Nienwohld. Bezahlbarer Wohnraum in dem 500-Einwohner-Dorf ist knapp. 800.000 Euro sind für das Projekt veranschlagt. Doch es gibt Streit.
Der Bau eines Mehrfamilienhauses erhitzt die Gemüter in der Gemeinde Nienwohld. Auch in dem 500-Einwohner-Dorf zwischen Bargteheide und Bad Oldesloe ist bezahlbarer Wohnraum knapp. Auf dem letzten freien Grundstück im Neubaugebiet Honbrook sollen in einem Gebäude fünf Einheiten mit günstigen Mieten, zwei davon barrierefrei, entstehen. Doch ein von Anwohnern initiiertes Bürgerbegehren blockiert das Projekt – obwohl die Arbeiten schon begonnen hatten. Mit einem solchen Protest hat das Dorf kein Alleinstellungsmerkmal. Vielerorts in Stormarn machen Nachbarn gegen geplante Immobilien mobil.
Die örtlichen Politiker sind schon länger bemüht, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. „Immer mehr junge Menschen verlassen den Ort, weil sie keine passende Wohnung finden. Das ist ein herber Verlust, vor allem für die Feuerwehr, der die Mitglieder wegbrechen“, sagt Bürgermeister Thomas Manke von der Aktiven Wählergemeinschaft Nienwohld (AWN). Um das Problem zu lösen, entschied sich die Gemeinde zum Bau eines Mehrfamilienhauses. „Für einen Träger im sozialen Wohnungsbau war unser Projekt zu klein“, sagt Manke, der auch an das Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen herangetreten war. Unter Federführung der Kreisverwaltung schlossen sich hierbei im April vergangenen Jahres 36 Städte und Gemeinden, der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen Nord (BFW) sowie acht Bauunternehmen zusammen. Oberstes Ziel sind neue Mietwohnungen.
Die Vermarktung der Grundstücke startete 2014
Im Neubaugebiet Honbrook begann die Vermarktung der gemeindeeigenen Grundstücke 2014. Auch Thomas Raudonat und Thomas Lück kauften dort. „Das Neubaugebiet war für reine Einzel- oder Doppelhausbebauung ausgewiesen. Von einem Mehrfamilienhaus war nie die Rede“, sagen die beiden Männer. Sie fühlen sich von der Gemeinde hintergangen, brachten das Bürgerbegehren als Initiativensprecher mit auf den Weg. Raudonat fasst weitere Kritikpunkte der Anwohner so zusammen: „Zu hohe Kosten für die Gemeinde, und es gibt keine Bedarfsanalyse.“ Den Verdacht, dass er als unmittelbarer Nachbar einen Bau verhindern will, weißt Raudonat massiv zurück: „Dass hier ein Haus gebaut wird, war von Anfang an klar.“
800.000 Euro sind für das Projekt veranschlagt. Im Dezember 2018 war Spatenstich. Seit der Anerkennung des zweiten Bürgerbegehrens Ende Januar – das erste wurde kurz nach Beginn der Arbeiten aus formalen Gründen abgelehnt – herrscht Ruhe auf der Baustelle. Der bereits aufgestellte Kran musste abgebaut werden. „Dieses gut gemeinte Projekt ist leider zu einem sehr heiklen Thema in unserer Gemeinde geworden“, sagt Bürgermeister Manke. Ihm ist die Enttäuschung über die Situation anzumerken.
Bürgerbegehren kommt Kommune teuer zu stehen
„Wir streben einen Bürgerentscheid an, der es allen Nienwohldern ermöglicht, nach Offenlegung aller Fakten über den Bau abzustimmen“, sagt Thomas Raudonat. In der Sitzung der Gemeindevertretung am Dienstag, 12. Februar, wird entschieden, wie es weitergeht. Erkennen die Politiker das Bürgerbegehren an, ist das Projekt an diesem Ort gescheitert. Lehnen sie es ab, können die Nienwohlder bei einem Bürgerentscheid dazu abstimmen.
Der stellvertretende Bürgermeister Martin Schmidt (AWN) weist die Vorwürfe der Bürgerinitiative zurück. „Wir haben uns alles im Vorwege genehmigen lassen. Der geplante Bau entspricht genau den Vorgaben im Bebauungsplan, darüber haben wir immer öffentlich informiert.“ Unabhängig vom Ausgang wird das Thema Mehrfamilienhaus die Haushaltskasse der Gemeinde belasten. 67.000 Euro sind bereits ausgegeben, Aufträge über 500.000 Euro erteilt. Bei einem Rückbau könnten zusätzlich noch Schadenersatzforderungen auf die Kommune zukommen.
Gemeindevertretersitzung in Nienwohld, Dienstag, 12. Februar, 20 Uhr, Alte Schule, Dorfstraße 32