Auch die Lübecker Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet. Verletzte Lehrer Albrecht L. seine Aufsichtspflicht?
Lübeck/Istanbul. Nach dem Tod der drei deutschen Schüler Rafael N. (21), Jan L. (19) und Jean-Piere F. (17), die in der Türkei gepanschten Alkohol getrunken hatten, hat die türkische Justiz gestern zwei Verdächtige in Haft genommen. Es handele sich um leitende Angestellte des Hotels im Ferienort Kemer, in dem Ende März das tödliche Trinkgelage stattfand, meldete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu am Abend. Bei einer Überprüfung hätten die Behörden gepanschten Alkohol in dem Hotel gefunden.
Laut Anadolu wurden der für Speisen und Getränke in dem Hotel zuständige Manager und der Chefeinkäufer des Anatolia Beach Hotels in Untersuchungshaft genommen. Die Behörden hätten insgesamt 37 Alkohol-Proben in dem Hotel genommen. In einer Probe sei ein hoher Methanol-Anteil festgestellt worden. Die Zeitung "Milliyet" berichtete, dass der Alkohol-Lieferant des Hotels derzeit mit Haftbefehl gesucht werde.
Auch die deutschen Behörden haben sich mittlerweile offiziell in den Fall eingeschaltet. "Die Staatsanwaltschaft Lübeck hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet", sagte Oberstaatsanwalt Claus-Dieter Schultz dem Abendblatt. Die Leichen von Jan L. und Jean-Piere F. sollen schnellstmöglich in der Lübecker Rechtsmedizin obduziert werden. Das Ergebnis soll klären, ob die beiden wie ihr Mitschüler Rafael N. an einer Methanolvergiftung starben.
Nach neun Tagen im Koma hatten die Ärzte im Lübecker Universitätsklinikum am Sonnabend den Hirntod der beiden jungen Männer festgestellt. Sie gehörten zu der elfköpfigen Schülergruppe des Lübecker Bildungszentrums Mortzfeld, die mit ihrem Lehrer Albrecht L. am 22. März zu einer Klassenreise ins südtürkische Kemer aufgebrochen war. Bereits am Urlaubsort war Rafael N. an den Folgen eines Trinkgelages gestorben. Nach Medienberichten hatte er offenbar 20 Stunden in seinem Zimmer gelegen, ohne dass jemand nach ihm geschaut hatte. Weder der Lehrer Albrecht L. noch die Leitung der privaten Schule wollten sich gestern zu den Vorwürfen äußern. "Wir prüfen den Sachverhalt", sagte Oberstaatsanwalt Schultz zu der möglichen Aufsichtspflichtverletzung. Dazu gehöre auch die Feststellung des Todeszeitpunkts.
An der schicksalhaften Party am Abend des 25. März hatten sieben Schüler teilgenommen. Alle litten danach an Vergiftungserscheinungen und mussten im Krankenhaus in Antalya behandelt werden. Nach Aussagen der vier Überlebenden hatten sie im Hotel zwei Flaschen Wodka gekauft, die sie dann mit Cola gemischt getrunken hatten. Die Lübecker Staatsanwaltschaft will nun alle Teilnehmer der Klassenreise befragen. Derzeit liegen drei Strafanzeigen gegen unbekannt vor.