Pinneberg. Die fünf Bewerber um das Rathaus stellten sich Bürgerfragen. Dabei wurden Sorgen laut. Und ein Kandidat zeigte sich angriffslustig.
Einen Monat vor der Bürgermeisterwahl in Pinneberg haben sich die fünf Kandidaten Marco Bröcker, Dr. Jörg Heuer, Paul Hoffmann, Hauke Röben und Thomas Voerste am Mittwoch in der Rübekamphalle der Öffentlichkeit vorstellt. Bürgervorsteherin Natalina di Racca-Boenigk moderierte den Abend, zu dem die Pinneberger zahlreich erschienen waren.
Der Ablauf dieser Kandidatenvorstellung folgte einem vorher festgelegten Schema, um allen Bewerbern gleich viel Redezeit zu gewähren. Zunächst stellten sich die Kandidaten selbst vor. Die Redezeit, die jedem zugestanden wurde: maximal fünf Minuten. Die Reihenfolge wurde ausgelost.
Bürgermeisterwahl in Pinneberg: Kandidaten stellen sich vor
Jörg Heuer hatte als Erster das Wort und setzte auf seinen „analytischen Verstand“, wie er selbst sagte. Nach dem Studium der Chemie promovierte er zum Doktor der Naturwissenschaften und arbeitete mehrere Jahre in einer Bundesoberbehörde. Praktische Erfahrung in der Anwendung und dem Zusammenspiel von Gesetzen, Verordnungen und Richtlinien konnte er anschließend durch zwei Jahrzehnte Arbeit in der Industrie vertiefen. Zwischenzeitlich wurde er mit der Leitung eines Teams in der Qualitätssicherung betraut. Er sieht sich so gut gerüstet für die Aufgaben, die das Amt des Bürgermeisters mit sich bringen.
Auch in der Politik Pinnebergs wirkt Heuer, selbst parteilos, mit. „Bei der letzten Wahl wurde ich über die Liste der Wählergemeinschaft Buntes Pinneberg in die Ratsversammlung gewählt“, sagt er. „Meine Erfahrungen in der Mitarbeit in den Ausschüssen der Stadt sowie seine aktuelle Rolle im Rat ermöglichen es mir, die spezifischen Herausforderungen der Stadt Pinneberg anzugehen.“
Heuer setzt auf ganzheitliche Stadtplanung in Pinneberg
Als Bürgermeister werde sich Jörg Heuer für eine ganzheitliche Stadtplanung einsetzen. „Wir können nicht ständig neue Familien in die Stadt locken, ohne uns die nötigen zusätzlichen Kitas, Schulen leisten zu können.“ Er möchte sich für die Sanierung der Infrastruktur, insbesondere für Kitas und Schulen einsetzen.
Bei der Verkehrsplanung denkt er – obwohl er sich seit Jahren beim ADFC engagiert – an Autofahrer, Fußgänger und Radfahrer. Er setzt sich für eine bessere Anbindung an den Regionalverkehr ein. Auch müssten Maßnahmen zur Erreichung der Klimaneutralität der Stadt und der Anpassung an den Klimawandel angegangen werden.
Jüngster Kandidat Hauke Röben setzt auf sein Alter
Hauke Röben, mit 27 Jahren der jüngst Kandidat, versuchte seine Jugend zum Vorteil zu nutzen. Allerdings wirkte er an einigen Stellen auch unsicher. „Ich bin nicht so der große Redner und kein superguter Fachmann“, sagte er. Er wolle aber neue Ideen und frischen Wind ins Rathaus bringen.
Röben, der seit zwei Jahren im Pinneberger Rathaus als Vermessungstechniker in der Stadtplanung arbeitet, sagt auf die Frage, wie er ein größeres Team führen könnte, dass er die F-Jugend des VfL Pinneberg trainiere und etwa 30 Kinder manage. „Ich weiß nicht, wie mir das in der Verwaltung weiterhilft“, sagte er lächelnd. Das brachte ihm einige Lacher im Publikum.
Bürgermeisterwahl: Röben möchte mehr Inklusion für Pinneberg
Er wolle sein Engagement für die Stadt, in der er seit fünf Jahren lebt, intensivieren und mehr mitbestimmen, erklärte Röben seine Kandidatur. Er wolle Jung und Alt zusammenbringen, zum Beispiel auf Mehrgenerationenspielplätzen, habe sich Inklusion auf den Hut geschrieben.
„Als Vater zweier kleinen Kinder ist mir das Thema Bildung sehr wichtig“, sagt Röben. Mittel aus dem knappen Haushalt müssten verstärkt für Schulen und Kitas bereitstehen. Im Verkehr würde er verstärkt auf Kreisel und Zebrastreifen setzen und natürlich müsste sich die Stadt auch auf Hitzewellen und Überschwemmungen vorbereiten.
Bröcker: „Ich bin bereit, Bürgermeister meiner Heimatstadt zu werden“
Souveräner der Auftritt von Marco Bröcker, derzeit Leiter des Büros der Bürgermeisterin Urte Steinberg. Der 49-Jährige wird von CDU und die Grünen unterstützt. Er kenne die Verwaltungsabläufe. Er möchte Pinneberg als Kreisstadt stärken und das Image der Stadt verbessern. „Pinneberg ist eine schöne Stadt. Das müssen wir mehr nach Außen tragen“, sagt er.
Seine Themen sind außerdem Klimaschutz, Bürgerbeteiligung und die Finanzen der Stadt zu stärken, indem er Unternehmen ansiedele. Das bringe Geld für Kita-Ausbau und Schulsanierung, so der ehemalige Wirtschaftsförderer der Stadt Pinneberg.
Er spielte die Karte „gebürtiger Pinneberger“ aus. „Seit ich denken kann, habe ich mich erst privat und später auch politisch für meine Heimstadt Pinneberg eingesetzt. Direkt nach meinem Studium zum Beispiel war ich bürgerliches Mitglied in verschiedenen Ausschüssen der Pinneberger Ratsversammlung. Von 2008 bis 2014 war ich außerdem gewähltes Mitglied des Pinneberger Kreistages“, sagt er.
Paul Hoffmann will mit Charme und Ehrlichkeit an Spitze des Rathauses
Paul Hoffman will mit seinem Charme und seiner ehrlichen Art punkten. Er betonte an dem Abend immer wieder, dass die Verwaltung für ihn Neuland sei und er viel lernen und aufholen müsse. Was er einbringe, seien eine gute Personalführung und gute Menschenkenntnis.
„Ich möchte die Stadt noch lebenswerter machen“, sagt der 34-Jährige, der vor acht Jahren nach Pinneberg zog und sich ehrenamtlich bei der Freiwilligen Feuerwehr Pinneberg engagiert. „Das geht nur durch gegenseitiges Verständnis zwischen Verwaltung und Bürgern.“ Er setzt dabei auf bessere Kommunikation.
Er selbst wohne in einer 30er-Zone in Pinneberg-Nord, in der Autofahrer immer wieder zu schnell unterwegs seien. Er wolle dafür sorgen, dass Tempo-Limits eingehalten werden. Grundsätzlich sei ihm, der seit 2010 bei der Hamburger Feuerwehr arbeite, das Thema Sicherheit ein Anliegen. Aber auch Schulen und Kitas sind ihm wichtig, so der dreifache Vater. „Ich habe keine großspurigen Visionen“, sagt Hoffmann. Er wolle aber auf Menschen hören, die gute Ideen hätten.
Bürgermeisterwahl in Pinneberg: Thomas Voerste stellt sich vor
Thomas Voerste (parteilos) wird von SPD und FDP unterstützt. Der 53-Jährige aus Altenholz arbeitet als Fachbereichsleiter beim Kreis Rendsburg-Eckernförde, ist dort für die Bereiche Jugend, Familie, Schule sowie fürs Kulturwesen und die Regionalentwicklung zuständig. Sein Auftritt wirkte souverän. Als einziger Kandidat schien er nicht nervös zu sein.
Der Sozialpädagoge betonte, er habe seine beruflichen Wurzeln in Pinneberg: In Barmstedt lernte er Baumschulgärtner, anschließend arbeitete er in einer Baumschule in Rellingen. In Pinneberg betreute er bei der AWO in der Aschhooptwiete Jugendliche in einer Wohngruppe. „Diese Erfahrung motivierte mich dazu, Sozialpädagogik zu studieren und schließlich schlug ich im Bereich Soziales eine Verwaltungskarriere ein“, so der Familienvater.
„Ich arbeite nun seit weit über 20 Jahren in der öffentlichen Verwaltung, 15 Jahre davon in der Leitung großer Verwaltungseinheiten und über alle Hierarchiestufen hinweg. Kurzum: Ich bin mir sicher, dass ich für die große Aufgabe, der Stadt Pinneberg als Bürgermeister dienen zu dürfen, bestens vorbereitet bin. Verwaltung kenne ich und kann ich“, sagt Voerste.
Pinneberger prüften Bürgermeisterkandidaten auf Herz und Niere
Nachdem sich die Kandidaten vorgestellt hatten, durften die Bürgerinnen und Bürger alle Kandidaten befragen. Deutlich wurde an dem Abend eine gewisse Unzufriedenheit mit der Stadtverwaltung, die einige Zuhörer äußerten. Sie wollten von den Kandidaten wissen, wie sie das Rathaus offener gestalten, mit Bürgerbeteiligung umgehen wollten.
Die Antworten ähnelten sich. Alle wollen die Verwaltung modernisieren, digitalisieren und bürgerfreundlich aufstellen. Auch die Bürgerbeteiligung soll gestärkt werden. Als eine wesentliche Herausforderung dabei sei die aktuelle Personalknappheit in der Verwaltung – ein Thema, das offenbar auch das Publikum bewegte, das dazu mehrere Fragen stellte. Die Kandidaten versprachen neue Wege zu beschreiten, um geeignetes Personal zu rekrutieren und mit Mitarbeitern ins Gespräch zu gehen.
Bröcker, dem auch das Beschwerdemanagement im Rathaus obliegt, versicherte, dass es den Kollegen im Rathaus nicht an Freundlichkeit mangele, sondern an Zeit. Ihn treibe die Verbesserung des Miteinanders zwischen Verwaltung, Fraktionen und Bürgern der Stadt an. Der wichtigste Schritt dafür ist das Verständnis für einander.
Bürgermeisterkandidaten stellen sich vor: Voerste greift Bröcker an
An dieser Stelle griff Voerste seinen Mitbewerber direkt an: Bröcker habe durch seine Arbeit als Leiter des Büros der Bürgermeisterin durchaus die Möglichkeit, auf die Stimmung in der Verwaltung Einfluss zu nehmen. „Das ist eine Frage der Führungskultur“, sagte Voerste und verwies auf seine Leistungen als Fachbereichsleiter beim Kreis Rendsburg-Eckernförde. Dort sei es gelungen, moderne, digitalisierte Arbeitsplätze zu schaffen, die für Arbeitskräfte attraktiv seien.
Auch die ausschließliche Terminvergabe im Bürgerservice über ein Online-Tool stieß bei den Pinnebergern auf wenig Verständnis. Die Kandidaten erkannten dies und versprachen ein offenes Rathaus und eine bürgernahe Verwaltung, wenn sie gewählt würden.
Voerste verspricht als Bürgermeister nach Pinneberg zu ziehen
Andererseits müsste es möglich sein, Anträge oder Ausweise online zu beantragen. „Es kann nicht sein, dass ich einen Tag frei nehmen muss, um mir eine Angelkarte im Rathaus abzuholen“, sagte Voerste und erhielt dafür Beifall.
Sein Makel: Er ist der einzige Kandidat, der aktuell nicht in Pinneberg lebt. Doch Skeptikern setzte er entgegen, dass er sich als Bürgermeister eine Wohnung in Pinneberg nehmen werden. „Und wenn ich wiedergewählt werde, steht einem Umzug der Familie nichts mehr im Weg“, sagte er. Denn dann seien die Kinder bereits ausgezogen.
Bürger sorgen sich um ihre Sicherheit in Pinneberg
Offenbar fürchteten auch einige der älteren Bürger um ihre Sicherheit in Pinneberg. So verwies einer auf zunehmende Kriminalität und vermehrte Einbrüche in der Innenstadt. Abends würden sich viele Menschen nicht mehr auf die Straße trauen. Was die Kandidaten dagegen tun würde, wollte er wissen.
Auch hier herrschte Einigkeit: Präsenz von Polizei und Ordnungsamt müsste verstärkt werden. Voerste nannte es eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Bürgermeister, Verwaltung, Politik, aber auch Einzelhändler gemeinsam angehen müssten. Röben schlug dort wo nötig eine bessere Ausleuchtung vor. „Kameraüberwachung ist keine Option“, so Röben.
Bröcker verwies auf die gute Arbeit der Streetworker – wies aber darauf hin, dass er die Jugendgruppen nicht mit den Tätern gleich setzen wolle. Hoffmann sagte, es gehe nicht ohne Staatsgewalt und Heuer sieht in der Bekämpfung von Kriminalität eine Landesaufgabe.
Bürger verärgert über radfahrende Schüler in Fußgängerzone
Ein anderer älterer Herr beschwerte sich über Schüler, die mit ihren Rädern rücksichtslos durch die Fußgängerzone fuhren. Hoffmann sah darin nicht nur für Senioren, sondern auch für kleine Kinder ein Gefahrenpotenzial. Als Feuerwehrmann liege ihm das Thema Sicherheit besonders am Herzen, so der 38-Jährige. „Das ist ein Generationenproblem, das immer schlimmer wird“, sagte er. Wie Bröcker würde er auf mehr Kontrollen durch Polizei und Ordnungsamt setzen.
„Das Fahrverbot könnte ausgeweitet werden“, schlug Röben vor. Heuer, der während seiner ehrenamtlichen Tätigkeit im ADFC-Pinneberg unter anderem die Velorouten nach dem Motto „Durch Nebenstraßen in die Stadt zum Einkaufen“ mitentwickelt hat, schlug den Ausbau einer alternativen Fahrradroute am Zollhaus entlang vor. Und Voerste sah einen klassischen Nutzungskonflikt, bei dem unterschiedliche Interessen zusammengebracht werden müssten.
Bürgermeisterwahl in Pinneberg: Kandidaten stellen sich erneut vor
Eine andere Frage zielte auf die kulturellen Spielstätten der Stadt ab, die rar gesät sind. Vorne auf der Bühne verwiesen die Männer darauf, dass die Rettung der Ernst-Paasch-Halle politischer Wille sei und es seitens des Kreises Pläne für ein Kulturzentrum am ehemaligen Zollhaus gebe. Ein größeres Haus für Auftritte eines Orchesters hielt niemand für realistisch. „So ein Konzerthaus muss auch ausgelastet werden, das kann sonst niemand bezahlen“, gab Heuer zu Bedenken.
Auch Fragen zu Wohnungsbau und Infrastruktur oder der mangelnden Pflege von Grünanlagen wie dem Rosengarten kamen aus dem Publikum.
Die Kandidaten werden sich in der kommenden Wochen erneut den Fragen aus der Bevölkerung stellen: am Montag, 11. September, von 18.30 Uhr an im Bürgerverein Waldenau-Datum, Nienhöfener Straße 18, und am Dienstag, 12. September, von 18.30 Uhr an in der Sporthalle der Theodor-Heuss-Schule, Datumer Chaussee 2. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich. In Waldenau-Datum sind die Parkmöglichkeiten begrenzt. Es wird gebeten mit dem Rad oder den öffentlichen Verkehrsmitteln zu kommen.
Bürgermeisterwahl in Pinneberg: Briefwahl ab sofort möglich
Wer seine Stimme im Briefwahlverfahren abgeben möchte, kann ab sofort die Unterlagen dafür im Briefwahlbüro der Stadt Pinneberg abholen. So geht es: Einfach vorbeikommen, gültigen Personalausweis oder Reisepass und gegebenenfalls Wahlbenachrichtigung mitbringen. Die Unterlagen können vor Ort ausgefüllt werden. Der zugeklebte Briefwahlumschlag kann direkt im Rathaus abgeben oder per Post an Stadt Pinneberg Wahlbüro, Bismarckstraße 8, 25421 Pinneberg geschickt werden.
Das Briefwahlbüro im Rathaus findet sich im Sitzungsraum C (Erdgeschoss, Eingang neben dem Opposti). Die Öffnungszeiten sind (bis zum 6. Oktober) Montag, Dienstag, Donnerstag und Freitag 8.30 Uhr bis 13 Uhr sowie Dienstag 14.30 bis 18 Uhr.
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Außerdem werden für den 8. und 29. Oktober (bei einer Stichwahl) noch Wahlhelfer gesucht. Sie erhalten für die Unterstützung am Wahltag eine einmalige Aufwandsentschädigung (35 Euro/Beisitzer oder 45 Euro/Wahlvorsteher). Fragen und Infos gibt es im Wahlbüro der Stadt Pinneberg unter 04101/211 11 38 oder PF-Wahl@stadtverwaltung.pinneberg.de.