Der höchst umstrittene Haushalt, der Einsparungen in fast allen Bereichen vorsieht, ist durch. Die Zukunft war lange ungewiss.

Kiel. Die schwarz-gelbe Zitterpartie in Kiel ist ausgestanden. Mit den Stimmen aller Abgeordneten von CDU und FDP hat der Landtag den Haushalt 2011/2012 beschlossen. Nun kann das Bündnis weitermachen - bis zur Neuwahl im nächsten oder übernächsten Jahr.

Die schwarz-gelbe Koalition in Schleswig-Holstein hat die schwerste Belastungsprobe seit ihrer Bildung vor gut einem Jahr bestanden. Nach der Verabschiedung des Landeshaushalts für die nächsten zwei Jahre mit allen Stimmen aus den Regierungsfraktionen können Ministerpräsident Peter Harry Carstensen und FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki das Bündnis fortführen, das zwei potenzielle Abweichler aus der CDU infrage gestellt hatten. Das Sparpaket sieht Einschnitte in allen Bereichen vor und soll das Land aus der Schuldenfalle herausführen. Von 2020 an darf es keine neuen Kredite aufnehmen. Nach der mit Spannung erwarteten Marathon-Abstimmung von 75 Minuten war die Erleichterung bei Schwarz-Gelb riesengroß: „Ich bin heilfroh. Das war eine schwierige Geschichte“, sagte Carstensen. Damit habe die Koalition gezeigt, dass sie voll handlungsfähig sei. Zwei CDU-Politiker hatten die Haushalts- und damit letztlich die Koalitionsfrage bis fast zur letzten Minute zur Zitterpartie gemacht.Erst am Tag vor der Entscheidung lenkten sie ein, nachdem ihnen beide Fraktionen entgegengekommen waren. Der Druck war enorm: Die FDP hatte das Ende des Bündnisses für den Fall angekündigt, dass nicht alle Christdemokraten den Haushalt mitbeschließen. Die Opposition, die geschlossen gegen die Regierungsvorlage votierte, kritisierte das Sparpaket hart in der Sache, aber moderat im Ton. Carstensen dagegen verteidigte seinen Kurs. „Ich und meine Kollegen und Kolleginnen haben nicht die geringsten Zweifel, dass unser Weg genau der Richtige ist“, sagte er. Ihm fielen die Kürzungen allerdings nicht leicht. Den eigenen Fraktionskollegen, die bis zuletzt Bedenken hatten, zollte der Regierungschef Respekt. „Doch die Konsolidierung des Haushalts ist das zentrale und alles entscheidende Projekt dieser Regierungskoalition.“

Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) betonte, mit dem Doppeletat könne die Verschuldung zwar nicht gestoppt, aber gebremst werden. „2020 werden wir rund 33 Milliarden Euro Schulden haben. Ohne Konsolidierung wären es aber rund zehn Milliarden Euro mehr.“ SPD-Fraktionschef Ralf Stegner warf der Koalition in der schon von Wahlkampftönen geprägten Debatte – 2011 oder 2012 muss der Land neu wählen – vor, sie agiere konzeptionslos und habe in der Bildungspolitik ein heilloses Desaster angerichtet. Schwarz-Gelb betreibe Willkür, Aktionismus und eine Rotstiftpolitik zulasten sozial Schwacher. FDP-Kollege Wolfgang Kubicki konterte, die Koalition stoppe eine jahrzehntelange Irrfahrt in Richtung Ruin. Der Norden sei das erste Bundesland, das schrumpfende Haushalte vorlege: Die Ausgaben sollen 2011 um 330 Millionen Euro sinken. Grünen-Fraktionschef Robert Habeck kritisierte in Richtung Koalition:„Ihr Sparkurs folgt keinem System, sondern dem Schlingerprinzip, denjenigen nachzugeben, deren Zustimmung Sie brauchen“, sagte er. „Wer wen kennt, der laut schreit, kriegt Geld. Die anderen sind die Doofen.“ Linke-Fraktionschefin Ranka Prante sprach von menschenfeindlichen Kürzungen. Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) rügte Einsparungen bei dänischen Schulen und nannte den Etat unsolidarisch. Deshalb stimme der SSW dem Haushalt erstmals seit 25 Jahren nicht zu. Die Opposition scheiterte mit fast all ihren Anträgen. Der Etat 2011/2012 sieht nun Nettoausgaben von 9,1 Milliarden Euro im Jahr 2011 vor – gut 332 Millionen weniger als in diesem Jahr. 2012 liegen die Ausgaben bei 9,3 Milliarden Euro, getrieben vor allem durch den stetigen Anstieg der Kosten für Pensionen und Beihilfen. Das Land muss das strukturelle Defizit von 1,25 Milliarden Euro bis

2020 abbauen;von da an verbietet die Verfassung neue Schulden. 2011 und 2012 kommt jeweils rund eine Milliarde dazu. Um die Sparvorgaben zu erfüllen, sieht der Haushalt massive Kürzungen und Einnahmeerhöhungen vor. Im Landesdienst soll Personal abgebaut werden. Blinde, Kultureinrichtungen und Sozialprojekte erhalten weniger Geld. Außerdem will das Land die Grunderwerbsteuer erhöhen und eine Küstenschutzabgabe erheben, wer sie zahlt, ist noch offen.

(dpa)

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Carstensen verteidigt umstrittenen Landeshaushalt

Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat den harten Sparkurs seiner schwarz-gelben Koalition im Landtag verteidigt. „Ich und meine Kollegen und Kolleginnen haben nicht die geringsten Zweifel, dass unser Weg genau der Richtige ist“, sagte er am Mittwoch während der Debatte über den Landeshaushalt. Die Opposition übte harte Kritik in der Sache, blieb aber moderat im Ton. Über den Doppeletat mit einem Volumen von rund 18 Milliarden Euro sollte das Parlament am späten Nachmittag entscheiden.

Der Etat, der Kürzungen in nahezu allen Bereichen vorsieht, war in den Regierungsreihen heftig umstritten. Nun scheint die knappe Koalitionsmehrheit – Schwarz-Gelb hat nur ein Mandat mehr als die Opposition – offenkundig gesichert. Erst am Dienstag hatten zwei potenzielle Abweichler aus der CDU erklärt, dass sie zustimmen, nachdem ihnen Zugeständnisse in Einzelfragen gemacht worden waren. Die FDP hatte das Ende der Koalition für den Fall angekündigt, dass nicht alle Christdemokraten den Etat mitbeschließen.

Carstensen erklärte, ihm fielen die Kürzungen nicht leicht. Aber das Land müsse bis 2020 1,25 Milliarden Euro erwirtschaften – so hoch ist das strukturelle Defizit, das bis dahin abgebaut werden muss. Den eigenen Fraktionskollegen, die bis zuletzt Bedenken hatten, zollte der Regierungschef Respekt. „Doch die Konsolidierung des Haushalts ist das zentrale und alles entscheidende Projekt dieser Regierungskoalition.“ CDU-Politiker Werner Kalinka, der zu den möglichen Abweichlern gehörte, bekräftigte sein bevorstehendes Ja im Plenum: „Es bleibt selbstverständlich dabei“.

Unions-Fraktionschef Christian von Boetticher sprach in der schon von Wahlkampftönen geprägten Debatte – 2011 oder 2012 muss neu gewählt werden – von einem historischen Tag für das mit 27 Milliarden Euro verschuldete Land. Nach 40 Jahren unentwegt steigender Verschuldung werde eine Wende eingeleitet. Von Boetticher kündigte einen strikten Sparkurs auch für die weiteren Jahre an. „Wir werden uns weiter mit einer Menge Menschen in diesem Land anlegen müssen.“ SPD-Fraktionschef Ralf Stegner warf der Koalition vor, sie agiere konzeptionslos und habe in der Bildungspolitik ein heilloses Desaster angerichtet. Schwarz-Gelb betreibe Willkür, Aktionismus und eine Rotstiftpolitik zulasten sozial Schwacher. FDP-Kollege Wolfgang Kubicki konterte, die Koalition stoppe eine jahrzehntelange Irrfahrt in Richtung Ruin. Der Norden sei das erste Bundesland, das schrumpfende Haushalte vorlege: Die Ausgaben sollen 2011 um 330 Millionen Euro sinken. Grünen-Fraktionschef Robert Habeck bescheinigte der Koalition, sie habe außer Sparpolitik nichts zu bieten und auch in der Bevölkerung Bereitschaft zum Verzicht zerstört. „Ihr Sparkurs folgt keinem System, sondern dem Schlingerprinzip, denjenigen nachzugeben, deren Zustimmung Sie brauchen“, sagte Habeck. „Wer wen kennt, der laut schreit, kriegt Geld. Die anderen sind die Doofen.“ Linke-Fraktionschefin Ranka Prante sprach von menschenfeindlichen Kürzungen. Anke Spoorendonk vom Südschleswigschen Wählerverband (SSW) rügte Einsparungen bei dänischen Schulen und nannte den Etat unsolidarisch. Deshalb stimme der SSW dem Haushalt erstmals seit 25 Jahren nicht zu. Der Etat 2011/2012 soll den Konsolidierungskurs im hoch verschuldeten Norden einleiten. Von 2020 an muss das Land laut Verfassung ohne neue Schulden auskommen. 2011 und 2012 kommt jeweils rund eine Milliarde dazu. Um die Sparvorgaben zu erfüllen, sieht der Haushalt massive Kürzungen und Einnahmeerhöhungen vor. Im Landesdienst soll Personal abgebaut werden. Blinde, Kultureinrichtungen und Sozialprojekte erhalten weniger Geld. Außerdem will das Land die Grunderwerbsteuer erhöhen und zur Finanzierung des Küstenschutzes entweder die an Nordsee, Ostsee und Elbe lebenden Bürger heranziehen oder die Kommunen im ganzen Land. (dpa)