Die Angehörigen der drei Lübecker Schüler hoffen auf eine Strafe für die türkischen Hoteliers, die den tödlichen Alkohol verkauften.

Antalya/Lübeck. Auf den Wodkaflaschen pappten die Original-Etiketten. Doch darin war nicht die pure, eiskalte Spirituose - sondern tödlicher Schnaps. Als sieben Lübecker Berufsschüler den gepanschten Billigfusel bei einer Klassenfahrt im südtürkischen Badeort Kemer tranken, endete die Party für drei von ihnen tödlich. Vor einem Gericht in Antalya müssen sich nun seit Dienstag Mitglieder einer Schwarzhändler-Bande sowie führende Mitarbeiter eines Urlauberhotels in der beliebten Touristenregion verantworten.

Es ist voll auf der Anklagebank. Gleich dreizehn Beschuldigte - elf Männer und zwei Frauen – drängen sich dort, samt mehrerer Verteidiger. Die Vorwürfe: Totschlag, versuchter Totschlag, Verstoß gegen das Alkohol-Gesetz. In ihren ersten Aussagen schieben sich die Angeklagten prompt gegenseitig die Schuld zu. Das Hotel habe den giftigen Alkohol irgendwo gekauft und versuche nun, sie in die Sache hineinzuziehen, sagen der Mitinhaber eines türkischen Unternehmens und sein Bruder. Sie sollen Hoteliers und Gastwirten billigen Fusel verkauft haben, um ihn an Touristen auszuschenken.

Der Anwalt des Hotels wiederum betont, dass sich der Mitinhaber bereits früher wegen eines Vergiftungsfalls verantworten musste. Bei Razzien gegen den Sumpf der Schwarzbrennerei hatte die türkische Polizei bei dem Mann literweise illegalen Alkohol entdeckt. Der Firma war sogar schon die Handelslizenz für Alkohol entzogen worden – doch die Brüder überschrieben das Unternehmen kurzerhand an ihre nun mitangeklagten Frauen, die eine neue Lizenz erhielten.

Diese Vorgeschichte macht das Ganze besonders tragisch - schließlich hätte der Tod der drei jungen Männer bei einem Durchgreifen der türkischen Behörden möglicherweise verhindert werden können. Es sei ein „sehr schlimmes Verbrechen“, sagt denn auch einer der beiden türkischen Anwälte, die die Angehörigen der Opfer vor Gericht vertreten. „Es hätte jeden treffen können.“ Der Rummel um den Prozess, betont der Anwalt ausdrücklich, habe auch nichts mit der Nationalität der Opfer zu tun.

Lübecker Opfer-Anwalt: "Eine große Tragödie"

Die Väter der drei toten Schüler hören mit gesenkten Blicken zu, als die Anklageschrift verlesen wird – und die vier Richter auch gleich die Höhe der Strafen in den Raum stellen. 20 bis 25 Jahre für die Totschlags-Vorwürfe, mindestens fünf Jahre für einen Verstoß gegen das Alkohol-Gesetz. Der Lübecker Opfer-Anwalt Frank-Eckhard Brand kann bei solchen Erklärungen nicht eingreifen, er muss mitten im Publikum sitzen – und versuchen, der auf Türkisch geführten Verhandlung zu folgen. Eine Übersetzung gibt es nicht. Nach dem ersten Prozesstag nennt er den Fall eine „große Tragödie“.

Die Lübecker Schüler waren im März in dem Hotel „Anatolia Beach“ abgestiegen. Dort hatten sie nach eigenen Angaben auch den Schnaps für ihre private Party gekauft. Nach der Feier starb ein 21-Jähriger an einer Methanolvergiftung. Seine 17 und 19 Jahre alten Klassenkameraden wurden nach Deutschland gebracht und starben nach tagelangem Koma in der Lübecker Uniklinik. Rechtsmediziner des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) obduzierten die Leiche des 21-Jährigen – und stellten mit zwei Promille das Zehnfache der tödlichen Dosis an giftigem Methanol fest. Der Trinkalkohol Ethanol konnte dagegen nicht nachgewiesen werden.

Hotel-Anwalt: Nur den günstigsten Alkohol eingekauft

Nach dem tödlichen Zwischenfall hatte das Hotel zunächst ein Verwirrspiel begonnen: Den Schülern wurde vorgeworfen, sie hätten sich sinnlos betrunken und womöglich auch giftiges Parfüm zu sich genommen. Mehr als sieben Promille habe der 21-Jährige im Blut gehabt, hatte ein Krankenhausdirektor Ende März behauptet. Auch über illegale Drogen wurde berichtet.

Der Anwalt des Hotels erklärt nun, es werde schlicht der günstigste Alkohol eingekauft: „Das macht jeder.“ Und der Hotelmanager beteuert, auch andere Gäste hätten die Marke in seinem Etablissement gekauft – und keinerlei Folgen gespürt. Ausgerechnet von dem Mitinhaber des türkischen Unternehmens gibt es vor Gericht ein Plädoyer gegen die Herstellung von illegalem Alkohol. Er sei strikt gegen so etwas, lässt er die Richter wissen.

In emotionalen Worten appellieren die Familien der Opfer an das Gericht, die Schuldigen zu überführen. „Ich hoffe, das wird mit Ihrer Hilfe geschehen“, sagt ein Vater. „Ich möchte das für die Getöteten, und ich möchte das für meinen Sohn.“