Ziel des Landes ist es, dem Bund die Grenzen aufzuzeigen. Kiel spricht von unzulässigem Eingriff in die Haushaltsautonomie der Länder.
Kiel. Der schleswig-holsteinische Landtag hat eine Verfassungsklage gegen die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse eingereicht. Das teilte Landtagspräsident Torsten Geerdts (CDU) gestern in Kiel mit. Damit steht die wichtigste Anti-Schulden-Regelung in Deutschland auf der Kippe. Sie verpflichtet Bund und Länder dazu, ihre Neuverschuldung schrittweise zu senken.
Die Klage beim Bundesverfassungsgericht sei Ende Januar "fristgerecht" abgeschickt worden, hieß es in Kiel. Der Landtag setzte damit einen Beschluss aus dem September um. Ziel der Klage ist es, dem Bund seine Grenzen aufzuzeigen. Aus Kieler Sicht dürfen nur die Landesparlamente eine Schuldenbremse beschließen, weil die Finanzpolitik ihr Königsrecht ist.
"Es geht uns um die Verteidigung der Länderhoheit gegenüber dem Bund", bekräftigte Geerdts. In dieselbe Kerbe schlug der Verfassungsexperte Professor Hans-Peter Schneider, der für den Landtag in Karlsruhe kämpft. In der 100 Seiten starken Klageschrift kommt er zu dem Ergebnis, dass der Bund mit der Schuldenbremse in unzulässiger Weise in die Haushaltsautonomie des Landtags eingreift. Die Kieler Klage hätte im Erfolgsfall weitreichende Folgen für alle Bundesländer. Sie wären an die strengen Vorgaben der Schuldenbremse (Reduzierung der jährlichen Neuverschuldung bis 2020 auf null) nicht mehr gebunden. Sie könnten das Sparziel aber in die eigenen Landesverfassungen aufnehmen.
Wie schwierig eine solche Landesregelung ist, zeigt sich seit Monaten in Schleswig-Holstein. CDU und FDP wollen die Sparvorgaben des Bundes übernehmen, die Grünen setzen auf eine ähnliche Regelung. Die SPD wirbt für eine Schuldenbremse light, SSW und Linkspartei schießen Sperrfeuer, weil ihnen die Sparvorgaben zu radikal sind.
Nach der Bundesregelung muss Schleswig-Holstein sein strukturelles Haushaltsdefizit (1,25 Milliarden Euro) um jährlich zehn Prozent reduzieren, um 2020 einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Ausgabenkürzungen von jährlich je 125 Millionen Euro sind aber nur möglich, wenn das Land sein Personal und seine Leistungen stark eindampft.
Weit entfernt von einer Landesschuldenbremse ist der Landtag aus einem weiteren Grund. Um die Regelung in die Landesverfassung aufzunehmen, müssen zwei Drittel der Abgeordneten zustimmen. CDU und FDP bräuchten also die Stimmen der SPD oder aber der Grünen und des SSW. Die CDU hat deshalb einen Plan B. Fraktionschef Christian von Boetticher kündigte an, die Klage gegen die "Bundesbremse" zurückzuziehen, falls sich der Landtag nicht einige.
Klar ist, dass die Bundesregelung trotz Klage vorerst weiter gilt. Sie war im Sommer 2009 ins Grundgesetz aufgenommen worden - gegen Stimmen auch aus Schleswig-Holstein.