Bad Oldesloe. Kreis, Kommunen und Unternehmen arbeiten seit sieben Monaten zusammen. Die Bilanz ist mager. Kritik gibt es vor allem an der Politik.

Es ist eine der zentralen Fragen der Gegenwart und Zukunft, die viele Menschen in Stormarn beschäftigt: Wie soll den unaufhaltsam steigenden Mieten begegnet und zusätzlicher Wohnraum geschaffen werden? Eine Antwort, um dem Siedlungsdruck Herr zu werden, will das „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen“ geben. Der Allianz sind 36 Kommunen beigetreten, dazu acht Bauunternehmen und der Kreis mit dem Ziel, Jahr für Jahr bis zu 500 neue Einheiten zu schaffen. Im April wurde ein entsprechender Vertrag unterzeichnet. Die Bilanz nach knapp sieben Monaten ist jedoch mager. Erst drei Projekte wurden auf den Weg gebracht, wovon nur eines mit 20 Wohnungen so gut wie in Stein gemeißelt ist.

Landrat Henning Görtz
Landrat Henning Görtz © HA | Finn Fischer

Dass die Allianz noch schwächelt, wundert Landrat Henning Görtz nicht. „Und es beunruhigt mich auch nicht“, sagt Stormarns oberster Verwaltungschef. Einen Grund für das schleppende Vorankommen sehe er in der Kommunalwahl im vergangenen Mai und der damit verbundenen Neubesetzung in den Stadt- und Gemeindeparlamenten. So etwas kostet Zeit, denn nicht gleich am Tag nach der Wahl nehmen die Ausschüsse mit verändertem Gesicht ihre Arbeit auf. In den Gremien wird die Grundlage für neue Wohnungen gelegt, indem Baugebiete ausgewiesen werden. „Wir sind als Kreis zahnlos und auf die Kommunen angewiesen“, sagt Görtz. Laut Gutachtern fehlen in Stormarn jährlich 1000 Wohnungen.

Bündis leitete erst drei Flächen an Firmen weiter

Das Prinzip des Wohnungsbau-Paktes funktioniert so: Städte und Gemeinden melden mögliche Baugrundstücke bei der Geschäftsstelle beim Kreis Stormarn. Auf einem Datenblatt werden unter anderem Grundstücksgröße, Mindestpreis und gewünschte Zielgruppen erfasst. Der Kreis leitet die Informationen an die Partner aus der Wirtschaft weiter, die ihre Konzepte und Gebote einreichen können.

Bisher hat Thorsten Kuhlwein, Geschäftsstellenleiter des Bündnisses in der Kreisverwaltung, erst drei Flächen an die Firmen herangetragen. Er sagt: „Natürlich sind wir damit nicht zufrieden.“ Vorvergangene Woche habe man sich daher intern beraten. Görtz geht demnächst erneut auf die Bürgermeister zu. Zum Beispiel im Dezember, wenn die Landesplanung im Oldesloer Kreishaus vorstellig wird und über die Neuordnung der Regionalplanung berichtet. Konkret geht es dabei um die Vergrößerung von Wachstumskorridoren in Kommunen. Auch wird der Kreis in Kürze Gespräche mit Bauamtsleitern führen, um das Bündnis in die Erfolgsspur zu führen.

Drei weitere Projekte für das kommende halbe Jahr geplant

Kuhlwein berichtet von bis zu drei weiteren Projekten, mit denen er innerhalb der nächsten sechs Monate rechnet. Details will er noch nicht nennen. Nach Abendblatt-Informationen ist eines davon in Bad Oldesloe angesiedelt. Konkretes gibt es hingegen in Barsbüttel. Dort will die Baugenossenschaft Sachsenwald 20 Wohnungen im Ortsteil Willinghusen auf einem gemeindeeigenen Grundstück gegenüber dem Sportplatz schaffen. Beide Seiten sind sich einig, es geht nur noch um die Feinabstimmung. Wenige Hundert Meter weiter sind in zwei Gebäuden jeweils vier Einheiten angedacht. Hier hat keine Firma angebissen. Wahrscheinlich macht es Barsbüttel jetzt in Eigenregie.

Auch das Unternehmen Semmelhaack ist auf gutem Weg, durch das Bündnis seinen Bestand zu erweitern. Geplant sind 30 Wohnungen in Lütjensee, die Gespräche mit der Gemeinde sind aber nicht abgeschlossen. Hartmut Thede, Leiter der Projektentwicklung bei der Elmshorner Firma, geht von einem Baustart frühestens 2020 aus. Über die bisherige Zusammenarbeit in der Allianz sagt der Wohnungs-Experte: „Die Kommunen tun sich mit der Grundstücksbeschaffung schwer. Das liegt an der Politik und nicht an den Verwaltungen.“ Deshalb schlägt Marcel Sonntag, Vorstandsvorsitzender der Baugenossenschaft Neue Lübecker, folgende Marschroute vor: „Das neue Instrument muss den örtlichen Politikern detailliert vorgestellt werden.“ Zu dem bisher Erreichten sagt der Chef von 172 Mitarbeitern, dessen Unternehmen rund 15.400 Wohnungen vermietet: „Ich hatte höhere Erwartungen.“ Politischer Ansprechpartner beim Kreis zu dem Thema ist Wolfgang Gerstand (CDU), Vorsitzender des Wirtschafts-, Planungs- und Bauausschusses. Er habe festgestellt, „dass viele Kommunen nicht wissen, welche Service-Leistungen die Unternehmen bieten“. Gerstand nennt zum Beispiel kostenlose Ingenieursleistungen in der Vorplanung.

Forum 21 beklagt fehlenden Mut der Parteien in Reinbek

Auch ohne den Kreis als Vermittler sind Firmen in Stormarn aktiv. Semmelhaack will schnellstmöglich das Gleisdreieck im Glinder Zentrum mit 89 Wohnungen, davon 62 öffentlich gefördert, und 30 Reihenhäusern bebauen. Die Politik hatte schon vor Bildung der Wohnbau-Allianz zugestimmt. Durch ein von Bürgern initiiertes Normenkontrollverfahren geht es derzeit nicht voran. Stillstand herrscht auch beim Holzvogtland in Reinbek, einer acht Hektar großen und landwirtschaftlich genutzten Fläche. In den 90er-Jahren verhinderte ein Bürgerentscheid Wohnungen. 2013 führte Semmelhaack Gespräche mit den Entscheidern, die erfolglos blieben.

Lediglich die Wählergemeinschaft Forum 21 unternahm danach Vorstöße zwecks Wohnungsbau. Deren Fraktionschef Heinrich Dierking, der auch Mitglied im Kreistag ist, kritisiert fehlenden Mut der Parteien. Er sagt: „Es ist eine schlechte Zeit für alleinstehende junge Menschen und Handwerker, die eine bezahlbare Bleibe suchen. Die werden in Reinbek zunehmend vergrätzt.“ Er glaube dennoch an die Kraft der Allianz und erhält Unterstützung von Landrat Henning Görtz. Der verspricht: „Wir werden im nächsten Jahr mehr Tempo machen.“

80 Millionen Euro pro Jahr für neue Projekte

Im April 2018 traten der Kreis, 36 von 55 Stormarner Kommunen, darunter die Städte Ahrensburg, Reinbek, Bad Oldesloe, Glinde, Bargteheide und Reinfeld, sowie acht Unternehmen dem „Stormarner Bündnis für bezahlbares Wohnen “ bei. Auf Investorenseite machen der Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen, der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen sowie die fünf Genossenschaften Neue Lübecker, Walddörfer, Bergedorf-Bille, Wohnstätten Bad Oldesloe, Sachsenwald und die Firmen Semmelhaack, Plambeck und Frank-Beteiligungsgesellschaft mit.

Die Unternehmen wollen jährlich bis zu 80 Millionen Euro investieren. Davon könnten bis zu 500 bezahlbare Wohnungen entstehen. Priorität haben Einheiten zur Miete.