Der Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und SSW in Schleswig-Holstein listet auf 60 Seiten politische Leitplanken und Maßnahmen auf.
Kiel. Hehre Ziele, hohe Ansprüche: Neue Horizonte“ will das Dreierbündnis aus SPD, Grünen und SSW dem Land zwischen den Meeren eröffnen und einen neuen Politikstil etablieren. Im Kern ziele das Bündnis auf die Neugründung eines Gemeinschafts- und Zusammengehörigkeitsgefühls, heißt es in der Präambel des am Montag im Wortlaut veröffentlichen Koalitionsvertrages. Gräben zwischen Regierungsmehrheit und Opposition, zwischen Politik und Gesellschaft sollen überwunden werden. Schwerpunkte und Einzelmaßnahmen.
+++ "Dänen-Ampel" im Norden gibt sich grünes Licht +++
Das will die Dänen-Ampel:
Finanzen: Mehrausgaben müssen durch Einsparungen oder mehr Einnahmen kompensiert werden. Konjunkturelle Steuermehreinnahmen fließen nicht in strukturelle Ausgabensteigerungen. Mit dem Etat 2013 bekommen Krippen, dänische und freie Schulen, Altenpflege-Ausbildung, Öko-Landbau und Frauenhäuser mehr Geld. Für Betriebskosten an Krippen gibt es zunächst 15 Millionen Euro, die Summe steigt bis 2017 auf 80 Millionen. Straßenbaumittel werden gekürzt, der Erdölförderzins erhöht. Zehn Prozent der Stellen im Landesdienst sollen bis 2020 abgebaut werden (Basis 2010), Minister weniger Geld bekommen. Mittelstands-, Integrations- und Kulturbeauftragte werden abgeschafft. Es bleibt bei sieben Ministern, dafür gibt es elf statt zehn Staatssekretäre.
Hamburg: Schleswig-Holstein will mit seinem wichtigsten Nachbarn eine gemeinsame Schulplanung für die Metropolregion vornehmen. Fernziel ist eine freie Schulwahl. Auch in anderen Bereichen will Schleswig-Holstein enger mit Hamburg zusammenarbeiten. Pläne für gemeinsame Beratungsgremien, etwa einen Ausschuss von Bürgerschaft und Landtag, sind mit dem SSW aber kaum zu machen.
Verkehr: Beim Weiterbau der A20 ist die Koalition gespalten. SPD und SSW sind dafür, Grüne dagegen. Ergebnis: „Wir stellen fest, dass ein Weiterbau der A20 westlich der A7 in dieser Legislaturperiode nicht realistisch ist und ausgeschlossen wird.“ Wie es weitergeht, soll die nächste Regierung entscheiden. Reservierte 60 Millionen Euro für die Planung der Hinterlandanbindung des Fehmarnbelt-Tunnels werden kassiert, weil der Bund zuständig sei. Schienen- und Radverkehr soll stärker gefördert werden.
Bildung: Gerechtigkeit steht oben. Der Kita-Besuch soll für Eltern langfristig kostenlos werden. Voraussetzung: Bessere Kassenlage und Einigkeit bei Gegenfinanzierung. Priorität haben Betreuung von Kleinkindern und Kita-Qualität. 1400 Lehrerstellen werden bis 2017 wegen Schülerrückgangs rechnerisch frei. Gesparte Mittel gehen je zur Hälfte in Haushaltskonsolidierung und bessere Bildung. Generell Abitur nach acht Jahren am Gymnasium, an Gemeinschaftschulen nach neun. Kreise müssen Eltern nicht mehr an Schulbuskosten beteiligen.
Arbeit: Ein Tariftreuegesetz soll transparente Vergabegrenzen, soziale und ökologische Belange sowie Gleichstellung von Leiharbeitern mit Stammbelegschaften berücksichtigen. Im ÖPNV soll wieder der Tariflohn gelten.
Energie: Mehr Tempo beim Ausbau erneuerbarer Energien. Bis 2020 soll das Land aus diesen Quellen dreimal so viel Strom produzieren, wie es verbraucht. Es soll kein neues Kohlekraftwerk gebaut werden.
Umwelt- und Naturschutz : Mit Fischern und Naturschützern wird über naturverträgliche Fischerei im Nationalpark Wattenmeer gesprochen. Eine Ausweitung der Ölförderung wird abgelehnt.
Soziales : Kürzungen bei Freiwilligen Sozialen Jahr werden zurückgenommen. Das von 400 auf 200 Euro gekürzte Blindengeld wird auf 300 Euro erhöht.
Kommunen: Freiwillige Zusammenschlüsse von Gemeinden (bisher rund 1000 im Land) werden unterstützt. Zielgröße sind 8000 Einwohner. Doppelungen in der Verwaltungsstruktur sollen wegfallen.
Inneres : Polizisten werden bei geschlossenen Einsätzen mit Nummern gekennzeichnet. Vorratsdatenspeicherung und Sperrung von Inhalten im Internet werden abgelehnt. Die Abschiebehaft-Anstalt Rendsburg wird geschlossen.
Diverses Das schwarz-gelbe Sparkassengesetz wird geprüft, eventuell überarbeitet. Die Landesbeteiligung an der HSH Nordbank soll verkauft werden, sobald rechtlich möglich und wirtschaftlich sinnvoll. Geprüft wird, wie das Landes-Glücksspielgesetzes ohne Schadenersatz aufgehoben werden kann (es wurden noch von der alten Regierung Lizenzen vergeben). Ziel ist der Beitritt zu Staatsvertrag der 15 anderen Länder. Das Gefängnis Flensburg bleibt. In der Kultur werden keine Einsparmöglichkeiten mehr gesehen.
Die neue Regierungsstruktur im Norden
SPD, Grüne und SSW haben beschlossen, die bisherige Struktur der Landesregierung in Kiel teilweise zu ändern. Hier ein Überblick:
MINISTERIUM für JUSTIZ, EUROPA und KULTUR: Die Kultur war bisher dem Bildungsministerium zugeordnet, Europa-, Ostsee- und Nordseeangelegenheiten der Staatskanzlei. Ministerin wird Anke Spoorendonk vom SSW, auch zweite stellvertretende Ministerpräsidentin.
MINISTERIUM für BILDUNG und WISSENSCHAFT: Die Wissenschaft war bisher beim Wirtschaftsministerium angesiedelt. Ministerin wird auf SPD-Ticket Waltraud Wende (parteilos).
INNENMINISTERIUM: Das Haus übernimmt aus dem Justizministerium die Zuständigkeit für Ausländer- und Integrationsangelegenheiten. Das Beamtenrecht kommt ebenso aus dem Finanzministerium hinzu wie ressortübergreifende Informationstechnologien- und E-Government. Die Staatskanzlei gibt die Verantwortung für Aus- und Fortbildung sowie Nachwuchskräfte an das Innenressort ab. Minister wird Andreas Breitner (SPD).
FINANZMINISTERIUM: Außer den Verlagerungen ins Innenressort ändert sich nichts. Ministerin wird Monika Heinold (Grüne).
MINISTERIUM für ENERGIEWENDE, UMWELT, LANDWIRTSCHAFT und LÄNDLICHE RÄUME: Das Ressort übernimmt aus dem Wirtschaftsministerium die Energiepolitik und das Energierecht sowie aus dem Justizministerium die Reaktorsicherheit und den Strahlenschutz. Hinzu kommen weitere Zuständigkeiten in Bezug auf Energie aus dem Innen- und Wirtschaftsministerium. Minister wird Robert Habeck (Grüne), auch erster stellvertretender Ministerpräsident.
MINISTERIUM für WIRTSCHAFT, ARBEIT, VERKEHR und TECHNOLOGIE: Arbeitsmarktpolitik, Arbeitsrecht, Jugend und Arbeit sowie der Europäische Sozialfonds waren bisher dem Sozialministerium zugeordnet. Das Wirtschaftsministerium „erbt“ aus dem Landwirtschaftsministerium den Verbraucherschutz. Minister wird Reinhard Meyer (SPD).
MINISTERIUM für SOZIALES, GESUNDHEIT, FAMILIE und GLEICHSTELLUNG: Um Gleichstellung und Integration kümmerte sich bisher das Justizministerium. Für die Kindertagesstätten war in der alten Regierung das Bildungsministerium zuständig. Ministerin wird Kristin Alheit (SPD).
STAATSKANZLEI: Sie bekommt vom Innenministerium die Zuständigkeit für die Landesplanung.
(dpa/abendblatt.de)