Wedel. Gernot Kaser, umstrittener und freigestellter Rathauschef, äußert sich erstmals zu Vorwürfen gegen ihn. Kurzform: Er sei unschuldig.

Er hat sein Schweigen gebrochen. Nach wochenlanger Funkstille hat Wedels umstrittener und von der Abwahl bedrohter Bürgermeister Gernot Kaser sich am Montag im Reepschlägerhaus erstmals gegenüber Medienvertretern zu den Vorwürfen gegen ihn geäußert.

Am 9. Juni sollen die Wedeler entscheiden, ob Kaser im Amt bleibt. Die Politik hatte zuvor mit 38 Ja- und einer Nein-Stimme das Abwahlverfahren gegen den im Mai 2022 gewählten Bürgermeister eingeleitet. Die Liste der Vorwürfe gegen den parteilosen Bürgermeister ist lang. Sie reicht von mangelhafter Mitarbeiterführung über einen Untreueverdacht bis hin zu Kommunikationsschwäche. Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft sowie ein Disziplinarverfahren gegen Kaser sind bekannt.

Bürgermeister Gernot Kaser wehrt sich gegen seine Abwahl

Als rechtlichen Beistand hatte Kaser den renommierten Kieler Anwalt Trutz Graf Kerssenbrock am Montagmorgen dabei. Es wurde etwa über die Anschuldigungen aus der Politik und der Mitarbeiterschaft aus Kasers Sicht gesprochen. Auch das gegen ihn eingeleitete Disziplinarverfahren, die mögliche Verschiebung des Abwahltermins und die gegen ihn gerichteten Strafanzeigen wurden thematisiert. Kaser selbst hat ebenfalls Strafanzeigen gestellt.

Es seien „wüste Beschuldigungen“ gegenüber dem Bürgermeister erhoben worden, sagte Kasers Anwalt, die „nie bewiesen“ worden seien. Endlich setze sich Kaser nun aus seiner Sicht zur Wehr. Die Mehrheit des Wedeler Stadtrats habe diese Abwahl beschlossen, ohne dem Bürgermeister die Gelegenheit für eine Stellungnahme einzuräumen. Etwa in den an die Bürger versandten Informationsunterlagen zur Abwahl oder auf der Homepage www.wedel-politik.de. Dies sei „parteiisch“ und widerspreche den gesetzlichen Grundsätzen von freien Wahlen laut Gemeindeordnung, so der Anwalt.

Wedel: Gernot Kaser spricht von „Vorverurteilung“ – es gebe keine „Unschuldsvermutung“

„Es sind alles Vorfälle, die noch nicht bewiesen worden sind. Es betrifft in erster Linie den Menschen Gernot Kaser, und auch die Familie ist stark davon betroffen“, so Kaser. Ihm missfalle die „Vorverurteilung“, die „Unschuldsvermutung“ würde bei ihm offenbar nicht gelten. „Mein Ruf ist ramponiert“, sagte der Bürgermeister. Es gebe keine Belege für die Anschuldigungen.

Jegliche Substanz fehle, meint auch Anwalt Kerssenbrock. Zu den bei der Staatsanwaltschaft Itzehoe gestellten Strafanzeigen gegen den Bürgermeister wegen Untreue sagte der Anwalt, dass die Akteneinsicht noch nicht gewährt worden sei. „Wir haben die Akteneinsicht am 29. April beantragt und bis zum heutigen 13. Mai immer noch nichts gehört“, so Kerssenbrock.

Anwaltsrechnungen: Gernot Kaser – Gutachten soll ihn entlasten

Aus Kerssenbrocks Sicht habe es zudem bei dem Vorfall am 6. November, der letztlich zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens durch die Kommunalaufsicht des Landes Schleswig-Holstein führte, kein Dienstvergehen gegeben. „Er soll einen Mitarbeiter eingeschüchtert haben? Das ist möglicherweise einfach eine Meinungsverschiedenheit. So etwas gibt es“, sagt Kasers Anwalt. Wie berichtet, soll Gernot Kaser laut Mitarbeiteraussage einen Rathaus-Angestellten zur Leistung von Unterschriften unter nicht zweifelsfrei belegbare Rechnungen genötigt haben.

Zudem soll Kaser laut Beschluss der Politik auch Geld für Rechtsberatungen an die Stadt Wedel zurückzahlen. Es handelt sich um eine rechtliche Beratung einer Anwaltskanzlei in Höhe von gut 7400 Euro. Die Stadtjustiziarin habe ihm nicht weiterhelfen können, deshalb sei externe Hilfe nötig gewesen. Laut Kaser sei geprüft worden, ob die Stadt Wedel die Kosten übernehmen müsse. Dies sei ihm gegenüber „bejaht“ worden.

Rathaus Wedel: Politiker versuchte laut Kaser über Mitarbeiter an geheime Dokumente zu kommen

Zudem würde es zu seiner Entlastung ein „28-seitiges Konvolut aus einem nicht-öffentlichen Teil“ geben. Kaser deutete darüber hinaus vage einen Skandal an. Dabei soll ein Politiker über einen Rathaus-Mitarbeiter versucht haben, Einsicht in diese Akten zu erhalten.

Abermals griff Kaser die Stadtpolitik, zu der das Verhältnis zerrüttet scheint, scharf an. Er habe „24 Monate Eingriffe in meine Tätigkeit als Bürgermeister“ erlebt. In den ersten Monaten des vergangenen Jahres hätten ihn einige Politiker derart heftig beschuldigt, dass er „mit dem Rücken zur Wand“ gestanden habe. Er halte sich an Gesetz und Ordnung und stehe für „absolute Transparenz“.

Gernot Kaser: „Ich habe mit 20 Mitarbeitern direkt zu tun“

„Ich habe bereits im Wahlkampf angekündigt, dass ich alles auf den Prüfstand stellen will. Dem bin ich nachgegangen“, sagte Kaser. Jahre oder Jahrzehnte hätte es keine Veränderungen gegeben. Er wolle für eine „notwendige Umgestaltung der Verwaltung“ sorgen.

Bürgermeister Gernot Kaser gratuliert Julia-Fisauli Alto (CDU) zum Posten der Stellvertretung. Sie übernimmt vorläufig dessen Amtsgeschäfte. Ihr Stellvertreter ist Tobias Kiwitt (Bündnis 90/Die Grünen).
Bürgermeister Gernot Kaser gratuliert Julia-Fisauli Alto (CDU) zum Posten der Stellvertretung. Sie übernimmt vorläufig dessen Amtsgeschäfte. Ihr Stellvertreter ist Tobias Kiwitt (Bündnis 90/Die Grünen). © Frederik Büll | Frederik Büll

Dieses Vorhaben sei bereits in der Vergangenheit aus seiner Sicht ein Anhaltspunkt für die schlechte Stimmung unter den Mitarbeitern im Wedeler Rathaus gewesen.

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Neben Politik und dem eigenen Stadtmarketing kritisiert auch der Personalrat des Rathauses selbst den Bürgermeister und begrüßt das Abwahlverfahren gegen Kaser. In einer Personalumfrage im November 2023 hatte Kaser von den eigenen Mitarbeitern desolate Beliebtheitswerte erhalten.

Kaser dazu: „Von den gut 450 Mitarbeitern sind 300 in den Außenstellen. Die sehe ich gar nicht. Ich habe mit gut 20 Mitarbeitern direkt zu tun. Mit den übrigen 120 habe ich kaum Kontakt“, sagte der Bürgermeister, der seit Mai 2022 im Amt ist. Diese hätten vielmehr mit ihrem jeweiligen Fachbereichs- oder Fachdienstleiter Kontakt.

Abwahlverfahren Bürgermeister: Personalrat mit „ungeheurer Anmaßung“

Er nehme die Umfrage aus dem Vorjahr dennoch „sehr ernst“, aber sein Vorschlag beim Personalrat, „450 Gespräche“ selbst zu führen, sei abgelehnt worden. Das habe der Personalrat mit zwei eigenen Teams übernehmen wollen. Dass der Personalrat sich mit einer Empfehlung in das Abwahlverfahren eingeschaltet habe, sei darüber hinaus laut Anwalt Kerssenbrock eine „ungeheure Anmaßung“ gewesen. Der Personalrat und die Mitarbeiter hätten die Verpflichtung, dem Bürgermeister zuzuarbeiten und keine „Privat-Politik“ zu betreiben.

Die Fraktionsvorsitzenden auf der Pressekonferenz nach der Einleitung der Bürgermeisterabwahl Gernot Kaser: Nina Schilling (FDP, v.l.), Lothar Barop (SPD)
Die Fraktionsvorsitzenden auf der Pressekonferenz nach der Einleitung der Bürgermeisterabwahl Gernot Kaser: Nina Schilling (FDP, v.l.), Lothar Barop (SPD) © Frederik Büll | Frederik Büll

Kaser sagt über seine eigenen Fehler, dass er sich in seiner anfänglichen Euphorie zu schnell in das „operative Geschäft“ hineinbegeben habe, auch „weil die ein oder andere Führungskraft mit ihrer Aufgabe nicht hinterhergekommen“ sei und er dann herausgefahren sei, „um mit dem Feuerlöscher einen Brand zu löschen.“ Dies habe dazu geführt, dass Gernot Kaser die „Mitarbeiter in der Basis nicht ausreichend kennengelernt“ habe. Sofern er im Amt bestätigt werden würde, genieße für ihn das Personal die oberste Priorität.

Mit Wedel Marketing befindet sich der Bürgermeister ebenfalls in einem Dauerclinch. Es habe laut Kaser Schlüsselmomente gegeben. „Einmal das Infragestellen der 100.000 Euro an Wedel Marketing, mit der Absicht der inhaltlichen Überprüfung der Mittelverwendung und der Arbeit für die Wedeler Bürger“, so der Bürgermeister. Bereits im Dezember 2022 hatte Kaser in der Ratsversammlung einen Antrag gestellt, den Vertrag mit dem Stadtmarketing zu kündigen. Die Politik entschied sich dagegen, das Vorhaben per Eilantrag noch auf die Tagesordnung zu setzen.

Gernot Kaser: „Der Vertrag mit Wedel Marketing ist für mich inakzeptabel“

Es sei nicht darum gegangen, die Arbeit mit Wedel Marketing zu beenden, doch nach wie vor meint Kaser, der selbst qua Amt im Vorstand sitzt, dass „der Vertrag für mich inakzeptabel ist.“ Ein professioneller Vertrag sehe anders aus. Zudem habe die Politik dann in diesem Jahr ein „Vertragskonstrukt“ durchbringen wollen, in dem „der Bürgermeister nicht einmal mehr im Vorstand ist, in dem die Transparenz nicht gegeben wäre und auch das Leistungsbild als solches nicht mehr vereinbart worden wäre.“

Wedel Marketing sei für ihn ein Teil des Stadtmarketings, das er mit den Feldern „Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung und City-Management, sofern es kommt“, verzahnen möchte.

Wedel Marketing: „Mehrfachidentitäten“ – „Aufträge an nahestehende Personen“

Nach wie vor sei Kaser der Meinung, dass beim Stadtmarketing „Aufträge an nahestehende Personen“ vergeben werden. Sein Anwalt sprach von „Mehrfachidentitäten, indem sie im Vorstand des Stadtmarketings sitzen“ und möglicherweise Aufgaben übernehmen, die „möglicherweise nicht nur im Sinne der Stadt, sondern möglicherweise im höchst privaten Sinne stattfinden.“ Der gesamte Komplex müsse aus seiner Sicht „durchleuchtet“ werden.

Und auch das Thema der ausgesetzten Zinszahlungen der Stadtsparkasse an die Stadt Wedel schnitt der gebürtige Österreicher, der durch sein Amt Verwaltungsratsvorsitzender dieser Bank ist, an. Es müsse laut Kaser geklärt werden, wer in diesem Bereich entscheiden dürfe.

Wedels Bürgermeister möchte nach Bestätigung „Stadt Wedel gemeinsam mit Politik nach vorne bringen“

Wie könnte im Falle einer Bestätigung im Amt eine gelungene Zusammenarbeit gelingen? „Wer die Erde hier verbrannt hat, ist ja klar. Das ist nicht der Bürgermeister selbst“, meint Kasers Anwalt. Er sei auf sechs Jahre gewählt worden und habe die „Amtspflicht“ zu erfüllen: „Wenn die Abwahl schiefgeht, wie ich erwarte, dann werden sich einige Leute nicht nur am Kopf kratzen müssen.“

Die Politik habe laut Kaser nach der Einleitung des Abwahlverfahrens zudem gesagt, im Falle einer Bestätigung im Amt „vertrauensvoll mit dem Bürgermeister zusammenarbeiten zu wollen“. Da nehme er sie beim Wort. Er werde aktiv auf die Politik zugehen, „damit wir gemeinsam Wege finden, um letztendlich die Stadt Wedel nach vorne bringen zu können“.

Wedel Gernot Kaser: Gemeinsam mit Politik „zwei Schritte zurück“ machen

Der Bürgermeister und die Politik täten gut daran, „zwei Schritte zurück zu machen und sich zu fragen: Worum geht es hier eigentlich?“ Ideologien und persönliche Interessen hätten an dieser Stelle nichts zu suchen.

In der vergangenen Woche hatte die Anwaltskanzlei in Kasers Auftrag per Eilantrag eine Verschiebung des Abwahltermins am Sonntag, 9. Juni, beantragt – bis alle belastenden Sachverhalte juristisch geklärt seien. Das Verwaltungsgericht Schleswig-Holstein entscheide über den Abwahltermin voraussichtlich Ende Mai, so Sprecher Andreas Sandhöfer. Aktuell liefen noch die Fristen für die Stellungnahmen der Beteiligten. Kaser meint, der Termin müsse verschoben werden. Oder, so Kasers Anwalt: „Die Anträge zur Abwahl können auch zurückgenommen werden, gerade wenn es nicht den Hauch einer Straftat gibt.“