Nach der größten deutschen Anti-Atom-Demonstration seit Jahren ist es bei Protesten gegen den Atommüll-Zug ins niedersächsische Wendland zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen. Hunderte Demonstranten blockierten immer wieder die Gleise, um den Transport nach einem Aufenthalt in Lüneburg weiter nach Dannenberg zu verzögern.

Dannenberg. "Wir haben es auch mit massiven Ausschreitungen und Gewalt zu tun", sagte ein Polizeisprecher. In Dannenberg sollten die Atommüll-Behälter auf Lastwagen umgeladen werden, um die 20 Kilometer zum Ziel Gorleben auf der Straße zurückzulegen.

Auf der Transportstrecke zwischen Lüneburg und Dannenberg ketteten sich zwei Demonstranten unter dem Gleisbett aneinander. Sie wurden am Abend von Einsatzkräften befreit. Andere Demonstranten beschädigten ein Gleis, das von Bahnfachleuten repariert werden musste. "Die Demonstranten spielen mit uns jetzt Katz und Maus", sagte ein Polizeisprecher. Vor dem Zwischenlager Gorleben war es zunächst friedlich. Dort harrten auf der Zufahrt zu der Halle seit Samstag viele hundert Menschen auf der Straße aus. Vier Mitglieder der Umweltorganisation Robin Wood hingen dort an Seilen in den Bäumen. Bei einer Demonstration am Samstag in Gorleben hatten knapp 15 000 Menschen aus ganz Deutschland das Abschalten aller Atomanlagen und ein Ende der Atommüll-Transporte gefordert. "Wir sind wieder da", sagte am Sonntag der Sprecher der Anti-Atom-Initiative "X-tausendmal quer", Jochen Stay. "Statt des Comebacks der Atomenergie erleben wir in diesen Tagen die Renaissance der Anti-Atom-Bewegung." Beim bisher letzten Atommüll-Transport nach Gorleben 2006 waren den Protestgruppen zufolge rund 6000 Menschen gekommen. Angeheizt wird der Widerstand durch den Streit um längere AKW-Laufzeiten und die Pannen im einsturzgefährdeten Atommülllager Asse bei Wolfenbüttel.

Bevor der Atommüll-Zug am Samstag die französisch-deutsche Grenze passieren konnte, musste die Polizei bei Berg im Kreis Germersheim zwei Männer und eine Frau von den Gleisen befreien. Sie hatten sich angekettet und sorgten damit für einen Stopp des Zuges in der französischen Grenzstadt Lauterbourg. Die Demonstranten - eine 26 Jahre alte Frau aus Nürnberg sowie zwei 23 und 24 Jahre alte Männer aus Freiburg und Karlsruhe - wurden zunächst in Gewahrsam genommen, später aber wieder freigelassen.

Auch mehrere Fälle von Brandstiftung an Bahnstrecken in ganz Deutschland und in Frankreich brachte die Polizei mit den Anti-Atom- Protesten in Verbindung. Menschen wurden dabei nicht verletzt, es kam aber zu Verzögerungen im Bahnverkehr. Auf der Rheintalstrecke bei Karlsruhe sowie in den Großräumen Hamburg, Berlin, Hamm und Wiesbaden waren Kabel an Anlagen der Bahn in Brand gesetzt worden.

Bundesweit schützen gut 16 000 Polizisten den Transport, 10 000 davon allein in Niedersachsen. Bei dem stark strahlenden Atommüll in elf Behältern handelt es sich um nicht wiederverwertbare Überreste alter Brennelemente aus deutschen Atomkraftwerken.