Ein schwarz-gelbes Quartett unterschrieb in Kiel den neuen Koalitionsvertrag, der dem Norden einen „Aufbruch“ verheißt.

Kiel. Nach Koalitionsverhandlungen im Rekordtempo ist die politische Wende in Schleswig-Holstein perfekt. Die FDP wird nach 38 Jahre langem Leiden in der Opposition endlich wieder mitregieren, während die SPD nach 21 Jahren erstmals außen vor bleibt, wenn es um Kabinettsposten geht. Den geradezu verhassten SPD-Landeschef Ralf Stegner ist CDU-Ministerpräsident Peter Harry Carstensen seit dem Scheitern der großen Koalition im Juli los, nun hat er den ebenso selbstbewussten FDP-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki zum Partner. Längst wird in Kiel orakelt, ernste Spannungen seien nur eine Frage der Zeit, doch zunächst stehen die Zeichen auf Harmonie, sogar die Vokabel „Freundschaft“ wird immer wieder bemüht.

Am Sonnabend unterschrieb ein schwarz-gelbes Quartett den in einer Woche ausgehandelten Koalitionsvertrag, der dem strukturschwachen Norden einen „Aufbruch“ verheißt: Carstensen (62), sein „Kronprinz“ und Fraktionschef Christian von Boetticher (38), Kubicki (57) und der FDP-Landesvorsitzende Jürgen Koppelin (64), als einflussreicher Bundestagsabgeordneter der wichtigste Mann der Kieler Koalition in Berlin. Für Koppelin und Kubicki ist der FDP-Einzug in die Regierung auch eine persönliche Genugtuung, denn daran haben sie immerhin zwei Jahrzehnte lang arbeiten müssen. Nun soll es nicht nur bei einer Wahlperiode bleiben: „Das ist ein Koalitionsvertrag für die ersten fünf Jahre“, sagte Koppelin. Das bedeute aber auch nicht „op ewig ungedeelt“ („auf ewig ungeteilt“). Das ist das Schlagwort, mit dem die Schleswig-Holsteiner ihre Einheit beschwören.

Jetzt zumindest übten sich die Spitzen von CDU und FDP in trauter Zweisamkeit: Carstensen bekam ein gelbes Exemplar des Koalitionsvertrages, Koppelin ein schwarzes. Ob Schwarz-Gelb auf Dauer harmonieren wird, hängt im Wesentlichen von den Frontmännern Carstensen und Kubicki ab. Beide hatten schon in kleinster Runde auf Sylt das Gerüst des Koalitionsvertrages formuliert, als die eigentlichen Verhandlungen noch gar nicht gestartet waren. Und sie brauchten nur eine halbe Stunde, um im Vier-Augen-Gespräch den Durchbruch zu schaffen, nachdem die Gespräche der fünfköpfigen Spitzenrunde am Dienstag im Streit unterbrochen wurden.

Es ging um die Ressortverteilung und den von der FDP gerügten Verhandlungsstil des CDU-Fraktionschefs von Boetticher. Sogar Kanzlerin Angela Merkel (CDU) rief besorgt in Kiel an. Zu groß war die Erleichterung bei der CDU-Führung über den Sieg von Schwarz-Gelb bei der Landtagswahl, als dass man ihn noch nachträglich gefährdet sehen wollte. Die FDP ging aus dem dann blitzschnell beigelegten Konflikt mit den geforderten drei Ministerien heraus. In anderen Fällen könnte es schwerer werden, Beispiel Untersuchungsausschuss zur HSH Nordbank: Dort drohen viele unangenehme Fragen zur Aufsicht über das angeschlagene Institut und zum Krisenmanagement der Regierung. Auch wenn der alte und neue Finanzminister Rainer Wiegard (CDU/60) die Zuständigkeit für die Bank an das Wirtschaftsressort abgeben musste, wird er in der Schusslinie bleiben und damit letztlich auch Carstensen.

Kubicki ist stellvertretender Ausschussvorsitzender und einer der schärfsten Wiegard-Kritiker. Wie er seine neue Doppelrolle als HSH-Aufklärer und Mitglied des Regierungslagers ausfüllen wird, kann spannend werden. Carstensen geht in seine neue Amtszeit nach bisherigem Stand mit einem Kabinett ohne herausragende Köpfe. Die designierten Minister Ekkehard Klug (FDP/Bildung/53), Heiner Garg (FDP/Soziales/43), Jost de Jager (CDU/Wirtschaft/Wissenschaft/44) und Klaus Schlie (CDU/Inneres/55) haben jahrelang fleißige Abgeordnetenarbeit im Landtag gemacht. Auch als Staatssekretäre in der letzten Wahlperiode mühten sich Schlie (Entbürokratisierung) und de Jager (Wissenschaft, samt Aufsicht über das problembehaftete Universitätsklinikum) nicht immer erfolgreich – was zu einem Gutteil aber auch an Anderen lag.

Finanzminister Wiegard setzte sich konsequent für die Sanierung des maroden Haushalts ein, geriet aber im Zuge der HSH-Nordbank-Krise massiv in die Kritik. Bundespolitische Ausstrahlung steht für Carstensen bei der Kabinettsbildung nicht im Vordergrund. Eine Überraschung hat er noch angekündigt und an der Förde fragt man sich, wer das Landwirtschafts- und Umweltressort führen wird und ob es im einstigen Vorzeigeland für Frauenpower – mit Ex-Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) an der Spitze – auf politischen Top-Positionen zumindest eine Ministerin geben wird.