Reinfeld/BAd Oldesloe. Der Siedlungsdruck ist hoch, überall sollen Wohnungen entstehen. Doch immer wieder wehren sich die Bürger – mit ähnlichen Argumenten.

Die Nachfrage nach Wohnraum im Umland der Metropole Hamburg ist groß – und sie steigt weiter. Doch die bebaubaren Flächen in den Stormarn sind endlich. Das sorgt in immer mehr Städten und Gemeinden für Konflikte. In Orten wie Bargteheide und Ammersbek formierten sich in den vergangenen Jahren bereits Bürgerproteste gegen geplante Neubaugebiete und Wohnbauprojekte. Auch in Ahrensburg gibt es seit Monaten Diskussionen über Potenzialflächen für Wohnungsbau, vor allem im Süden der Stadt. Viele Menschen sorgen sich an vielen Orten in Stormarn um die Grünflächen, fürchten den zunehmenden Verkehr und sehen Probleme bei der Infrastruktur, wenn die Bevölkerung weiter wächst.

Auch in Reinfeld hat sich jetzt eine Bürgerinitiative gegründet, die ein geplantes Wohngebiet verhindern will. „Eine Stadt kann nicht unendlich wachsen.“ Für die Mitglieder von „Pro Reinfeld“ ist jetzt eine Grenze erreicht. Sie fordern ein Ende „der Versiegelung von Flächen“. Kurzum: Keine neuen Baugebiete mehr in der 9000-Einwohner-Stadt. „Reinfeld könnte das letzte Naherholungsgebiet verlieren, wenn das Baugebiet tatsächlich kommt“, sagt Anwohner Thorsten Bartholl, der gemeinsam mit Ina Lochte und Ulrike Liese die Initiative „Pro Reinfeld“ gegründet hat. Durch das Gebiet führe der Jakobsweg. Es gebe Seeadler und große Fledermausvorkommen. Doch das Bauprojekt hätte nicht nur Auswirkungen auf die Natur, sondern auch auf die Lebensqualität in der Stadt, wie Ulrike Liese glaubt: „Schon jetzt leidet unser kleines Städtchen unter viel Verkehr.“

35 Mitstreiter innerhalb von einem Monat

Innerhalb eines Monats haben sich bereits 35 Mitstreiter gefunden. Es werden immer mehr. Um ihrer Forderung Nachdruck zu verleihen, plant die Initiative jetzt eine Unterschriftenaktion.

Konkret will die Stadt eine Fläche zwischen Messingschläger Teich und Bahnlinie erschließen. Ein weiterer möglicher Bauabschnitt befindet sich zwischen Bahngleisen und B 75. Noch sind die Planungen am Anfang. Der Ausschuss für Stadtentwicklung hatte im Mai mit nur einer Gegenstimme die Änderung von Flächennutzungs- und Landschaftsplan beschlossen.

Auch in Ammersbek und Bargteheide protestierten Bürger

Bislang ist das Gelände im Besitz eines Landwirts, der seinen Betrieb 2019 aufgeben will. Laut Stadtverwaltung sollen dort neben Einfamilienhäusern auch Geschoss- und Sozialwohnungen entstehen. Grund für die Pläne: Der Stadt werden bis 2030 bis zu 540 Wohnungen fehlen.

Dieser Siedlungsdruck und das damit einhergehende Konfliktpotenzial ist auch in anderen Stormarner Städten und Gemeinden zu beobachten. In Ammersbek protestierten Anwohner vor anderthalb Jahren gegen die Bebauung eines 10000 Quadratmeter großen Grundstücks in der Nähe des alten Dorfkruges an der Alten Landstraße. Bürger sammelten dort innerhalb von zwei Tagen 170 Unterschriften. Die Forderung: Bebauung ja, aber weniger massiv. Die Baufirma wies Kritik der Initiative daraufhin in Teilen zurück, zeigte sich aber gesprächsbereit.

„Beim Neubau nicht die ansässigen Familien vergessen!“

Proteste gegen ein geplantes Bauprojekt gab es kürzlich auch in Bargteheide. Dort ging es um die Bebauung einer Wiese mit 120 Wohnungen an der Straße Am Maisfeld. Anwohner forderten: „Beim Neubau nicht die ansässigen Familien vergessen!“ Grund für diese Bitte an die Stadt waren Sicherheitsbedenken. Größere Fahrzeuge, im Notfall eben Feuerwehr- oder Rettungsfahrzeuge, müssten über die Wiese abkürzen und könnten im Falle einer Bebauung die Straße dann nicht mehr passieren. Auch hier fruchteten die von Anwohnern hervorgebrachten Bedenken. Das Bauamt versicherte, man werde die Kritik ernst nehmen.

Auch Bad Oldesloe ist auf der Suche nach neuen Flächen, auf denen mittelfristig neue Wohngebiete entstehen könnten. „Diesen Erweiterungswunsch haben wir schon an das Land herangetragen“, sagt Bauamtsleiter Thilo Scheuber. Konkrete Flächen gibt es noch nicht. Ähnlich wie in Reinfeld sind in Bad Oldesloe die Erweiterungsmöglichkeiten begrenzt. Die Stadt ist von landwirtschaftlichen Flächen und Naturschutzgebieten wie dem Brenner Moor umgeben.

Bad Oldesloes Bürgermeister stellt sich vor Ort der Kritik

Wie kompliziert die Suche ist, zeigte sich in der Entstehungsgeschichte des sich derzeit in der Erschließung befindenden Claudiussee-Wohngebietes. 45 Jahre hat es gedauert, bis hier die Bagger anrücken konnten. Auch hier gibt es – wenn auch vergleichsweise harmlose – Konflikte mit Anwohnern. So wird eine Zugangsstraße zum neuen Wohngebiet an einem bestehenden Spielplatz entlangführen. Anwohner äußern bei einer Ortsbegehung wegen der befürchteten, höheren Verkehrsbelastung Sicherheitsbedenken. Baulärm und Lastwagen stören die Ruhe in den angrenzenden Wohnstraßen und auf einem ehemaligen Fabrikgelände in der Nachbarschaft zerkleinert ein Abrissunternehmen Bauschutt.

Bad OLdesloes Bürgermeister Jörg Lembke im Gespräch mit Anwohnern an der Claudiussee-Baustelle
Bad OLdesloes Bürgermeister Jörg Lembke im Gespräch mit Anwohnern an der Claudiussee-Baustelle © Finn Fischer | Finn Fischer

Eine Bürgerinitiative hat sich hier noch nicht gegründet. Das vielleicht auch aus Gründen der Kommunikation. Bei sogenannten Stadtteilbegehungen sucht Bürgermeister Jörg Lembke regelmäßig den Kontakt zu Anwohnern und stellt sich der Kritik. „Ich empfinde es als sehr positiv, dass wir bei solch offenen Bürgerfragestunden unsere Anliegen vorbringen können“, sagt Wolfram Ruhnke, der im Rudolf-Kinau-Weg wohnt – einer künftigen Zugangsstraße zum Claudiussee-Wohngebiet.

In Reinfeld jedenfalls fordert die junge Bürgerinitiative mehr Beteiligung von Anwohnern bei der Entscheidung, ob und wie neuer Wohnraum geschaffen wird. Ina Lochte von „Pro Reinfeld“ hat das Gefühl, dass „auf dem Weg nicht alle mitgenommen werden.“ Die Stadtverwaltung hat jetzt eine Einwohnerversammlung angekündigt, bevor von der Lokalpolitik weitere Entscheidungen getroffen werden.