Wedel. Politik zwingt Gernot Kaser, die Amtsgeschäfte ruhen zu lassen. Nun treffen zunächst andere die Entscheidungen. Das sind die Folgen.
Nachdem 38 von 39 Politiker in einer denkwürdigen Ratsversammlung am Gründonnerstag über einen interfraktionell getragenen Beschluss erwartungsgemäß für die Einleitung des Abwahlverfahrens von Wedels Bürgermeister Gernot Kaser (parteilos) gestimmt hatten, ruhen seit diesem Zeitpunkt dessen Amtsgeschäfte.
Kaser, der erst im Mai 2022 das Amt nach einer gewonnenen Stichwahl gegen Niels Schmidt übernommen hatte, erntete für seine Amtsführung erhebliche Kritik – von der Politik, dem Stadtmarketing und vor allem auch von seinen eigenen Rathaus-Mitarbeitern. Aktuell ist der 62 Jahre alte gebürtige Österreicher, gewählt bis 2026, freigestellt und darf zum Beispiel seine Diensträume im Rathaus nicht mehr betreten oder den Dienstwagen nicht mehr nutzen.
Wedel Abwahl Gernot Kaser: Zweiter Bürgerentscheid nach Baugebiet Wedel Nord
Doch wie geht es nun weiter? Im Sommer entscheiden die Wedelerinnen und Wedeler, ob Kaser vier Jahre weiter im Amt bleiben wird – oder ob endgültig gehen muss. Gewählt wird am Sonntag, 9. Juni, parallel zur Europawahl.
Für eine Abwahl muss die Mehrheit der Wahlberechtigten die Abstimmungsfrage: „Soll Bürgermeister Gernot Karl Kaser abgewählt werden?“ das Kreuz bei „Ja“ setzen. Dafür sind mindestens gut 5600 Stimmen – 20 Prozent der Wahlberechtigten – nötig. . Beim erfolgreichen Bürgerentscheid zum Baugebiet Wedel Nord im Oktober des Vorjahres hatte es mehr als 27.000 für Wahlen zugelassene Wedeler gegeben.
Nach Abendblatt-Informationen kassiert Kaser bis zum Bürgerentscheid im Juni weiter sein volles Gehalt von monatlich mehr als 9700 Euro brutto (Besoldungsgruppe B5), anschließend stehen ihm – bei Abwahl – bis zum Ende seiner Amtsperiode im Mai 2028 monatlich 71,75 Prozent davon zu. Bei einem Rücktritt würden diese Ansprüche entfallen.
Seit Dienstag, 2. April, hat das Wedeler Rathaus wieder geöffnet. Der Betrieb für den Bürger läuft ganz normal weiter. Auch für die Mitarbeitenden aus den Fachbereichen Bürgerservice, Bauen und Umwelt, sowie Innerer Service ändert sich vorerst nichts. Stadtsprecher Sven Kamin sagt: „Die Verwaltung der Stadt Wedel erfüllte und erfüllt ihre Aufgaben regulär und wie vorgeschrieben – bei Personalengpässen werden bei Bedarf punktuell Maßnahmen getroffen, um den vorgeschriebenen Standard bei der Aufgabenerfüllung erreichen zu können.“
Für Kiwitt sei die Situation „momentan alles andere als ungewöhnlich“
Interimsbürgermeister Kiwitt sagt: „Die Amtsgeschäfte laufen auch nach dem eingeleiteten Abwahlverfahren im Rathaus im gewohnten Umfang weiter, wenngleich aufgrund der Ferienzeit weniger Termine anstehen.“
Bereits im letzten Jahr habe er wiederholt die Amtsgeschäfte des jetzt freigestellten Bürgermeisters während dessen Abwesenheit geführt, „sodass die Situation momentan alles andere als ungewöhnlich ist“.
Abwahlverfahren: „Viele Mitarbeitende spüren eine Erleichterung“
Zur aktuellen Stimmungslage im Rathaus meint der Wedeler Sprecher: „Die Mitarbeitenden verfolgen interessiert den weiteren Fortgang des nun gestarteten Abwahlverfahrens. Es ist auch durchaus bei vielen Mitarbeitenden eine Erleichterung zu spüren, dass die klare Entscheidung des Rates die vom Personalrat dokumentierten Sorgen offensichtlich ernst nimmt.“
Die Angestellten sind aktuell bis zum Bürgerentscheid formell Julia Fisauli-Aalto, Fraktionsvorsitzende der CDU, unterstellt. Sie ist durch die Wahl aus Reihen der Ratsmitglieder auf der Versammlung am 28. März nun die erste stellvertretende Bürgermeisterin – und wird während ihres Urlaubs bis zum Montag, 8. April, von Tobias Kiwitt (Bündnis 90/Die Grünen) vertreten.
„Die letzte Entscheidung trifft aktuell nach Beratung im Zweifel Herr Kiwitt“
„Dass die gewählten Amtsinhaber bei längerer Abwesenheit – also auch bei Urlauben oder längeren Erkrankungen – von den stellvertretenden Bürgermeistern und Bürgermeisterinnen vertreten werden, ist keine ungewöhnliche Situation und deshalb Verwaltungsroutine“, erklärt Stadtsprecher Sven Kamin.
Die Stellvertretenden des Amtsinhabers würden dann „in den anstehenden Fachfragen, wie der Amtsinhaber selbst, von den Fachbereichsleitenden und Fachdiensten unterstützt“. Und wer trifft aktuell die Entscheidungen im Rathaus? Kamin: „Die letzte Entscheidung bei Fragen des allgemeinen Verwaltungshandelns trifft aktuell nach Beratung durch die Verwaltungsmitarbeitenden im Zweifel Herr Kiwitt.“
Erster Stadtrat soll in Wedel mittel- bis langfristig hauptberuflich den Bürgermeister vertreten
Mittel- bis langfristig soll in Wedel die Stelle eines Ersten Stadtrats in hauptamtlicher Funktion geschaffen werden. Dies ist in der neuen Hauptsatzung, die seit dem 1. April gilt, so festgelegt. Diese gilt auch, obwohl die Stelle noch nicht besetzt ist. Bisher waren die beiden Politiker – und als dritte Stellvertreterin Alexandra Petersen (SPD), die sich nun nicht mehr zur Wahl stellte – ehrenamtlich tätige Stellvertreter des Verwaltungschefs.
Ein Erster Stadtrat soll dann parallel auch den Posten als erste Vertretung des Bürgermeisters bekleiden. Daher sind formal auf der Ratsversammlung Fisauli-Aalto nun als zweite Stellvertreterin und Kiwitt als dritter Stellvertreter gewählt – und von Stadtpräsident Julian Fresch (CDU) vereidigt worden.
Ratssitzung zum Abwahlverfahren am 11. April – auch das Personal kommt zusammen
In dieser Woche käme nach Abendblatt-Informationen der Stellvertreter auf Wunsch ins Rathaus, um nötige Unterschriften zu leisten. Die Unterlagen werden dabei gesammelt – Kiwitt, hauptberuflich Anwalt, etwa für Medizin- und Urheberrecht, ist zeichnungsberechtigt. Jener wird bei Bedarf kontaktiert. In der Woche nach Ostern soll es jedoch traditionell eher ruhig zugehen.
„Herr Kiwitt führt aktuell die Amtsgeschäfte und leistet zum Beispiel notwendige Unterschriften, damit die Aufgaben der laufenden Verwaltung erfüllt werden können“, sagt Stadtsprecher Sven Kamin.
Wedels stellvertretende Bürgermeisterin ist Julia Fisauli-Aalto
Von der kommenden Woche an ist dann Fisauli-Aalto, die ihre Arbeit in Fundraising und Kommunikation für die Großstadtmission auf fünf Wochenarbeitsstunden reduziert, bis zum finalen Bürgerentscheid Wedels kommissarische Bürgermeisterin. Sie wird das Tagesgeschäft weitgehend vom Rathaus aus führen.
Auf der Ratsversammlung sagte sie: „Ich hätte sicherlich nicht damit gerechnet, hier jetzt Übergangsbürgermeisterin zu werden. Aber ich werde nun nach bestem Wissen und Gewissen, politisch neutral und teamorientiert das Amt ausüben.“
Rathaus Wedel: Alle gut 450 Verwaltungsmitarbeitenden kommen zur Personalversammlung zusammen
Zudem soll es zeitnah eine Personalversammlung aller gut 450 Verwaltungsmitarbeitenden geben. Am Donnerstag, 11. April, kommen dann auch die Wedeler Politiker zu einer Ratssondersitzung zusammen (19 Uhr), in der es – nach Informationen unserer Zeitung – vornehmlich um die inhaltliche Abstimmung der Bürgerinformationen geht, die den Wedeler Wahlberechtigten als Begründung des eingeleiteten Abwahlverfahrens im Vorfeld des Entscheids postalisch noch zugehen werden.
- Wedel: Bürgermeister Gernot Kaser räumt schon sein Büro auf
- Restaurant Elbe1: Gründer gehen – Streit mit Wedels Bürgermeister Kaser bleibt
- Wedel: Revolte der Rathaus-Mitarbeiter - Angestellte „zerreißen“ ihren Chef
Die Fraktionsvorsitzenden von CDU (Fisauli-Aalto), Bündnis 90/Die Grünen (Dagmar Süß), WSI (Wedeler Sozialie Initiative, Angela Drewes), FDP (Nina Schilling) und Detlef Murphy als Vertreter der beiden Ratsmitglieder der Linken beraten sich vorab bereits intensiv dazu. Nach wie vor gilt laut Gemeindeordnung des Landes Schleswig-Holstein für die Ratsmitglieder eine Verschwiegenheitspflicht über Themen aus nicht-öffentlichen Sitzungen.
Bisher sind lediglich Informationen öffentlich bekannt, die rechtlich sicher benannt werden dürfen. Bei Nicht-Beachtung dieser Klausel drohen straf- und zivilrechtliche Klagen. Nach jetzigem Stand könnte lediglich Kaser selbst die Ratsmitglieder von deren Verschwiegenheit befreien. Dies gilt jedoch als unwahrscheinlich.
Stadtsparkasse Wedel: Gernot Kaser ist vorläufig kein Verwaltungsratsvorsitzender mehr
Die von der Politik eingeleitete Abwahl des Bürgermeisters hat ebenfalls Auswirkungen auf die Stadtsparkasse Wedel. Denn: Der Verwaltungschef ist durch dieses Amt auch Verwaltungsratsvorsitzender dieses Geldinstituts. Auch diese Funktion darf er bis zum endgültigen Abstimmungsergebnis nicht mehr ausüben.
Der Verwaltungsrat besteht aus insgesamt 15 Personen. Wedels Stadtsparkassenvorsitzender Marc Cybulski und Vorstandsmitglied Florian Graßhoff erklären in einem gemeinsamen Statement: „Bei Abwesenheit des Verwaltungsratsvorsitzenden gibt es laut Satzung einen ersten und einen zweiten Stellvertreter. Dadurch ist der Verwaltungsrat auch bei Abwesenheit des Vorsitzenden zu jeder Zeit handlungs- und entscheidungsfähig.“ Der Verwaltungsrat der Stadtsparkasse Wedel hat unter anderem die Aufgaben, strategische Ziele festzulegen oder die Geschäftsführung und die Finanzen zu kontrollieren. Norbert Weller ist erster stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender, Claudia Wittburg dessen Vertretung.