In unserer Serie treffen wir Menschen aus Stormarn auf ihrer Lieblingsbank. Heute ist es die ehemalige Kirchenmusikerin Hanne Riedinger, die sich nun ihrer grünen Idylle widmet.
Trittau. "Muss es denn wirklich wieder die Orgelbank sein? Ich dachte, wir setzen uns in den Garten." Und schon hat Hanne Riedinger Platz genommen inmitten der blühenden Idylle, die sie komponiert hat. "Meine Insel", sagt sie über den Garten, den sie seit zwei Jahren sehr intensiv hegt und pflegt. Damals ging sie in den Ruhestand. Vier Jahrzehnte war die zierliche Frau mit dem brünetten Kurzhaarschnitt Kantorin in Trittau. Hat die Orgel gespielt bei den Gottesdiensten und zu anderen Veranstaltungen, sich mit viel Engagement der Kantorei gewidmet und in ihren Flötengruppen junge musikalische Talente gefördert.
"Eigentlich wollte ich ja Kinderärztin werden", erzählt Hanne Riedinger. Der Lateinlehrer aber verleidete der "Barmbeker Deern" die Lust an der Schule derart, dass sie das Elise-Averdiek-Gymnasium mit der Mittleren Reife verließ und sich an der Hamburger Musikhochschule einschrieb, um Kirchenmusik zu studieren. Eine Entscheidung, die nicht von ungefähr fiel, denn die Musik und der christliche Glaube waren in ihrer Familie fest verankert: Der Großvater war Pastor in Hamburg und Probst in Brasilien, die junge Hanne Mitglied im Chor der Jacobikirche.1967 hatte sie das Examen in der Tasche und nach dem Vorstellungsgespräch mit dem Trittauer Pastor Kurt Krausen auch den Arbeitsvertrag. 1969 heiratete sie in der Trittauer Martin-Luther-Kirche ihren Horst-Dieter.
"Kantoren waren früher oft ein bisschen als eigenbrötlerisch verschrien", sagt die Musikerin. Man sagte ihnen nach, dass sie schwer hinter der Orgel hervorzulocken waren. Ein ganz klein wenig habe sie in dieses Bild gepasst, sagt sie selbstkritisch. Schüchtern sei sie in jungen Jahren gewesen. Doch schnell habe sie gelernt, dass man die Orgelbank verlassen muss, um mit anderen Menschen etwas zu bewegen. "Die Zusammenarbeit ist das Spannende an meinem Beruf und die Freundschaften, die daraus entstehen", sagt sie, schenkt von dem selbst gemachten Holunderbeersaft nach und blickt auf die üppigen rosafarbenen Rosen. Zu jeder Pflanze in ihrem Garten könnte sie eine Geschichte erzählen. Sie sagt stattdessen: "Ich experimentiere gerne. Und dann kommen die Schnecken und fressen alles weg." Unterkriegen aber lässt sie sich davon nicht. "Ich bin sehr konsequent in dem, was ich tue", sagt Hanne Riedinger. Eine Eigenschaft, die sich auch für die Kirchenmusik in Trittau ausgezahlt hat. Sie hat mit Hilfe von Sponsoren einen Flügel für die Kirche angeschafft, um Klavierkonzerte veranstalten zu können. Bei der "Weihnachtsmusik im Kerzenschein", ihrem "Baby", wurde er 1999 eingeweiht. Sie hat den Freundeskreis zur Förderung der Musik in der Martin-Luther-Kirche ins Leben gerufen, um die Konzertreihe auszuweiten. Seitdem waren viele hochkarätige Künstler in Trittau zu hören. Zweifel an ihrem Tun nagen immer dann, wenn eine Veranstaltung nicht erfolgreich war und ihrer Experimentierfreude ein Dämpfer versetzt wurde. Heute verzichtet sie auf Konzerte mit Klavier, Bratsche und Cello, "weil man damit die Hütte bei uns nicht voll kriegt." Zwei Stunden vom Tag gehören der Freundeskreis-Arbeit. Das laufende Konzertprogramm wird am kommenden Sonnabend fortgesetzt: Um 18 Uhr gastiert die Lilienfelder Cantorei in Trittau. Das Konzertprogramm für 2010 setht auch schon. 5000 Euro wird es verschlingen. "Ich denke, es ist eine gute Mischung, die das Publikum ansprechen wird", sagt die Frau, die früher waghalsige Klettertouren auf der Südtiroler Seiser Alm unternommen hat, heute Golf spielt und Specksteinarbeiten macht. "Dabei kann ich alles um mich herum vergessen", sagt die aktive 64-Jährige. Für eine Weile auch die Tatsache, dass der 1919 gebaute Blüthner-Flügel überholt werden und der Freundeskreis das finanziell wuppen muss. Wie? Das weiß die Vorsitzende noch nicht. Aber dass sie das schaffen, da ist sie sich sicher.
Wenn man etwas will, schafft man das auch, man muss nur Prioritäten setzen. Diese Erfahrung hat sie immer wieder gemacht.
Priorität hatte stets die Arbeit mit der Kantorei. "Mit dem Chor möchte ich alt werden", hat sie einmal gesagt. Sie haben Konzerte gegeben, gemeinsame Urlaube verbracht. Und die Sänger haben ihre Frontfrau immer dann besonders bestärkt und getragen, wenn an ihr selber mal wieder der Zweifel nagte. Unvergesslich: Die Aufführung des Messias zu ihrem Abschied vor zwei Jahren.
Hanne Riedinger liebt die Komponisten der Romantik, vor allem Mendelssohn-Bartholdy. Aber natürlich auch Mozart und Bach. Sie schätzt gute Bücher und fotografiert gern. Das Arbeiten mit Specksteinen ist ein relativ junges Hobby. "Das beansprucht die Hände, was für das Spiel auf der Orgel und dem Klavier nicht besonders gut ist." Sie kann sich das jetzt leisten. Auf der Orgelbank sitzt sie nur noch ab und zu, zum Beispiel wenn sie ihre Nachfolgerin vertritt.