Schleswig-Holsteins schwarz-gelbe Landesregierung hat das geplante Sparpaket beschlossen. Einschnitte in allen Bereichen.

Kiel. Schleswig-Holsteins schwarz-gelbe Landesregierung hat am Mittwoch ein Sparpaket mit Einschnitten in fast allen Bereichen beschlossen. Die Koalition von Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) will mit drastischen Ausgabenkürzungen dauerhaft die Handlungsfähigkeit des hoch verschuldeten Landes sichern. Wirtschaft und Landwirtschaft, Straßenbau, Kultur und Vereine sollen mit weniger Geld auskommen. „Es ist das erste Mal in der Geschichte unseres Landes, dass eine Regierung so tiefgreifende Einschnitte plant“, sagte Carstensen und sprach von einer bedeutenden Wendemarke.

Die Koalition steuert auch einen Verkauf des Universitätsklinikums und das Ende des Medizinstudiums in Lübeck an, was dort auf harsche Kritik stößt. Schleswig-Holstein sei das erste Land, das auf diese Weise den Weg zur Konsolidierung seines Haushalts beschreibe, sagte Carstensen. Er hob hervor, dass weiterhin viel Geld in Kitas, bessere Bildung, Forschung, Wirtschaft und Infrastruktur fließe. Streichen und kürzen allein sei keine Politik, die erfolgreich sein könne. „Konsolidieren und investieren gehören untrennbar zusammen.“

Schleswig-Holstein ist mit fast 25 Milliarden Euro verschuldet und zahlt pro Jahr eine Milliarde für Zinsen. Das strukturelle Defizit soll jährlich um 125 Millionen Euro sinken, bis 2020 auf Null. Ab dann darf das Land laut Verfassung keine neuen Schulden machen. Die Koalition sieht sich mit ihrem Sparpaket, das auch Gehaltseinbußen für Spitzenpolitiker und Top-Beamte vorsieht, bundesweit in einer Vorreiterrolle.

Auf Grundlage des Sparpakets soll Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) den Doppelhaushalt 2011/2012 vorbereiten, der im Dezember verabschiedet wird. Dabei ist vorgesehen, die Zuwendungen an die verschiedensten Empfänger um 250 Millionen Euro zu senken. „Das hat es bisher noch nicht gegeben“, sagte Wiegard. Bis 2020 sollen 5300 Stellen wegfallen - ohne betriebsbedingte Kündigungen. Wiegard betonte, Kiel werde keine Maßnahmen des Bundes mittragen, die zu weiteren Mindereinnahmen oder Mehrausgaben für das Land führen würden.

Die Kieler „Giftliste“ spart kaum einen Bereich aus. Auch in den eigenen Reihen wird gespart: Die Altersgrenze für den Bezug von Ministerpensionen steigt vom 55. auf das 62. Lebensjahr, Zuschüsse für die Fraktionen sinken, künftige Staatssekretäre, Rechnungshofpräsidenten und Landtagsdirektoren werden weniger verdienen. Polizisten müssen bis 62 (statt 60) arbeiten.

Außerdem wird das gerade erst eingeführte dritte beitragsfreie Kita-Jahr gestrichen. Das spart 35 Millionen. Für den Kita-Betrieb gibt es aber einen Zuschlag von 10 auf 70 Millionen. Trotz der knappen Ein-Stimmen-Mehrheit im Parlament ist Carstensen zuversichtlich , dass die Koalition an einem Strang zieht. Es gehe um wichtige Entscheidungen für das Land und einen erfolgreichen Weg aus der Schuldenfalle. Auch die anstehenden weiteren Proteste müsse die Koalition aushalten. Da die Zukunft des Landes auf dem Spiel stehe, müssten Einzelinteressen zurückstehen.

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Carstensen zeigte sich sehr zufrieden mit der Zustimmung durch beide Fraktionen und Parteien. Zum Kleinen Parteitag der CDU kamen am Dienstagabend außer rund 100 Delegierten 300 Christdemokraten als Gäste nach Neumünster. Für den Regierungs- und CDU-Landeschef lief es offenkundig besser, als er angesichts der Einschnitte befürchtet hatte. Der 63-Jährige wirkte emotional sehr berührt, nachdem er das Wir-Gefühl in der Nord-CDU beschworen hatte. Geradezu pathetisch schloss er in Neumünster mit einem Auszug aus dem Schleswig-Holstein-Lied: „Wahre treu, was schwer errungen, ... wanke nicht, mein Vaterland!“.

Die Koalition will auch das Universitätsklinikum mit gut 11 000 Beschäftigten in Kiel und Lübeck privatisieren. Für den Abbau des Sanierungsstaus von nahezu einer Milliarde Euro wird es keine öffentlichen Mittel geben, beschloss das Kabinett. Die Uni Flensburg soll Studiengänge verlieren. Das Schleswig-Holstein Musik Festival bekommt weniger Zuschüsse, die JazzBaltica wohl gar keine mehr - ihr könnte damit das Aus drohen. Das Landeskulturzentrum Salzau soll verkauft, landeseigene Häfen kommunalisiert oder privatisiert werden. Die Bewohner nahe Nord- und Ostsee sollen eine Abgabe für den Küstenschutz zahlen, möglicherweise ermittelt auf Basis des Einheitswertes für die Grundstücke. Kosten für die Schülerbeförderung übernimmt das Land nicht mehr und spart so sieben Millionen Euro.

Unterdessen hat SPD-Fraktionschef Ralf Stegner mit scharfer Kritik auf das Sparpaket der Koalition in Kiel reagiert. CDU/FDP drohten, die Demokratie zu gefährden und mit Kürzungen zulasten der Ärmsten sozialen Unfrieden zu stiften, wenn sie ihr Konzept 1:1 durchsetzen, sagte er am Mittwoch. Die Koalition setze keine oder falsche Prioritäten und gefährde besonders bei der Bildung die Zukunft des Landes. Mit dem Aus für die Beitragsfreiheit im dritten Kita-Jahr begehe sie Wahlbetrug. „Wortbruch ist das Markenzeichen der Regierung Carstensen.“ Sie vernichte den Hochschulstandort Lübeck, greife nicht in die Gehälter der aktuellen Regierungsmitglieder ein und verzichte auf eine Verwaltungsstrukturreform. Auch sei ohne massive Einnahmeverbesserungen alles zwecklos.