revolution nach Deutschland zu exportieren. Sein zweiter Tipp: „Frühling der Revolution“ von Christopher Clark (36,99 Euro), ebenfalls ein historischer Roman, der die Leser in die Turbulenzen des Jahres 1848 entführt, als Menschen in vielen Großstädten Europas gegen die Obrigkeit demonstrieren.

Petra Baumhof liebt es dagegen blutig. Sie ist Krimi-Fan und empfiehlt „Nacht“ von Thomas Bagger (16,99 Euro) – ein Jütland-Krimi über einen mysteriösen Mord auf dem Deich, bei dem die Ermittler auf das Massengrab eines Serienmörders stoßen. Ihr zweiter Tipp ist „Die Insel der Tausend Leuchttürme“ von Walter Moers (34,99 Euro). Es ist eine Fantasy-Reise in eine Welt von fremden Kreaturen wie Küstengnomen und Frostratten, die ihren eigenen Mikrokosmos auf der Insel haben.