Schwarzenbek. Mit der Messerattacke von Brokstedt gewinnt das Thema Videoüberwachung neue Aktualität. In Schwarzenbek wird seit fünf Jahren diskutiert.

Nach der Messerattacke im Regionalzug von Kiel nach Hamburg am 25. Januar fordert die schleswig-holsteinische Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) mehr Videoüberwachung in Bahnhöfen und Zügen. Bisher gibt es die seitens der Bahn AG nur in Großstädten. Kiel hat erst im vergangenen Jahr eine Videoüberwachung erhalten, Lübeck soll in diesem Jahr folgen. In Schwarzenbek hatte die SPD eine Überwachung bereits vor fünf Jahren gefordert, geschehen ist bisher nichts.

Mit einem Antrag zur Stadtverordnetenversammlung am Donnerstag, 16. Februar, erneuern die Sozialdemokraten ihre Forderung, verweisen darin auch auf die Aussage der Innenministerin. Überwacht werden sollen die Fahrradständer beiderseits des Bahnhofs, die allerdings nur teilweise auf städtischem Grundstücken stehen. Auf der Südseite ist die Deutsche Bahn AG Eigentümerin der Fläche.

An der Bushaltestelle am Gymnasium werden Glasscheiben regelmäßig zerstört

Die Stadtverwaltung müsste auch für den zweiten Teil des Antrags mit der Bahn Kontakt aufnehmen, denn die SPD fordert auch eine Überwachung der Gleise. Zudem soll die Stadtverwaltung prüfen, wie hoch die jährlichen Schäden durch Vandalismus sowie Straftaten sind, um an Orten mit wiederholten Vorfällen auf kommunalen Flächen ebenfalls Kameras zu installieren. Als Beispiel nennt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Nils Hilger die Bushaltestelle am Gymnasium (Buschkoppel 7), deren Glasscheiben regelmäßig zerstört werden.

Vandalismus auf dem Parkplatz am Schwarzenbeker Gymnasium: Der Busunterstand wird immer wieder zerstört.
Vandalismus auf dem Parkplatz am Schwarzenbeker Gymnasium: Der Busunterstand wird immer wieder zerstört. © Marcus Jürgensen | Marcus Jürgensen

Es gehe hier um „sichere Mobilität“, kann sich der SPD-Stadtverordnete Calvin Fromm einen Seitenhieb auf die CDU nicht verkneifen, die ihrerseits in der Sitzung am Donnerstag die Gründung eines neuen Ausschusses für Mobilität und Klimaschutz vorschlagen wolle. „Der Schwarzenbeker Bahnhof zeichnet sich durch Sachbeschädigungen, Fahrraddiebstähle und im Extremfall sogar Körperverletzungsdelikte aus.“

Videoüberwachung trägt zum Sicherheitsgefühl bei

Kein Wunder also, dass die Bahn und das Fahrrad noch nicht für alle Schwarzenbeker ein attraktives Mobilitätsangebot darstellen“, so Fromm. Eine Videoüberwachung werde zwar nicht jeden Straftäter abschrecken, so der SPD-Politiker, sie helfe aber bei der Klärung des Geschehens, der Ermittlung der Täter und trage zum Sicherheitsgefühl bei.

In einem Punkt irrt sich Fromm jedoch: Er behauptet, der Bahnhof Schwarzenbek sei auf der Strecke zwischen Büchen und dem Hamburger Hauptbahnhof „praktisch der einzige Bahnhof, den die Bahn nicht mit einer Videoüberwachung versehen hat“. Zwar gibt es bereits seit 2019 ein Programm von Bahn AG und Bundesregierung zur Videoüberwachung an Bahnhöfen. Doch Kameras sind eben bisher nur an den Hauptbahnhöfen der Großstädte installiert.

SPD irrt: Kameras sind auf Bahnhöfen die Ausnahme

„Im Kreis Herzogtum Lauenburg gibt es keine derartige Überwachung auf Bahnhofsgeländen“, so Michael Hiebert, Pressesprecher der Bundespolizei. Eine Ausnahme sei Aumühle: „Die S-Bahnhöfe in Hamburg sind videoüberwacht. Das gilt auch für das S-Bahngleis in Aumühle. Auf dem Bahnsteig von Fern- und Regionalbahn gibt es das aber nicht.“

Die Kameras an den Bahnhöfen dienen in erster Linie betrieblichen Erfordernissen der DB AG: Sie überwachen das Reiseaufkommen, um bei zu großem Andrang Bahnsteige sperren zu können, einen Zug länger halten zu lassen, um Reinigungsarbeiten zeitnah einzuleiten. Die Bundespolizei, die für die Sicherheit auf Bahnhöfen und Zügen zuständig ist, hat keinen direkten Zugriff auf diese Daten.

Besitzer der Tasche konnte per Videoüberwachung ermittelt werden

Hiebert dazu: „Wir können uns die Aufnahmen ansehen, müssen dann die entsprechenden Sequenzen markieren und erhalten diese dann von der DB AG. Die Daten werden 30 Tage gespeichert, dann gelöscht. Neben der Ermittlung von Tätern etwa bei Taschendiebstählen auf dem Bahnhofsareal hilft die Überwachung manchmal auch präventiv, größere Maßnahmen zu verhindern: So war in einer Bankfiliale im Kieler Hauptbahnhof eine herrenlose Tasche gefunden worden.

Per Videoüberwachung konnte der Besitzer ermittelt und von den Polizisten im Bahnhof angesprochen werden. Die Lösung: Er wollte das Geld für die Gepäckaufbewahrung sparen und hatte die Tasche deshalb im durch den Kartenzugang gesicherten Filialraum abgestellt.

Videoauswertung hilft bei Aufklärung von Straftaten

In Büchen werden Videoaufnahmen nur wenige Tage gespeichert. Dort hat die Gemeinde mit der Herstellung des Park&Ride-Parkplatzes und der Bike&Ride-Anlage beiderseits des Bahnhofes auf kommunalem Grund eigene Kameras aufstellen lassen. „Es gab auch mal eine Videoüberwachung auf den Bahnsteigen“, erinnert sich Michael Kraus von der Gemeindeverwaltung Büchen.

Die sei offenbar aber aus Kostengründen abgebaut worden. „Die Kameras haben uns schon geholfen, Fahrraddiebstähle und Vandalismustaten aufzuklären“, so Kraus. Auch hier gilt: Nach einer entsprechenden Anzeige kann die Polizei vor Ort die Aufnahmen rund um die Tatzeit auswerten.

Vandalismus am Bahnhof in Schwarzenbek: Besonders die gläsernen Seitenwände der Unterstände an den Bahnsteigen werden immer wieder zerstört.
Vandalismus am Bahnhof in Schwarzenbek: Besonders die gläsernen Seitenwände der Unterstände an den Bahnsteigen werden immer wieder zerstört. © BGZ | Marcus Jürgensen

Überwachung nur an Kriminalitätsschwerpunkten

Kurios endete eine Anfrage beim Nahverkehrsverbund (NAH.SH), der für seinen jährlichen Zustandsbericht auch das Umfeld der Bahnhöfe in Schleswig-Holstein in Augenschein nimmt: Der NAH.SH bestätigt, dass es auf Bahnhofsarealen keine Kameras gibt, führt aber Büchen und Schwarzenbek als Beispiel für Videoüberwachung im Bahnhofsumfeld an. „Hab ich da was verpasst?“, reagierte Petra Scheerer, Fachbereichsleiterin für Öffentliche Sicherheit und Soziales im Schwarzenbeker Rathaus, irritiert und amüsiert.

Tatsächlich sei die Videoüberwachung immer wieder thematisiert, jedoch nie realisiert worden. „Wir könnten eigentlich nur den Park&Ride-Platz auf der nördlichen Seite überwachen, weil dieses Areal uns gehört“, so Scheerer. Die Fahrradständer, die Unterführung zu den Gleisen sowie die Bahnsteige selbst gehörten der DB AG. 2019 hatte eine verwaltungsinterne Prüfung zudem ergeben, dass der Bahnhof kein Kriminalitätsschwerpunkt sei, eine Videoüberwachung deshalb rechtlich schwer durchsetzbar. Ähnlich hatte die Bahn AG argumentiert.

Die Stadtverordnetenversammlung beginnt um 19 Uhr im Festsaal des Rathauses (Ritter-Wulf-Platz 1).