Wedel. Julia Fisauli-Aalto führt zwei Monate lang die Amtsgeschäfte des freigestellten Bürgermeisters Gernot Kaser. Das sind ihre Ziele.
Glückwünsche weist Julia Fisauli-Aalto, die derzeit den freigestellten Wedeler Bürgermeister Gernot Kaser vertritt, lieber von sich. „Ich habe ja keine Wahl gewonnen, sondern mich dazu bereit erklärt, jetzt einzuspringen“, sagt sie. Und das wolle sie „nach bestem Wissen und Gewissen, voller Elan“ tun.
Nach monatelanger Dauer-Kritik am Amtsinhaber ist von den Wedeler Politikern ein Abwahlverfahren gegen den Wedeler Bürgermeister mit 38 von 39 Stimmen über alle Parteigrenzen hinweg beschlossen worden. Kasers Amtsgeschäfte ruhen bis zur Abstimmung der Bürger am 9. Juni. Bis dahin führt Fisauli-Aalto dessen Job aus, ihr Stellvertreter ist Tobias Kiwitt (Bündnis 90/Die Grünen). Beide sind aus den Reihen der Politik als Vertretungen der Verwaltungsspitze gewählt worden.
Abwahlverfahren Gernot Kaser: Wedeler entscheiden über Bürgermeister
Zunächst hatte Kiwitt die Amtsgeschäfte der im Urlaub weilenden Stellvertreterin übernommen. Am Montag, 8. April, hat nun die CDU-Politikerin übernommen, tausche sich aber auch in den weiteren Wochen mit dem in der Bürgermeisterwahl 2022 unterlegenen Kandidaten Kiwitt aus. Für ihre Arbeit erhält sie eine Aufwandsentschädigung von 70,20 Euro pro Einsatztag. Sobald die Ehrenamtspauschale von monatlich 840 Euro übertroffen wird, ist der Teil oberhalb dieser Grenze zu versteuern.
Am Sonntag, 9. Juni, entscheiden dann die Wedeler parallel zur Europawahl, ob Bürgermeister Kaser gehen soll – oder im Amt bleibt. Bis dahin ist Fisauli-Aalto Chefin der Wedeler Verwaltung, die insgesamt gut 450 Mitarbeitende beschäftigt. Eine Woche ist sie nun dabei. „Ich bin hier sehr nett aufgenommen worden“, sagt die bald 51 Jahre alte Wedelerin.
Erste Gespräche mit Leitungsteam, Führungskräften und Personalrat
Sie habe mit dem Leitungsteam der Verwaltung, den Führungskräften und dem Personalrat in ersten Gesprächen zusammengesessen. „Es geht erst einmal darum, sich gegenseitig kennenzulernen“, so Fisauli-Aalto, die ihren Hauptjob bis zum Abwahltermin auf maximal fünf Wochenstunden reduziert.
Sie arbeitet als Referentin für Fundraising (Spenden) und Kommunikation bei der Großstadt-Mission, die sich beispielsweise in der Jugendarbeit oder Inklusion engagiert. Bis zum Juni könne sie nach eigenen Angaben Überstunden abbummeln.
Wedel: Stellvertretende Bürgermeisterin möchte „Wogen“ in der Verwaltung glätten
Generell schlage das Thema des Abwahlverfahrens gegen Gernot Kaser, der auch in einer Personalumfrage oder vom Personalrat selbst hart kritisiert worden war, in Wedel große Wellen. Vor allem in der Belegschaft. „Ich möchte hier eine emotionale Ruhe hineinbekommen. Die Wogen sollen sich glätten“, so die dreifache Mutter.
Fisauli-Aalto spüre seit Beginn ihrer Arbeit im Wedeler Rathaus eine große Hilfsbereitschaft des Verwaltungsteams ihr gegenüber. Nun wolle sie sich in die Strukturen der Verwaltung und die Prozesse einarbeiten, um Themen und einzelne Gewerke besser kennenzulernen.
Verwaltungsmitarbeiter: „Zusammenhalt ist ein großer Schatz für Wedel“
Man „beschnuppere“ sich gegenseitig. Auf der trotz Urlaubszeit mit etwa 170 Mitarbeitenden gut besuchten Dienstversammlung am 11. April, zu der neben den Verwaltungsangestellten auch Mitarbeiter der Außenstellen, etwa vom Bauhof kamen, sei eine gewisse „Gelöstheit“ spürbar gewesen. „Es wurde gelacht, aber natürlich ging es auch ernsthaft zu“, so Fisauli-Aalto. Sie spüre, dass die unterschiedlichen Teams gern und gut zusammenarbeiten würden. „Und dieser Zusammenhalt ist ein großer Schatz für Wedel“, sagt die Wedelerin.
Es ärgere sie persönlich sehr, dass Verwaltungsmitarbeiter generell über einen Kamm geschoren werden würden. Die oft dem öffentlichen Dienst angedichtete Faulheit stimme aus ihrer Sicht nicht. „Es wird hier effektiv und schnell gearbeitet“, erklärt sie, wohl wissend, dass „in diesem bürokratischen Konstrukt Prozesse eingehalten“ werden müssten. Dabei würden jedoch von den Mitarbeitern auch stets kreative Ansätze innerhalb des gesetzlichen Rahmens gesucht.
Fisauli-Aalto: Politische Arbeit helfe, Verwaltungsprozesse zu verstehen
Dabei habe sich die Christdemokratin Fisauli-Aalto in ihrer Funktion als Kommunalpolitikerin in der Vergangenheit auch bereits gefragt, „warum manches in der Verwaltung nicht schneller gehen könnte.“ Ihre gut zweieinhalbjährige politische Arbeit im Wedeler Stadtparlament seit der Kommunalwahl helfe ihr dabei jedoch, die komplexen Arbeitsabläufe der Verwaltung besser zu verstehen.
Gut 50 berufliche Stunden habe sie in der ersten Arbeitswoche geleistet „Die Woche war gut durchgetaktet. Natürlich prasselt viel auf einen ein. Aber das habe ich ja auch erwartet“, gibt sie zu. Die sonst stellvertretende, bis auf Weiteres aber aktuell amtierende Bürgermeisterin verspüre eine innere Motivation, Zusammenhänge verstehen zu wollen.
Etwa auch bei ihrem Besuch bei der Wedeler Stadtentwässerung. „Ich bin es schon irgendwie gewohnt, immer vieles gleichzeitig im Kopf zu haben. Das ist einfach so mit Kindern und Beruf“, so die Wedelerin, die seit 1997 in Wedel wohnt und seit 1999 mit Beruf und Kindern gleichzeitig jongliert.
Beruflicher Fokus liegt fast komplett auf dem Bürgermeister-Amt
Nun liegt ihr beruflicher Fokus vorerst nahezu komplett auf dem Interimsjob als Bürgermeisterin. Den CDU-Fraktionsvorsitz hat sie ihren Stellvertretern Jan Lüchau und Torben Wunderlich übertragen, ihr Amt als bisherige Vorsitzende des Ausschusses für Bildung, Kultur und Sport ruht aktuell.
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Was sind ihre Ziele bis zum Termin der Bürgermeisterabwahl? Fisauli-Aalto: „Ich möchte in diesen neun Wochen Ruhe hineinbringen und die Produktivität der Verwaltung steigern.“
Die Hoffnung liege darauf, künftig wieder mehr an den drängenden Sachthemen in Wedel arbeiten zu können. Etwa an der Haushaltskonsolidierung. Bisher steht sogar die Genehmigung des eingereichten Haushaltsentwurfs der hoch verschuldeten Stadt für das Jahr 2024 noch aus. Ende April könnte es eine Rückmeldung dazu aus dem Innenministerium geben.
Bis zum Abwahltermin: „Kein Erster Stadtrat mit der Brechstange“
Zudem solle die Organisationsstruktur der Stadtverwaltung verändert werden. Die Politik hat bereits beschlossen, dass die Stelle eines Ersten Stadtrats geschaffen werden soll. Mittel- bis langfristig wird diese Position besetzt. In Wedel soll jener Stadtrat einen Fachbereich leiten und zudem als erster Stellvertreter des Bürgermeisters fungieren.
„Wir werden jetzt aber keinen Stadtrat bis zum 9. Juni mit der Brechstange implementieren. Das wäre auch moralisch nicht vertretbar“, verspricht Fisauli-Aalto. Auch die Frage, ob sie gern dauerhaft Bürgermeisterin sein möchte, wolle sie momentan nicht beantworten, weil die Wedeler Wähler nun entscheiden, wie alles weitergehen werde.
Für eine Abwahl des Bürgermeisters müssen mindestens 20 Prozent der Wedeler Wahlberechtigten dafür sein. Das entspricht etwa 5600 Stimmen, die in der Mehrheit vertreten sein müssen. Scheitert die Abwahl, bleibt der im Mai 2022 auf sechs Jahre gewählte Amtsinhaber Gernot Kaser bis zur anstehenden Bürgermeisterwahl 2028 im Amt.