In Hannover, Kiel, Bremen und Schwerin fallen die Reaktionen auf die verlängerten AKW-Laufzeiten unterschiedlich aus.
Kiel/Hannover. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) hat den Atomkompromiss der schwarz-gelben Bundesregierung begrüßt. Die zusätzliche Wertschöpfung, die aus der Nutzung der drei Kernkraftwerke im Norden erreicht werde, solle in den Ausbau der Leitungsnetze und die weitere Entwicklung der regenerativen Energien fließen, sagte Carstensen am Montag in Kiel. Zu der Frage, ob der Bundesrat dem Atompaket zustimmen muss, habe sich die Landesregierung noch keine abschließende Meinung gebildet. Der auf das Ticket von Carstensens Koalitionspartner FDP berufene Justizminister Emil Schmalfuß dagegen pochte auf eine Beteiligung der Länderkammer. Auch FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki hält das für erforderlich.
Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) hat die Einigung zu längeren Laufzeiten der Atomkraftwerke als vertretbaren Kompromiss bewertet. Allerdings liege ihm das ausgehandelte Konzept der Bundesregierung noch nicht vor, sagte McAllister am Montag in Hannover. Er pocht auf Zahlungen der Energiekonzerne etwa für die Schließung des maroden Atommülllagers Asse. Zahlen könne er dazu aber noch nicht nennen. McAllister ist zudem überzeugt, dass der Streit um längere Atomlaufzeiten vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden werde. Nordrhein-Westfalen drohte mit einer Verfassungsklage, sollte die Bundesregierung den Bundesrat bei den Atomplänen umgehen wollen.
Die Opposition in Hannover hat die Entscheidung der Bundesregierung zur Verlängerung von AKW-Laufzeiten erwartungsgemäß scharf kritisiert. Die Einigung der schwarz-gelben Koalition auf bis zu 14 Jahre längere Atomlaufzeiten sei ein „verhängnisvoller Plan“, betonte Grünen-Fraktionschef Stefan Wenzel am Montag in Hannover. „Das Ergebnis des Atomgipfels ist empörend und zeigt, dass die Regierung den Erpressungsversuchen der großen Konzerne erlegen ist“, kritisierte Wenzel. Finanziell lasse sich der Staat mit Almosen der Konzerne abspeisen. Die Laufzeitverlängerung sei verfassungswidrig, weil noch kein Endlager für Atommüll vorhanden sei. Das Salzstock in Gorleben soll wieder als möglicher Endlager-Standort erkundet werden.
Die Bundesregierung habe sich der Atomlobby gebeugt, betonte der SPD-Fraktionsvorsitzende Stefan Schostok. „Das Gerede von der Brückentechnologie soll den Wiedereinstieg in die Atomwirtschaft verschleiern.“ Sollte der Bundesrat nicht befragt werden, sei der Gang vor das Bundesverfassungsgericht zwingend. Die Linke bezeichnete die Laufzeitpläne als „großen Fehler“, den die Energie-Konzerne der Regierung „in die Feder diktiert“ hätten. Nach Ansicht von Kurt Herzog, umweltpolitischer Sprecher der Linksfraktion, würfen die Laufzeitverlängerungen Deutschland bei der Einführung der erneuerbaren Energien um Jahrzehnte zurück.
Dagegen lobte die FDP im Landtag von Hannover die Entscheidung der Bundesregierung als „hervorragenden Kompromiss“. FDP und Union hätten mit dem Kompromiss zur Kernenergie nicht nur viel für Klimaschutz und Versorgungssicherheit erreicht. „Wir sorgen gleichzeitig dafür, dass Strom weiterhin bezahlbar bleibt“, erklärte Gero Hocker, umweltpolitischer Sprecher der Freidemokraten.
In Mecklenburg-Vorpommern, dem Bundesland mit dem höchsten Anteil an Öko-Strom, hat der Atom-Kompromiss der Bundesregierung ein geteiltes Echo ausgelöst. Wirtschaftsminister Jürgen Seidel (CDU) zeigte sich am Montag weitgehend zufrieden. Umweltminister Till Backhaus (SPD) wertet die vereinbarte AKW- Laufzeitenverlängerung um durchschnittlich zwölf Jahre hingegen als umweltpolitische Bankrotterklärung.
Der Vorsitzende der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Helmut Holter, kündigte für die kommende Landtagssitzung einen Antrag an, mit dem die Landesregierung aufgefordert werde, sich der Klage von Bundesländern gegen die Laufzeitverlängerung am Bundesrat vorbei anzuschließen. „Im Ergebnis des sogenannten Atom-Streits haben sich die Energiekonzerne durchgesetzt, die im Gegensatz zu den sozial Schwachen eine mächtige Lobby haben“, beklagte Holter.
Der Chef der Schweriner SPD-Landtagsfraktion, Norbert Nieszery, äußerte die Erwartung, dass das Verfassungsgericht „die wahnwitzigen Pläne von schwarz-gelb“ stoppen wird. „Atomkraftwerke braucht über 2025 hinaus keiner – das ist durch verschiedene Studien hinlänglich nachgewiesen“, erklärte Nieszery. Er warf der Bundesregierung vor, den großen Stromkonzernen exorbitante Gewinne ermöglichen zu wollen. „Wenn man die Zwischen- und Endlagerkosten mit einrechnen würde, wäre die Atomkraft die teuerste aller Energiearten“, führte der SPD- Politiker als weiteres Argument gegen die Kernenergie an.
Auch in Bremen verlangt die Landesregierung bei den geplanten Laufzeitverlängerungen für Atomkraftwerke die Beteiligung des Bundesrates. „Sollte die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung gegen die Länder durchsetzen wollen, werden wir Verfassungsklage einreichen“, sagte Bremens Umweltsenator Reinhard Loske (Grüne) am Montag. Einen störanfälligen Reaktor wie das Kraftwerk Unterweser in Stadland (Kreis Wesermarsch) noch bis 2019 laufen zu lassen, sei unverantwortlich. „Die Politik der Bundesregierung ist ein Tritt in die Kniekehlen aller, die sich für die erneuerbaren Energien in Deutschland einsetzen“, sagte Loske.