Geesthacht/Marschacht. Die Elbe stellt für die scheuen Raubtiere kein großes Hindernis dar. Was Hundehalter beachten sollten und wovor der Nabu warnt.

Bei einem Spaziergang vor ein paar Tagen im Deichvorland des Rönner Werder machte Kathrin Bockey eine blutige Entdeckung: Die Bürgermeisterin der Samtgemeinde Elbmarsch stieß auf einen Rehkadaver, durch Kehlbiss getötet und angefressen, ziemlich frisch. Die ehemalige Geesthachter Ratsfrau und Kieler Landtagsabgeordnete rief die Polizei an und meldete den Fund.

Es spricht einiges dafür, dass ein Wolf das Tier gerissen hat. Eine Joggerin erzählt von einem abgetrennten Rehbein im Knick, es gibt Berichte über besonders furchtsame Rehrudel, und ein Rinderhalter fand im Sommer ein Kalb totgebissen auf der Weide im Bereich Drage. Hinzu kommen zahlreiche Sichtungen.

Wolf in der Elbmarsch? "Ich würde gern mal einen sehen"

Ein genetischer Nachweis fehlt bisher als Beweis, aber für viele in der Region steht trotzdem fest: Die Samtgemeinde gehört jetzt zum Jagdrevier eines Wolfes. Die „Wolfsthematik in der Samtgemeinde Elbmarsch“ mit einer Wolfsberaterin war folgerichtig am 1. Februar Tagesordnungspunkt im Umweltausschuss. Und Dirk Meyer (Freie Wähler), stellvertretender Bürgermeister in Drage, hatte am Freitag (10. Februar) in Stove eine Versammlung zum Thema organisiert. Mittlerweile liegt der Flyer der niedersächsischen Landesregierung zum Wolf im Rathaus in Marschacht aus.

Kathrin Bockey, Hundehalterin und oft in der Feldmark unterwegs, erzählt, dass die Region wegen der Renaturierungen attraktiv geworden sei für einen Wolf. „Es gibt ganz viele Bauminseln mit dichtem Unterholz, Schilf wird stehengelassen“, sagt sie. Und das Nahrungsangebot mit vielen Rehen ist gut. „Ich würde schon mal gern einen Wolf sehen – dann aber ohne Hund“, sagt sie.

"Der Wolf ist grundsätzlich ein scheues Raubtier"

Kathrin Bockey plädiert dafür, einen Weg der Vernunft einzuschlagen zwischen Hysterie und Verklärung. „Weltweit gab es in 18 Jahren nur 26 tödliche Angriffe“, sagt sie. „Und in 14 Fällen davon wurde beim Wolf Tollwut nachgewiesen“. In Deutschland ist seit seiner Rückkehr kein Fall eines Angriffs auf Menschen bekannt.

„Der Wolf ist grundsätzliche ein scheues Raubtier“, sagt Kathrin Bockey. „Aber Nutztierhalter sehen die Problematik natürlich anders, und die Jägerschaft hat noch eine anderen Blick drauf“, weiß sie. Menschen sollten bei Sichtung eines Wolfes grundsätzlich Ruhe bewahren und sich langsam entfernen – sofern das nicht schon der Wolf getan hat. Jungtiere allerdings könnten neugierig sein.

Wölfe aus dem Süden nehmen die Elbbrücke bei Geesthacht

Für Hunde kann die Begegnung durchaus mal gefährlich werden. Aber auch solche Vorfälle sind sehr selten. Im November 2022 stieß ein freilaufender Foxterrier in einer Feldmark bei Uelzen auf einen Wolf. Die Besitzerin hörte ihren Hund jaulen, kam aber zu spät. Er wurde so schwer verletzt, dass er nicht zu retten war. In seinem Fang wurden Wolfshaare nachgewiesen. Der Vorfall war der erste dieser Art in Niedersachsen.

In die Nähe des Menschen trauen sich die Wölfe aber nicht. Soweit jedenfalls die Theorie. „Man muss sich keine Sorgen machen, wenn man den Hund an der Leine hat“, sagt Jens Maatzen, Wolfskoordinator in Schleswig-Holstein. Wobei Wölfe, die in der Samtgemeinde gewesen sind, auch schnell in den Raum Geesthacht überwechseln könnten. „Wenn es dunkel ist und es leise zugeht, läuft er über die Elbbrücke“, erklärt Jens Maatzen. „Sonst schwimmt er.“

Nabu warnt: "Das Schießen von Wölfen ist eine Straftat"

Erst in der vergangenen Woche sei ein Wolf beobachtet worden, der zwischen Pumpspeicherbecken und Waldfriedhof die Bundesstraße überquert habe, berichtet Wolfram Staudte, der beim Geesthachter Nabu Ansprechpartner für die Wölfe ist. Und im Januar vor einem Jahr sei ein toter Wolf neben der Straße beim Grünen Jäger gefunden worden, der woanders erschossen und dann dort abgelegt wurde. Für Wolfram Staudte nur die Spitze des Eisberges. Er verdächtigt einen Teil der Jägerschaft, sich Wölfe bei Gelegenheit durch die „drei S“ zu entledigen – „schießen, schaufeln, schweigen“. „Das Schießen von Wölfen ist eine Straftat“, sagt Jens Matzen. Fünf Jahre Gefängnis können die Folge sein.

Dem Nabu werden etwa drei Wolfssichtungen im Jahr gemeldet. „Ich selbst habe noch nie einen gesehen“, sagt Wolfram Staudte. Er ist auch Mitglied der Rindergilde Geesthacht. Die Tiere stehen weit weg von Behausungen auf einer Weide bei Kollow. Der Kreis ist Wolfspräventionsgebiet. Das heißt, es gibt Fördergelder für Nutztierhalter für Schutzmaßnahmen und Entschädigungen für Risse. Aber Wolfram Staudte sieht bei den naturnah gehaltenen Gilde-Rindern keinen Bedarf. „Diese Kühe sind sehr wehrhaft“, weiß er.

Die Jungwölfe sind im Februar auf Wanderschaft in neue Reviere

Dass ein Wolf, der in der Samtgemeinde sein Revier hat, auch auf der Elbinsel oder im Geesthachter Stadtwald jagt, gilt als ausgeschlossen. Eher sind die auf der Elbnordseite beobachteten Tiere nur auf der Durchreise Richtung Norden. Gerade in dieser Jahreszeit durchleben die Wölfe eine unruhige Phase. Die Jungwölfe begeben sich auf Wanderschaft, um sich ein Revier zu suchen. Wenn sie Straßen überqueren, geht das oft nicht gut aus. Jüngst wurden zwei Wölfe nach Kollisionen mit Fahrzeugen in der Region westlich von Lüneburg getötet.

Auch Hannes Koopmann, Förster im Revier Grünhof, ist erst einmal auf einen Wolf gestoßen, das war im vergangenen Jahr bei Bröthen. „Als er mich gesehen hat, hat er sofort Reißaus genommen wie ein Reh“, erzählt er. Die Region um Geesthacht eigne sich nicht für eine dauerhafte Niederlassung durch Wölfe, meint Hannes Koopmann. Die Waldgebiete seien nicht so groß und immer wieder durchschnitten von Straßen und Siedlungen. Besser geeignet für die wölfische Familiengründung ist der Sachsenwald. Dort hat sich wie berichtet im vergangenen Jahr ein Wolfspaar gefunden.

Mit dem Goldschakal dringt eine weiteres Raubtier in den Kreis vor

Während der Wolf dabei ist, sich in heimischen Gefilden zu etablieren – erster Nachweis in Schleswig-Holstein war 2007 – dringen neue tierische Einwanderer in den Norden vor. So könnte der Goldschakal, in der Größe angesiedelt zwischen Fuchs und Wolf, nun auch im Südkreis angekommen sein. Hannes Koopmann ist eine mögliche Sichtung zu Ohren gekommen.

Der Goldschakal ist ein Profiteur des Klimawandels, er stammt aus warmen, südlichen Gegenden. In Deutschland wurde erstmals 2021 in Baden-Württemberg Nachwuchs bei eingewanderten Goldschakalen nachgewiesen. Und auch von einem Luchs im vergangenen Frühjahr bei Lauenburg in der Nähe der Zündholzfabrik wird in Naturschützerkreisen gesprochen. Davon hat auch Hannes Koopmann gehört. Aber bis jetzt sind alles nur Gerüchte, es fehlt der Beweis.

Unter der Nummer 0174/633 03 35 ist vom Land Schleswig-Holstein eine Hotline für Wolfsbeobachtungen geschaltet. Hier können Erlebnisse um Canis Lupus rund um die Uhr mitgeteilt werden.