Die ständigen Gaspreiserhöhungen seines Energieversorgers mochte Klaus Schmidberger aus Pinneberg nicht hinnehmen. Er widersprach und weigerte sich zu zahlen. Neun Jahre wurde er angemahnt, nun hat er Ruhe.
Pinneberg Er war Pinnebergs Gas-Rebell der ersten Stunde. Klaus Schmidberger, 65, übte vor zehn Jahren zivilen Ungehorsam und weigerte sich, nach drei Gaspreiserhöhungen innerhalb eines Jahres um gut ein Drittel die zusätzlichen Gebühren an die Stadtwerke Pinneberg zu zahlen. Dieser Widerstand löste eine öffentliche Debatte aus, führte zu zahlreichen, oft erfolgreiche Klagen von Kunden gegen ihre Gasversorger und ließ so manchen seinen Anbieter wechseln, als dies im Oktober 2006 rechtlich möglich wurde. Schmidberger wurde neun Jahre lang von den Stadtwerken Pinneberg mit Mahnungen belästigt, wie er sagt, ohne dass dies Konsequenzen hatte. Nun hat der Pinneberger Energieversorger offenbar eingesehen, dass bei ihm nichts zu holen ist und die Mahnungen eingestellt.
Der Auslöser, der für Schmidberger das Fass zum Überlaufen brachte, war die Gaspreiserhöhung der Pinneberger Stadtwerke im Oktober 2005 um nochmalige 15 Prozent. Jahrelang habe er brav seine Gasrechnung bezahlt, sagte er dem Abendblatt-Reporter. Doch nun sei Schluss. Er legte Widerspruch gegen die Erhöhungen ein, auch gegen die um 13 Prozent im April 2005 und die um 6,9 Prozent zum 1. Oktober 2004 und bezahlte fortan seine Gasrechnung nach dem bisherigen Tarif. Auf diese Weise lief im Laufe der Zeit ein Betrag von rund 750 Euro auf, den die Stadtwerke jedes Jahr aufs Neue von ihm schriftlich einforderten. Zuletzt im Februar 2013. Seitdem hat Schmidberger nichts mehr von den Stadtwerken gehört.
Darauf angesprochen, sagt Stadtwerke-Verkaufsleiter Stephan Lepszy: „Zu einzelnen Kunden äußern wir uns grundsätzlich nicht.“
Dabei war Schmidberger kein Einzelfall. Henning Fuchs, damals wie heute Geschäftsführer der Stadtwerke Pinneberg, nannte allein in Pinneberg 400 Stadtwerke-Kunden, die wie Schmidberger die Tariferhöhungen nicht hinnehmen wollten und sich weigerten, sie zu zahlen. Die Gasrebellion löste einen Flächenbrand aus. In Elmshorn widersprachen 200 Stadtwerke-Kunden ihrer Preiserhöhung, in Wedel waren es 100, in Tornesch 80. Im Jahr 2010 sagte Halstenbeks Werkleiter Uwe Lamberti dem Abendblatt, dass sieben Gas-Rebellen seinem Unternehmen 10.000 Euro schuldeten.
Allerdings erfuhr dieser Widerstand höchstrichterliche Rückendeckung. Der Bundesgerichtshof erklärte die Preisanpassungsklauseln in bestimmten Gasversorgungsverträgen für rechtlich ungültig. Eine Preisanhebung müsse für den Kunden transparent und nachvollziehbar sein. Nur der Hinweis, dass der Vorlieferant den Gasbezugspreis angehoben habe, reiche nicht aus, urteilten die Karlsruher Richter. Zahlreiche Kunden, darunter 54 des Energieversorgers E.on-Hanse in Quickborn, die sich vielerorts mit Hilfe der Verbraucherzentralen juristisch gegen die Preiserhöhungen gewehrt hatten, bekamen nun Recht und ihr zu viel gezahltes Geld zurück.
Gegen Schmidberger klagten die Stadtwerke nicht, obwohl dieser es sich gewünscht hätte, wie er sagt. Dann wäre das Thema vom Tisch gewesen und die Belästigung der Mahnschreiben hätte aufgehört. Als Erwiderung der letzten Mahnung vom Februar 2013 forderte er die Werkleitung erneut auf: „Sollten Sie aber der Meinung sein, dass Ihre Forderungen zu Recht bestehen, bitte ich darum, uns endlich nach neun Jahren zu verklagen“, schrieb er. „Auf diesen Prozess warten bereits viele Pinneberger“.
Doch dazu kam es nie. Verkaufsleiter Lepszy sagt, dass „dieses Problem sich verlaufen“ hätte. Nur noch „eine verschwindend geringe Zahl an Kunden“ würde sich heute weigern, seine Gasrechnung in voller Höhe zu entrichten. Das mag auch daran liegen, dass etliche Kunden inzwischen ihren Energieversorger gewechselt haben. So hätten die Stadtwerke Pinneberg heute 10.400 Gaskunden, 1000 weniger als noch 2006. Stadtwerke-Chef Fuchs sprach gegenüber dem Abendblatt Ende 2005 aber noch von 14.000 Kunden, um die Zahl der 400 Widersprüche kleinzureden. Demnach hätten die Stadtwerke mehr als jeden vierten Kunden verloren.
Der Energiemarkt ist seit 2006 enorm in Bewegung geraten. Viele Kunden wechseln jährlich ihren Anbieter, je nachdem, wer zurzeit den günstigsten Tarif für Strom und Gas anbietet. Über Internetplattformen wie verivox.de kann sich jeder darüber genau informieren. Auch Schmidberger, der nur noch sein Trinkwasser von den Pinneberger Stadtwerken bezieht, wechselt jedes Jahr den Anbieter, wie er erzählt. Zusätzlich angeheizt wurde diese Entwicklung von den Stadtwerken Barmstedt, die 2006 als erster kommunaler Betrieb in der Region anfingen, außerhalb ihres Stadtgebiets Kunden mit billigem Gas aus Dänemark zu beliefern. Auf diese Weise haben sie 20.000 zusätzliche Kunden in ganz Norddeutschland hinzugewonnen.
Beinahe wäre Schmidberger sogar zum Kontrolleur der Stadtwerke Pinneberg aufgestiegen. 2013 wollten die Bürgernahen den ihnen zustehenden einen Sitz im Aufsichtsrat an den Gas-Rebell vergeben. Doch der lehnte dankend ab. „Seinen Sachverstand hätten wir gerne im Aufsichtsrat der Stadtwerke gesehen“, begründet Fraktionschef Uwe Lange diese Initiative, die er für „sehr charmant“ gehalten hätte.