Ahrensburg. Seit 2016 sinkt die Zahl der Wohnungen, die pro Jahr gebaut werden. Landrat und Innenminister appellieren an Städte und Gemeinden.
Der Siedlungsdruck im Kreis Stormarn ist enorm groß. Immer mehr Menschen wollen im Umland der Metropole Hamburg wohnen. Die Folge: Mieten und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser steigen und steigen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, soll mehr gebaut werden. So wollen es die Landesregierung und Innenminister Hans-Joachim Grote (CDU).
Aktuelle Daten des Statistikamtes Nord zeigen jedoch, dass in Stormarn genau das Gegenteil passiert. Seit mehreren Jahren sinkt die Zahl neuer Wohnungen. 877 wurden demnach 2018 gebaut – elf Prozent weniger als im Vorjahr (984). Im Vergleich zu 2016 hat sich die Zahl sogar um 36 Prozent reduziert. Damit wird der Bedarf, den Gutachter für den Kreis sehen, verfehlt. Er liegt bei 1000 neuen Wohnungen pro Jahr.
Landrat fordert mehr bezahlbaren Wohnraum
Die Gesamtzahl von 877 findet Landrat Henning Görtz „nicht so dramatisch“. Mehr Sorge bereite ihm die Tatsache, dass darunter „nur sehr wenig bezahlbare Wohnungen sind“. Laut Statistik entfallen mehr als die Hälfte der Bauprojekte auf Ein- und Zweifamilienhäuser, dazu kommen viele höherpreisige Eigentums- und Mietwohnungen. „Wir brauchen dringend mehr Wohnungen, bei denen die Miete sechs bis sieben Euro pro Quadratmeter beträgt – und nicht elf bis zwölf Euro“, sagt Stormarns oberster Verwaltungschef. Er könne das aber nur fordern, bei der Umsetzung seien die Städte und Gemeinden gefragt. „Sie müssen die Grundstücke beschaffen und Bebauungspläne aufstellen“, sagt Görtz. Doch genau daran hapert es oft. Ein Grund ist, dass es immer häufiger Bürgerproteste gegen einzelne Bauprojekte oder ganze Neubaugebiete gibt.
Bürgerproteste verhindern immer wieder Bauprojekte
Zum Beispiel in Ahrensburg. Dort haben Anwohner aus dem Waldgut Hagen, der Siedlung Am Hagen und aus Ahrensfelde jahrelang gegen neue Bauflächen in ihrer Nachbarschaft protestiert, reichten zahlreiche Einwendungen gegen den ersten Entwurf des Flächennutzungsplans ein. Der Widerstand zeigte Wirkung: CDU und Grüne, die eine Mehrheit im Stadtparlament haben, sprachen sich vergangene Woche dafür aus, fast alle vorgesehenen Potenzialflächen für Wohnungsbau im Süden Ahrensburgs aus dem neuen F-Plan zu streichen. 420 mögliche Wohnungen fielen der Entscheidung zum Opfer, nur 36 blieben übrig. Ähnliche Proteste gibt es in vielen Orten Stormarns – in Reinfeld im Norden genauso wie in Glinde im Süden. Im 500-Einwohner-Dorf Nienwohld sorgte der geplante Bau eines Mehrfamilienhauses im April sogar für einen Bürgerentscheid.
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„Jeder hat das Recht, seine eigenen Interessen zu verteidigen“, sagt Henning Görtz dazu. „Das Problem ist: Es ist leichter, eine Bürgerinitiative gegen einen Bebauungsplan zu gründen, als sich als Gruppe zusammenzutun und öffentlich zu sagen: ,Wir brauchen eine Wohnung’.“ Geringverdiener, Rentner, Alleinerziehende und anerkannte Asylbewerber seien oft auf bezahlbare Wohnungen angewiesen, hätten aber eine schlechte Lobby. Hier sehe er die Politiker in der Pflicht. „Sie dürfen nicht auf den hören, der am lautesten protestiert, sondern müssen nach Argumenten entscheiden“, fordert er. „Diejenigen, die nicht so laut auf sich aufmerksam machen, dürfen nicht vergessen werden.“
Anders als in Stormarn sieht die Entwicklung laut Statistikamt Nord im benachbarten Hamburg aus. Dort wurden im vergangenen Jahr 10.674 neue Wohnungen errichtet – ein Plus von 34,8 Prozent im Vergleich zu 2017. Der Kreis entwickelt sich auch gegen den Trend in Schleswig-Holstein (12.025 Wohnungen, plus 0,4 Prozent).
Stormarner Bündnis prüft derzeit mehrere Bauflächen
Das Innenministerium in Kiel sieht Stormarn derzeit noch im Soll, verweist auf die 1032 Baugenehmigungen, die 2018 erteilt wurden. Es gebe einen „Überhang“ an noch nicht fertiggestellten Gebäuden, heißt es aus der Behörde. Aber auch: „Eine etwas dynamischere Entwicklung wäre gerade in den Regionen mit enger Anbindung an Hamburg und in den Siedlungsschwerpunkten wünschenswert.“
Dazu sagt Innenminister Hans-Joachim Grote: „Ich wünsche mir, dass unsere Kommunen ihre gesellschaftliche Verantwortung für die Schaffung zusätzlichen Wohnraums als Chance begreifen.“ Er spricht von einer „Lagegunst mit enormen Entwicklungsperspektiven“ durch die direkte Anbindung an Hamburg. „Bei den Menschen weckt das die Erwartung, dass gerade die Umlandkommunen kreative Lösungen für die Schaffung zusätzlichen Wohnraums entwickeln.“ Um diese zu fördern, habe die Landesregierung gerade das Programm „Neue Perspektive Wohnen“ beschlossen. Es stellt Kommunen Fördergeld von 50.000 Euro für die Planung und Gestaltung von Baugebieten in Aussicht.
Hoffnung auf Stormarner Bündnis
Landrat Henning Görtz setzt weiterhin viel Hoffnung in das „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ – eine Allianz von 36 Kommunen, acht Bauunternehmen und dem Kreis. Ihr Ziel ist es, bis zu 500 Wohnungen pro Jahr zu schaffen. Städte und Gemeinden melden dabei mögliche Baugrundstücke inklusive gewünschter Zielgruppe bei der Kreisverwaltung, diese leitet die Informationen an die Partner aus der Wirtschaft weiter. Nachdem die Bilanz im Gründungsjahr 2018 eher mager ausfiel, laufe es nun langsam an, so Görtz. „Gerade in den vergangenen Wochen sind mehrere vielversprechende Projekte an uns herangetragen worden, die wir jetzt auf ihre Realisierungschancen hin prüfen.“ Darunter sei auch ein Bauvorhaben aus Ahrensburg. Genaueres wolle er zum jetzigen Zeitpunkt aber noch nicht sagen.