Wedel. Politik will die Stadt zum Mitglied im Marketingverein machen – gegen den Willen des Bürgermeisters. Jetzt die seltsame Kehrtwende.
Nachdem in Wedel ein bald zweijähriger Streit um ein erfolgreiches Stadtmarketing zwischen Bürgermeister Gernot Kaser, der Politik und dem verantwortlichen Verein Wedel Marketing eine neue Eskalationsstufe erreicht hatte, überschlugen sich nun die Ereignisse und führten eine kuriose Entscheidung herbei. Zuletzt hatte die Politik im Rat gegen den Willen des Bürgermeisters entschieden, dass die Stadt ab sofort Mitglied im Marketing-Verein werde.
Seit Montag, 6. Februar, geht es nun rund. Wedels Bürgermeister, der sich eine bessere Außendarstellung Wedels durch mehr Professionalität wünscht, informierte morgens per E-Mail um 8.45 Uhr erst die Ratsmitglieder über seinen Widerspruch gegen den erfolgten Beschluss. Anschließend veröffentlichte er das Schreiben direkt in den Wedeler Gruppen im sozialen Netzwerk Facebook.
Streit ums Stadtmarketing: Politiker fordern Neustart mit Wedel Marketing
Kurios: Die Wedeler Politik, die aus der Verwaltung stets nur Gerüchte vernommen hatte, dass Kaser Einspruch einlegen wird, hatte ebenfalls mit einem Schreiben an den zuständigen Stadtpräsidenten Julian Fresch (CDU) nahezu parallel die Rücknahme ihres eigenen Beschlusses gefordert. Darüber solle auf der kommenden Ratssitzung am 22. Februar entschieden werden.
Hintergrund der Rolle rückwärts ist ein Beschluss vom 25. Januar. Vor zwei Wochen erst hatte die Politik in der Ratsversammlung über einen interfraktionellen Antrag – der erst über einen Dringlichkeitsantrag noch auf die Tagesordnung kam – mit großer Mehrheit entschieden, dass die Stadt künftig unter anderem Mitglied von Wedel Marketing werden solle und beispielsweise die bisher auch geleistete Summe von jährlich 95.000 Euro künftig über einen Mitgliedsbeitrag fließen soll.
Wedeler Politik: Diskussionen im Rat hätten zum Umdenken geführt
Während der Sitzung war der mit der Arbeit von Wedel Marketing unzufriedene Kaser (parteilos) von einigen Politikern verbal scharf angegangen worden, da sie unter anderem eine mangelhafte Kommunikation zwischen Kaser, der durch das Bürgermeisteramt selbst Vorstandsmitglied von Wedel Marketing ist, und dem Verein anprangerten.
„Wir haben die geführten Diskussionen in der Ratssitzung zum Anlass genommen, noch einmal unseren Antrag intensiv zu überdenken“, heißt es nun in dem Schriftstück, dass die Fraktionsspitzen Julia Fisauli-Aalto (CDU), Dagmar Süß (Bündnis 90/Die Grünen), Lothar Barop (SPD), Nina Schilling (FDP) sowie Detlef Murphy für die beiden Ratsmitglieder der Partei die Linke unterzeichnet haben.
Kaser habe Eindruck vermittelt, ernsthaftes Interesse an Zusammenarbeit zu haben
Ziel des ursprünglichen Antrages sei es gewesen, die Zusammenarbeit zwischen Wedel Marketing und der Verwaltung respektive dem Bürgermeister zu intensivieren, damit gemeinsam das Stadtmarketing in Wedel vorangebracht werde. „Die Dialoge im Rat haben uns jedoch gezeigt, dass dieser Antrag das Gegenteil zu bewirken scheint. Der Bürgermeister brachte in der Sitzung deutlich zum Ausdruck, dass auch er ein ernsthaftes Interesse an einer guten Zusammenarbeit mit Wedel Marketing hat und nur die Umstände ihn bisher daran hinderten.“
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Nach reiflicher Überlegung seien die Wedeler Ratspolitiker deshalb zu dem Ergebnis gekommen, „dass ein Beharren auf unseren ursprünglichen Antrag diesem neuen Miteinander im Weg stehen würde und wenig hilfreich wäre.“ Daher soll der Antrag zurückgezogen werden. Und weiter: „Voller Zuversicht sehen wir nun der produktiven Auseinandersetzung zwischen dem Bürgermeister mit Wedel Marketing entgegen.“
Kaser legte Widerspruch ein, weil Dringlichkeit nicht gegeben war
Nun ist also der Einspruch Kasers überflüssig geworden. Er schrieb in einem Beitrag am Dienstagmorgen auf Facebook, er wolle den Widerspruch der Stadt „ebenfalls transparent teilen“, da zuvor bereits der politische Beschluss der Ratsversammlung „in den letzten Tagen kontrovers und offen diskutiert wurde.“ Das eingescannte Dokument der Stadt Wedel trägt einen Stempel von Montag, 5. Februar.
Es sei seine Pflicht, laut Paragraf 43 Absatz 1 der Gemeindeordnung, als Bürgermeister gegen rechtswidrige Beschlüsse einen Widerspruch einzulegen, um Schaden von der Stadt abzuwenden. Der interfraktionelle Antrag der Sitzung vom 25. Januar war über einen Dringlichkeitsantrag, begründet unter anderem mit Planungssicherheit für Wedel Marketing und erhöhten Kosten für Verwaltung und Steuerabgaben bei einer Verschiebung in den Februar, doch noch über die nötige Zweidrittel-Mehrheit der anwesenden Ratsmitglieder auf die Tagesordnung gelangt.
Einspruch gegen Ratsbeschluss durch Antrag der Politik überflüssig
Diese Dringlichkeit sei jedoch aus juristischer Sicht nicht gegeben.. Auch weil der Haushalt für 2024 beispielsweise noch nicht genehmigt worden sei, dürfe die Stadt rechtlich solche nicht notwendigen Ausgaben überhaupt nicht tätigen. Es sei denn, es habe bereits im Vorjahr einen Vetrag über solche Leistungen gegeben.
Bereits am 15. Januar war der von einer breiten politischen Mehrheit getragene Antrag – lediglich die WSI-Fraktion (Wählergemeinschaft Wedeler Soziale Inititative) war nicht Teil davon – fristgerecht eingereicht worden. Letztlich stimmen Sitzungdienst, Stadtpräsident und Bürgermeister über eine finale Tagesordnung ab. Weil es nicht funktionierte, den Punkt auf die Tagesordnung zu bekommen, wagte die Politik den Vorstoß am Sitzungstag.
Wedels Alt-Bürgermeister Niels Schmidt sitzt im Marketing-Beirat
Bei Wedel Marketing sitzt auch der ehemalige Bürgermeister Niels Schmidt im Beirat – sein Nachfolger betonte jedoch stets, dass ihn das nicht störe. Insgesamt gibt es mehr als 140 Mitglieder, darunter auch 90 Unternehmen, die sich aktiv für das Stadtmarketing Wedels einsetzen.
Einen ersten Termin, das angespannte Verhältnis untereinander zu verbessern, ließ Wedels Bürgermeister Kaser noch ungenutzt. Beim monatlichen Treffen des Vereins am Dienstagabend, 6. Februar, im Restaurant Elbe1, war er nicht dabei. Er ließ sich entschuldigen.