Schwarzenbek. Noch drei Veranstaltungen, dann hat das Amtsrichterhaus Winterpause. Kulturmanagerin zieht Bilanz und blickt skeptisch ins neue Jahr.
Von Troja-Entdecker Heinrich Schliemann über die Finkwarder Speeldeelbis zu Märchen und Döntjes aus der Region: Im Dezember lädt das Amtsrichterhaus dreimal dazu ein, die besinnliche Zeit des Jahres am Körnerplatz 10 zu genießen.
Er hätte das Vorbild für Hollywood-Held Indiana Jones sein können: 1822 im mecklenburgischen Neubukow geboren, wurde Heinrich Schliemann zum Begründer der modernen Archäologie. Der Historiker Hartwig Fischer stellt am Donnerstag, 8. Dezember, das Leben Schliemanns vor, das gleich mehrere Abenteuerromane füllen könnte. Binnen weniger Jahre gelang ihm gelang der Aufstieg vom mittellosen Kaufmannslehrling zum Multimillionär. Als Agent eines Hamburger Handelshauses nach St. Petersburg geschickt, gründete er dort 1847 sein eigenes Handelshaus und nahm die russische Staatsbürgerschaft an. In den USA gründete er in Sacramento eine Bank für Goldhandel und investierte in Eisenbahnprojekte.
Schliemann: Wie ein Millionär die moderne Archäologie erfand
Im Jahr 1864, gerade einmal 42 Jahre alt, zog sich Schliemann aus dem Geschäftsleben zurück, reiste durch die Welt und begann an der Pariser Sorbonne Altertumskunde zu studieren. 1868 erhielt er den Doktortitel und begann zwei Jahre später nach dem historischen Troja zu graben: Seit seiner Jugend hatten ihn Homers Ilias und Odyssee fasziniert. 1873 erklärte Schliemann, Troja gefunden zu haben. Es folgten weitere Grabungen in der Türkei sowie auf den griechischen Inseln, immer auf den Spuren der Erzählungen Homers.
Sein unwissenschaftliches Vorgehen bei den ersten Grabungen brachte Schliemann viel Kritik ein, allerdings konnte er sich nicht auf Vorbilder stützen. Im Laufe der Jahre änderte er sein Vorgehen und erfand neue Forschungsmethoden, die noch heute in der Archäologie angewendet werden. Fischer porträtiert Schliemann in diesem Spannungsdreieck zwischen Wahrheit, Kritik und Segen für die Altertumswissenschaften. Sein Vortrag beginnt um 19 Uhr, der Eintritt ist frei.
Weihnachtsprogramm mit der Finkwarder Speeldeel
Ein Höhepunkt des Dezember-Programms folgt am Sonnabend, 17. Dezember: Um 19 Uhr gastiert die Finkwarder Speeldeel im Amtsrichterhaus. Die Hamburger Traditionsfolkloregruppe hätte eigentlich schon 2021 in der Europastadt auftreten sollen, doch wegen der Corona-Pandemie musste der Auftritt abgesagt werden. „Die Gruppe hat dann angeboten, dass sie den Auftritt nachholen kann, und wir haben das gerne angenommen“, so Schwarzenbeks Kulturmanagerin Vera Kipke. Sieben Tage vor dem Heiligen Abend erleben die Gäste im historischen Fachwerkhaus am Körnerplatz nun ein echtes Weihnachtshighlight für Jung und Alt auf Platt- und Hochdeutsch. Eine Voranmeldung unter 04151/88 11 32 wird dringend empfohlen. Beginn ist um 19 Uhr, der Eintritt kostet 20 Euro.
Das Jahr endet dann im Amtsrichterhaus am Sonntag, 18. Dezember, mit einer besinnlichen Lesung: Um 15 Uhr laden Gisela Berger und Gudrun Rosenthal vom Heimatbund und Geschichtsverein zum plattdeutschen Nachmittag bei Snacks und Kaffee ein. Der Eintritt ist kostenlos. Danach schließt die Kultureinrichtung für einige Wochen: „Das Kulturjahr wird mit dem Neujahrsempfang der Stadt im Januar wieder eröffnet“, verspricht Kulturmanagerin Kipke, doch noch seien nicht alle Verträge mit Künstlern unterschrieben.
Kulturmanagerin Kathrin Kipke zieht Jahresbilanz
Nach einem Jahr als Kulturmanagerin und Verbrüderungssekretärin verabschiedet sich Vera Kipke, die in diesem Jahr geheiratet hat, von der Europastadt. Ihr Fazit fällt positiv aus: „Mein persönliches Highlight war die Fahrt zum Verbrüderungsfest im Sommer ins französische Aubenas.“ Gerade jetzt sei es wichtig den europäischen Gedanken zu stärken, so Kipke: „Es ist toll, dass es in Deutschland so viele europäische Partnerstädte gibt. Schwarzenbek nimmt mit seinen vier Partnerstädten dabei einen ganz besonderen Platz ein.“ Nachdem der europäische Städtebund zu Beginn der 2000er-Jahre angesichts von Frieden in Europa in eine Sinnkrise geriet – 2009 schied die niederländische Stadt Delzijl aus dem Bund aus – , seien heute die Verantwortlichen in Schwarzenbek, Cesenatico (Italien), Sierre (Schweiz), Aubenaus (Frankreich) und Zelzate (Belgien) sehr ernsthaft und mit großem Interesse wieder dabei, so die Einschätzung Kipkes.
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Die Verbrüderungssekretärin war erst im November gemeinsam mit Bürgermeister Norbert Lütjens, Bürgervorsteher Rüdiger Jekubik und Ex-Lehrerin Barbara Schicke, die die Schüleraustausche koordiniert hat, zu Gast im schweizerischen Sierre zum Besuch des traditionellen St. Katharinenmarktes. Der entstand ursprünglich, um den Milchbauern, Winzern und weiterem Handwerk der umliegenden Dörfer einen zentralen Verkaufsknotenpunkt ihrer Produkte im Tal zu ermöglichen.
Das Verbrüderungskomitee aus Sierre nutzt alljährlich das große Besucheraufkommen, um auf seine Arbeit und die europäische Verständigung aufmerksam zu machen. Jedes Jahr im Wechsel hat dabei eine Partnerstadt die Gelegenheit, sich und seine Stadt vorzustellen: An einem Stand warben diesmal die Schwarzenbeker mit Spezialitäten und Broschüren für Norddeutschland. Bei einem Treffen mit Pierre Berthod, Bürgermeister in Sierre, erhielten die Gäste Einblicke in Verwaltung und Strukturen und konnten sich bei abendlichen Runden vom großen Engagement des Verbrüderungskomitees überzeugen.
Kultur hat sich von Pandemiepause noch nicht erholt
Kritischer fällt Kipkes Bewertung der Kulturarbeit aus: „Die Leute sind nach den Jahren der Pandemie noch zögerlich. Das gilt nicht nur für Schwarzenbek, sondern betrifft selbst Kultureinrichtungen in Großstädten wie Hamburg.“ Schwierig ist es auch, ein hochwertiges Programm auf die Bühne zu bringen: Viele Akteure im Kulturbereich hätten sich in der Phase des Lockdowns umorientiert und die Kulturszene verlassen. Selbst große Produktionen hätten Probleme: Dort fehle es Fachpersonal wie Bühnenbauern oder Beleuchtern.
Zudem seien im Zuge der allgemeinen Teuerung vielfach auch die Eintrittspreise gestiegen, während viele Menschen hingegen in den Sparmodus übergegangen seien. Diese Faktoren sind für Kipke schwerwiegender als das Problem, eine Kulturstätte nach zweijähriger Schließung wiederzubeleben und Besucher zu gewinnen. 2020 hatte die Louisenhof gGmbH, die die städtische Kultureinrichtung betrieb, den Vertrag gekündigt. Nach ausführlichen Beratungen hatten die Politiker entschieden, das Amtsrichterhaus unter städtischer Regie weiter zu betreiben.