Blockade in Caen wurde aufgelöst. Die Proteste in Deutschland formieren sich und die Polizei schweißt an kritischen Stellen Gully-Deckel zu.

Caen/Wendland. Der Castor rollt wieder. Fünf Aktivisten hatte sich in Caen, knapp 100 Kilometer nach dem Start des Castors, an die Gleise gekettet und so den Zug zum Halten gebracht. Die Polizei hat die Atomkraftgegner losgekettet und der Sonderzug mit den Atommüllbehältern habe den Bahnhof von Caen verlassen, sagte eine Polizeisprecherin. Die fünf befänden sich nun in Haft.

Indessen bereiten sich in Deutschland die Atomkraftgegner erst auf die Proteste vor. Camps für die über 30.000 erwarteten Demonstranten werden aufgebaut, Protestaktionen geplant. Die Polizei befürchtet auch „Neukreationen“ der Atomkraftgegner, fühlt sich aber auf alle Formen des Protestes gut vorbereitet. In der Nacht schweißten Beamte einer Spezialeinheit der Polizei alle Gullydeckel an der Straße zu, über die der Castor-Transport ins Zwischenlager rollen soll.

In Frankreich spielen Atom-Proteste dagegen so gut wie keine Rolle. Franzosen sind an Atomkraft gewöhnt und allenfalls froh, den Müll loszuwerden. Voraussichtlich war dies nur die erste von zahlreichen Protestaktionen entlang der Strecke.

Die Abfahrt vom französischen Bahnhof Valognes in der Nähe der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague war am Freitag nach Plan verlaufen. Es waren lediglich einige Dutzend Demonstranten am Ort. Ein Plakat trug die Aufschrift: Atomkraft = Sackgasse. Der Zug verließ den Bahnhof mit mäßiger Geschwindigkeit von 40 bis 50 Stundenkilometern. Während sich in Deutschland seit Wochen der Widerstand gegen den Castor-Transport formiert, war es in Frankreich auffallend ruhig geblieben. Dabei legt der Zug mit dem hoch radioaktiven Atommüll knapp die Hälfte der Strecke in Frankreich zurück. „Viele Franzosen sind im Grunde froh, dass der Atommüll verschwindet“, meint Yannick Rousselet, Atomexperte der Umweltorganisation Greenpeace. „Es gibt einen gewissen Fatalismus“, fügte er hinzu.

Streit gibt es weiterhin über die Frage, wie radioaktiv die Fracht nun eigentlich sei. Nach Greenpeace-Informationen handelt es sich um den Transport mit der bislang höchsten Radioaktivität. „Jeder einzelne dieser Castoren enthält so viel radioaktives Material, wie bei der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl freigesetzt wurde“, sagt Thomas Breuer, Energieexperte der Organisation. Greenpeace hat nach eigenen Aussagen mit Hilfe von Wärmekameras festgestellt, dass die Behälter heißer seien als bei früheren Transporten. Dies sei ein Hinweis auf höhere Radioaktivität. Die Gesellschaft für Nuklear-Service, die für das Zwischenlager Gorleben verantwortlich ist, teilte dagegen mit, Messungen hätten bestätigt, dass die zu erwartende Strahlung weit unter den gesetzlichen Grenzwerten liege. Eine Gefährdung für Mensch und Umwelt stelle sie nicht dar

Die französische Bevölkerung hat sich weitgehend mit der Atomkraft abgefunden. Die 58 Atomkraftwerke liefern 80 Prozent des Stroms, der in Frankreich verbraucht wird. Debatten über die Verlängerung von Laufzeiten oder die Einrichtung eines Endlagers werden nur in Expertenkreisen geführt. Das mag auch daran liegen, dass Frankreich den Tschernobyl-Schock nur sehr gedämpft abbekam: Nach der Katastrophe von 1986 wurde im Wetterbericht des öffentlichen Fernsehens erklärt, dass die radioaktive Wolke nicht über Frankreich hinwegziehen werde. Erst gut 20 Jahre später gestanden die Behörden ein, dass Frankreich 1986 sehr wohl betroffen war und noch heute die Folgen messbar sind.