Mit den massivsten Protesten seit Jahren haben Kernkraftgegner den umstrittenen Atommüll-Transport in Gorleben stark verzögert. Als besonders wirksam erwiesen sich zwei Betonpyramiden, in denen sich mehrere Demonstranten mit den Armen angekettet hatten (siehe Foto).

Gorleben. Direkt vor dem Zwischenlager Gorleben blockierten am Montagnachmittag zeitweise mehr als 1 000 AKW-Gegner die Straße. Das Umladen der elf Atommüllbehälter von der Bahn auf Straßentieflader in Dannenberg war dagegen schon am Mittag abgeschlossen. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel äußerte Verständnis für die Demonstranten.

Die Polizei wollte die elf Tieflader erst auf die letzten 20 Straßenkilometer schicken, wenn alle Blockaden geräumt waren. Vor allem der Betonklotz machte den Beamten Probleme, weil die angeketteten Demonstranten bei der Räumung nicht verletzt werden sollten. Ursprünglich hatte der Atommüll schon am frühen Montagmorgen das Zwischenlager im niedersächsischen Wendland erreichen sollen.

Aber bereits vor der letzten Etappe hatte es Verzögerungen gegeben: Das Umladen der Behälter von Waggons auf Tieflader lief nur schleppend. Die Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg machte Probleme mit einer starken Strahlung der neuartigen Transportbehälter vom Typ TN85 für Verzögerungen verantwortlich. Dem widersprach das für die Überwachung des Transportes zuständige niedersächsische Umweltministerium.

Mehr als 14 Stunden Verzögerung

Die Castor-Umladestation in Dannenberg hatte der Transport erst in der Nacht zum Montag um 1.13 Uhr erreicht. Zum Teil gewalttätige Protestaktionen hatten die Fahrt des Atommüllzuges laut Polizei um 14 Stunden und 23 Minuten verzögert. Auf dem letzten Streckenabschnitt von Lüneburg bis Dannenberg versuchten Hunderte Atomkraftgegner mit Sitzblockaden auf den Schienen und auch Beschädigungen der Gleise den Transport weiter zu behindern.

Die Proteste konzentrierten sich auf einen dicht bewaldeten Schienenabschnitt im Großraum Göhrde zwischen Lüneburg und Dannenberg. Kleine Gruppen von Demonstranten besetzten immer wieder zeitweise die Gleise. An mehreren Stellen wurden die Schienen unterhöhlt.

An die Gleise gekettet

Zeitweise setzte die Polizei Schlagstöcke ein. Sie verletzte damit Demonstranten, wie die Castor-Gegner mitteilten. Nach Berichten von Sanitätern wurde ein junger Mann zudem vom Huf eines Polizeipferdes am Kopf getroffen. Umgekehrt wurden laut Polizei vier Beamte mit Steinwürfen leicht verletzt.

Die beim laufenden Atommülltransport benutzten Behälter geben nach Messungen von Greenpeace mehr Strahlung ab, als bei einer früheren Vergleichsmessung festgestellt worden war. Die diesmal eingesetzten französischen Behälter vom Typ TN85 setzten deutlich mehr Neutronenstrahlung frei als die Castor-Behälter der vorausgegangenen Transporte, erklärte die Umweltschutzorganisation.

Umweltminister Gabriel äußerte Verständnis für die Blockaden und rief zugleich zur Gewaltfreiheit auf: "Das Besetzen von Gleisen können wir nicht akzeptieren", sagte der SPD-Politiker in Berlin. Deutschland sei gesetzlich dazu verpflichtet, seinen Atommüll zurückzunehmen und müsse den ungehinderten Transport in das Lager sicherstellen.

Der Grünen-Vorsitzende Reinhard Bütikofer warnte vor einer Renaissance der Atomkraft: "Wer am Atomausstieg herumfummeln möchte, kriegt es auch mit den Grünen zu tun", sagte Bütikofer nach einer Parteiratssitzung in Berlin. Die Proteste gegen die Atommülltransporte zeigten, dass es auch eine Renaissance des Widerstandes gebe: "Wenn's drauf ankommt, ist der Widerstand mobilisierungsfähig."