Die Regierung hat eine Verlängerung der AKW-Laufzeiten beschlossen. Das Abendblatt beantwortet dazu die wichtigsten Fragen.
Welche Kraftwerke sollen noch wie lange laufen?
Nach Angaben der Bundesregierung sollen die älteren Atomkraftwerke, die vor 1980 gebaut wurden, rechnerisch acht Jahre länger am Netz bleiben. Zur älteren Gruppe zählen die AKW Brunsbüttel, Unterweser, Biblis A und B, Philippsburg 1, Neckarwestheim 1 sowie Isar 1.
Neuere Atomkraftwerke sollen 14 zusätzliche Jahre bekommen. Davon profitieren Neckarwestheim II, Philippsburg II , Isar II, Grafenrheinfeld, Gundremmingen B und C, Grohnde, Emsland, Krümmel und Brokdorf . Im Durchschnitt ergibt sich so ein Laufzeitplus von zwölf Jahren.
Möglicherweise laufen die Reaktoren aber sogar 14 bis 15 zusätzliche Jahre. Grund dafür ist, dass die Lebenszeit der Reaktoren nicht nach Jahren, sondern nach produzierter Strommenge bemessen wird. Nach Expertenmeinung produzieren die Reaktoren aber in Zukunft weniger Strom als von der Regierung berechnet, sie kämen also wesentlich länger mit den ihnen zugeteilten Reststrommengen aus.
Wann geht das letzte Atomkraftwerk vom Netz?
Es lässt sich noch nicht abschließend berechnen, in welchem Jahr das sein wird. Schalten die Konzerne ältere Reaktoren aus wirtschaftlichen Gründen früher als geplant ab, können sie zugebilligte Strommengen auf neuere AKW übertragen. Das könnte dazu führen, dass bis etwa 2050 noch Atomstrom in Deutschland produziert wird. Nach dem rot-grünen Atomgesetz wären die letzten Meiler etwa 2025 vom Netz gegangen. Rot-Grün hatte eine Regellaufzeit von 32 Jahren vorgesehen - diese wird nun auf 40 beziehungsweise 46 Jahre erhöht.
Was müssen die Atomkonzerne für längere Laufzeiten zahlen?
Nach Berechnungen der Bundesregierungen werden die Zusatzgewinne der Atommeiler etwa zur Hälfte abgeschöpft. Die Konzerne müssen eine neue Atomsteuer zahlen, die dem Bund ab 2011 jährlich rund 2,3 Milliarden Euro für die Haushaltssanierung einbringen und sechs Jahre gelten soll. Die Kosten können die Versorger beim Finanzamt als Betriebsausgabe geltend machen.
Für den Ausbau der Ökoenergien haben die Stromkonzerne sich verpflichtet, von 2011 bis 2016 eine Sonderabgabe von insgesamt 1,4 Milliarden Euro in einen neuen Ökostrom-Fonds einzuzahlen. Ab 2017, wenn Steuer und Sonderabgabe ausgelaufen sind, sollen die Unternehmen langfristig bis zu 15 Milliarden Euro aus ihren Laufzeit-Gewinnen - neun Euro je Megawattstunde produzierter Atomstrom - für den Fonds abgeben.
Müssen jetzt alle Kraftwerke gegen Terrorangriffe nachgerüstet werden?
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat angekündigt, es werde ein neuer Sicherheitsstandard im Atomgesetz festgelegt. Das werde die Betreiber pro Kraftwerk etwa 500 bis 600 Millionen Euro kosten. Bei 17 Kernkraftwerken ergäbe das Kosten in Höhe von knapp zehn Milliarden Euro - im Energiegutachten hatte das Umweltministerium noch mehr als 20 Milliarden Euro für die Sicherheitsnachrüstung für zwölf Jahre längere Laufzeiten veranschlagt. So konnte sich Röttgen nicht mit seiner weitergehenden Forderung durchsetzen, die Meiler speziell gegen Abstürze großer Flugzeuge zu schützen.
Was ist mit dem Atommüll?
Nach Einschätzungen des Bundesamtes für Strahlenschutz werden nun mehrere Tausend Tonnen hochradioaktiver Müll zusätzlich anfallen. Ein Endlager ist noch nicht gefunden. In den kommenden Jahren soll der Salzstock in Gorleben erkundet und auf seine Eignung geprüft werden. Bis dahin wird der Müll entweder an den Atomkraftwerken selbst oder im Zwischenlager in Gorleben geparkt.
Kann der Beschluss gekippt werden?
Die Opposition hat bereits Verfassungsklage gegen die längeren Laufzeiten angekündigt, sollte der Bundesrat nicht eingeschaltet werden - in dem Schwarz-Gelb nicht die nötige Mehrheit hat. Verfassungsrechtsexperten sind sich nicht einig darüber, ob der Bundesrat eingeschaltet werden muss. Ein Gutachten des Innen- und Justizministeriums sieht dagegen keine Probleme bei einer Verlängerung. Spätestens im Falle eines Wahlerfolgs will Rot-Grün den späteren Atomausstieg wieder kippen.