Schleswig-Holsteins schwarz-gelbe Landesregierung ist in Kiel zusammengekommen, um das geplante Sparpaket auf den Weg zu bringen.

Schleswig-Holsteins Landesregierung ist am Mittwoch in Kiel zusammengekommen, um das geplante Sparpaket auf den Weg zu bringen. Die Zustimmung des schwarz-gelben Kabinetts zu den Ausgabenkürzungen gilt als sicher, weil alle Ressortchefs an den Beratungen beteiligt waren. „Die Ministerien haben ausgesprochen konstruktiv mitgearbeitet“, sagte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) vor der Sitzung. Am Vortag hatten die Fraktions- und Parteispitzen von CDU und FDP ein Konzept gebilligt, das Einsparungen für viele Bereiche enthält. Wirtschaft und Landwirtschaft sind ebenso betroffen wie Straßenbau, Hochschulen, Kultur und Vereine. Die Koalition plant auch einen Verkauf des Universitätsklinikums und das Ende des Medizinstudiums in Lübeck. Das Sparpaket soll in den Entwurf für den Doppelhaushalt 2011/2012 einfließen, der im Dezember verabschiedet wird. Carstensen zeigte sich sehr zufrieden mit der Zustimmung durch beide Fraktionen und Parteien. Es gehe um wichtige Entscheidungen für das Land. Carstensen äußerte am Mittwoch Verständnis dafür, dass die vorgesehenen Einschnitte viele Menschen stark berührten. Auch die anstehenden weiteren Proteste müsse die Koalition aushalten. Da die Zukunft des Landes auf dem Spiel stehe, müssten Einzelinteressen zurückstehen.

Landesregierung legt Sparpläne auf den Tisch

Die schwarz-gelbe Koalition in Schleswig-Holstein hat ihre Sparvorschläge auf den Tisch gelegt und auch in den eigenen Reihen Proteste ausgelöst. "Ich habe bei einigen Dingen Bauchweh", sagte der CDU-Abgeordnete Werner Kalinka dem Abendblatt. Das gelte zum Beispiel für die Privatisierung der Uni-Kliniken. In der Fraktion versagte Kalinka dem Sparpaket seine Zustimmung. Er enthielt sich, hob erst die Hand, als CDU und FDP gemeinsam abstimmten. "Das Ergebnis war einstimmig", berichteten die Fraktionschefs von CDU und FDP, Christian von Boetticher und Wolfgang Kubicki. Beide verteidigten den Sparkurs als einzige Chance, die Neuverschuldung des Landes bis 2020 auf null zu senken und so die Vorgabe der Schuldenbremse zu erfüllen. Andernfalls stünde Schleswig-Holsteins Eigenständigkeit auf dem Spiel, warnte Kubicki. "Wir wollen uns nicht als bewegungsloses Land an Hamburg angliedern."

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Ein Selbstgänger ist die Sparaktion nicht, zumal viele Bürger direkt betroffen sind. Von Boetticher nannte als Beispiel die Küstenschutzabgabe. Sie soll ab 2012 von Immobilienbesitzern an Nord- und Ostsee erhoben werden und mit rund drei Millionen Euro jährlich das Land beim Deichbau entlasten. Eine ähnliche Regelung gebe es in Niedersachsen, sagte von Boetticher. Kubicki hält die Abgabe für vertretbar. Wer auf Sylt ein Domizil besitze, dem sei ein Beitrag zum Küstenschutz zuzumuten.

Das ist die komplette Kieler "Giftliste":

Personal

Das Land baut bis 2020 jede zehnte Stelle ab. Das sind etwa 5300 Jobs. Betroffen sind auch die Schulen. Die Polizei wird nicht ausgedünnt. Sparziel: rund 265 Millionen Euro.

Beamte können mit 60 in den Vorruhestand gehen. Voraussetzung: Sie verzichten auf einen Teil der Pension und ihre Stelle fällt weg. Angestellte sollen mit Abfindungen zur Jobaufgabe bewogen werden.

Jubiläumszuwendungen für 25, 40 und 50 Jahre im Landesdienst werden gestrichen.

Bei der Beihilfe (Kostenerstattung bei Krankheiten) müssen Beamte einen höheren Eigenanteil zahlen. Der Selbstbehalt steigt um 20 Prozent.

In Behörden wird erst ab 300 Beschäftigten (bisher 200) ein Personalratsmitglied freigestellt. Die Freistellung eines zweiten Mitglieds erfolgt ab 601 Mitarbeitern (bisher 501).

Polizei

Das Pensionsalter wird von 60 auf 62 Jahre erhöht. Für ältere Beamte gibt es eine Übergangsregelung.

Die Sport-Shows in Kiel und Neumünster finden im Herbst 2010 zum letzen Mal statt. Das Polizeiorchester wird aufgelöst, der Tag der Landespolizei abgeschafft.

Bildung

Das dritte beitragsfreie Kita-Jahr (35 Millionen Euro) wird zum 1. August abgeschafft. Die Landesförderung für die Kitas steigt ab 2011 um zehn auf 70 Millionen Euro jährlich.

Die Schülerbeförderung soll von den Eltern mitbezahlt werden. Die Landeszuschüsse für Schülerkarten werden gestrichen.

Gymnasiallehrer sollen ab August jede Woche eine Schulstunde mehr geben (25,5 statt 24,5). Länger arbeiten müssen auch viele Lehrer an Gemeinschafts- und Regionalschulen. Sie sollen 27 Wochenstunden unterrichten.

Die Schulen der dänischen Minderheit erhalten weniger Geld. Statt 100 Prozent des deutschen Schülerkostensatzes gibt es nur noch 85 Prozent. Die deutschen Privatschulen (etwa Waldorf) bekommen wie bisher 80 Prozent.

Kultur

Das Herrenhaus Salzau bei Kiel soll verkauft werden.

Die Landeszuschüsse für das Festival JazzBaltica werden gestrichen.

Das Schleswig-Holstein Musik Festival erhält weniger Geld. Die Zuschüsse (derzeit 1,7 Millionen Euro) werden bis 2012 auf 1,2 Millionen Euro gesenkt.

Der Schleswig-Holstein-Tag wird vom Land nicht mehr gefördert. An dem Landesfest, das alle zwei Jahre gefeiert wird, beteiligte sich das Land bisher mit 150 000 Euro.

Hochschule

Das Universitätsklinikum in Kiel und Lübeck, der größte Arbeitgeber im Land, soll so schnell wie möglich privatisiert werden. Das Land will so die Sanierung der maroden Klinika für 700 Millionen Euro ermöglichen.

Die Universität Flensburg wird zur reinen Lehrer-Uni. Die Wirtschafts-Studiengänge werden zum Wintersemester 2011/12 geschlossen. Die 800 Studenten dürfen bis zu ihrem Studienabschluss in Flensburg weiter büffeln.

In Lübeck werden ab Wintersemester 2011/12 keine Medizinstudenten mehr angenommen. Ihr Studiengang wird mit dem der Uni Kiel verschmolzen. Sparziel sind mehr als 20 Millionen Euro jährlich.

Wirtschaft

Die Landesanteile an der AKN Eisenbahngesellschaft werden verkauft. Zuvor wird mit der AKN ein Verkehrsvertrag abgeschlossen. Mögliche Kaufinteressenten sind die Hamburger Hochbahn, aber auch die S-Bahn.

Die Mittel für den Straßen- und Radwegebau werden gekürzt - von derzeit 42,6 Millionen auf 30,4 Millionen Euro im Jahr 2012.

Die Förderung der Tourismusagentur Schleswig-Holstein wird bis 2014 eingestellt. Ersparnis: 1,9 Millionen Euro im Jahr.

Der Landeshafen in Friedrichskoog wird geschlossen. Die Häfen in Glückstadt, Husum, Tönning und Friedrichstadt werden an die jeweiligen Städte abgegeben oder privatisiert.

Das Land verkauft bis Ende 2012 seine Anteile am Kieler Flughafen. Zuvor soll mit dem Mitbesitzer, der Stadt Kiel, eine einvernehmliche Lösung gefunden werden.

Das teuerste Förderprogramm des Landes, die Subventionen für Einzelbetriebe, wird weitgehend eingestellt. Weiterhin förderfähig sind vor allem Betriebe im strukturschwachen Norden und Westen Schleswig-Holsteins.

Die Innovationsstiftung wird aufgelöst, die Förderung für die Norgenta zurückgefahren. Mitgesellschafter der Wissenschaftsagentur Norgenta ist Hamburg.

Soziales

Das Landesblindengeld wird gekürzt. Erwachsense (bisher 400 Euro im Monat) erhalten wie Kinder und Jugendliche künftig 200 Euro. Ersparnis: 9,3 Millionen Euro im Jahr.

Die Wohlfahrtsverbände erhalten weniger Landesmittel für Schularbeitenhilfe, Gewaltprävention und die Tafeln. Das Land will die Städte und Gemeinden bitten, die Aufgaben stärker mitzufinanzieren.

Die Beratungsstellen "Frau & Beruf" erhalten ab 2014 keine Landesgelder mehr. Bisher beteiligt sich das Land mit bis zu 633 000 Euro im Jahr.

Der Bau und Umbau von Krankenhäusern wird künftig aus dem Zweckvermögen Wohnungsbau der Investitionsbank finanziert. Die Investitionen werden auf 40 Millionen Euro im Jahr begrenzt.

Umwelt

Eine Küstenschutzabgabe will das Land ab 2012 erheben. Zahlen sollen Grund- und Immobilienbesitzer, die vom Deichbau oder den Sandaufspülungen vor Sylt profitieren. Die Abgabe soll jährlich rund drei Millionen Euro einbringen.

Die Landwirtschaftskammer soll stärker von den Bauern finanziert werden. Das Land fährt seine Zuschüsse schrittweise zurück.

Der Öko-Landbau wird gerupft. Die Beibehaltungsförderung soll auslaufen, die Umstellungshilfe auf bestimmte Regionen begrenzt werden.

Das Biomasse-Programm wird eingestellt. Bisher fördert das Land Betriebe, die Strom etwa aus Raps, Holz oder Gülle erzeugen, mit 780 000 Euro im Jahr.

Die Stiftung Naturschutz muss ebenso mit geringen Zuschüssen auskommen wie die Landeslabore und die Anstalt Landesforst. Sie kümmert sich um den Landeswald.

Finanzen

Das Land kauft seine Immobilien, die es 1999 veräußert und dann angemietet hat, von einer landeseigenen Gesellschaft zurück. Die Schulden des Landes erhöhen sich so um 388 Millionen Euro. Im Gegenzug entfallen die Mietzahlungen. Durch den Buchungstrick spart das Land real kaum etwas, auf dem Papier aber 12,5 Millionen Euro jährlich.

Die Standorte der Finanzämter werden überprüft. Zusammenlegungen sind möglich.

Justiz

Drei kleine Gefängnisse werden geschlossen: Flensburg 2013, Itzehoe und Rendsburg spätestens 2020.

Bei der Prozesskostenhilfe will das Land sparen. Bei einer Privatinsolvenz sollen Bürger die Restschuldbefreiung selbst bezahlen. Beides lässt sich nur umsetzen, wenn der Bund die Rahmengesetze ändert.

Regierung

Minister erhalten ihre Pension mit 62 Jahren (bisher 55). Neue Staatssekretäre werden etwas schlechter bezahlt (B9 statt B10).

Landtag

Das Wahlrecht wird geändert, die Zahl der Wahlkreise reduziert. Ziel ist ein Landtag, in dem, wie eigentlich vorgesehen, 69 Abgeordnete sitzen. Derzeit sind es durch Überhang- und Ausgleichsmandate 95.

Die sechs Fraktionen im Landtag erhalten in den nächsten beiden Jahren zehn Prozent weniger Mittel.

Die Zulagen für Spitzenpolitiker wie etwa den Landtagspräsidenten oder die Fraktionsvorsitzenden werden um zehn Prozent gekürzt.