Lauenburg. Sie fühlen sich weder ausreichend informiert, noch angehört. Und dann ist auch noch die Hafenstraße in Lauenburg dicht.
Es führt kein Weg dran vorbei: Vom 3. Juli bis 29. September ist die Lauenburger Elbbrücke für den Straßenverkehr voll gesperrt. Die Deutsche Bahn nimmt in dieser Zeit Reparaturarbeiten in Angriff, um das marode Bauwerk zumindest in Teilen zu ertüchtigen. Die Stadt nutzt diese Zeit, um in Teilen der Hafenstraße das Kanalsystem zu sanieren. Damit ist die Bundesstraße in dieser Zeit ebenfalls dicht.
Viele befürchten in diesen drei Monaten einen Verkehrskollaps, der sogar über Lauenburg hinausgeht. Normalerweise passieren rund 10.500 Kraftfahrzeuge sowie 800 Lkw täglich die Brücke. Wenn sich diese Fahrzeugkolonne erst durch das Lauenburger Stadtgebiet und dann bis zur Geesthachter Elbbrücke schiebt, scheint diese Sorge nicht übertrieben. Doch die wohl unvermeidlichen Staus sind nur eine Seite der Medaille. Für viele Lauenburger Betriebe ist die Doppelsperrung in jeder Hinsicht eine Herausforderung. Das betrifft die großen Werke im Industriegebiet, aber auch viele kleine Unternehmen in der Stadt.
Lauenburg: Auf eigene Faust Wegweiser besorgt
Bei Hafenmeisterin Yildiz Frühauf, die auch den Wohnmobilstellplatz an der Lauenburger Marina betreibt, klingelt derzeit das Telefon heiß. „Dass sie gegebenenfalls den Umweg über die Geesthachter Brücke nehmen müssen, haben die meisten Urlauber schon gecheckt. Aber nicht wie sie mich erreichen, wenn nicht über die Hafenstraße“, sagt sie. Sie hat auf eigene Faust zwei Schilder anfertigen lassen: Unter dem Piktogramm eines Wohnmobils zeigt ein Pfeil nach links, auf dem anderen Schild nach rechts. Die Stadt, so wurde ihr inzwischen zugesichert, wird zumindest eines der Schilder an geeigneter Stelle anbringen.
Wenn die Hafenmeisterin den Fahrern der Wohnmobile erklärt, dass sie nur über die Straße Großer Sandberg zu ihrem angemieteten Stellplatz gelangen können, winken viele ab. „Die steile, schmale Kopfsteinpflasterstraße ist eine extreme Herausforderung, die viele scheuen. Noch schlimmer ist es für Skipper, die ihr Boot auf dem Anhänger liegen haben und zur Marina wollen. Dieses Risiko wollen viele nicht eingehen“, weiß sie.
„Mit der Sperrung ist die Saison für uns gelaufen“
Das kann Norbert Urbanowitz nur bestätigen. Er betreibt mit seiner Partnerin Hilka Wanser die Firma Dock2 Marineparts in der Nähe des Bahnhofes. „Zu uns kommen Skipper aus ganz Deutschland und lassen ihre teilweise großen Boote kurzfristig flott machen. Keine Ahnung, wie die uns erreichen sollen. Über den Großen Sandberg jedenfalls nicht. Außerdem haben wir ständig Zulieferverkehr“, sagt der Unternehmer.
Erschwerend komme hinzu, dass Halle und Werkstatt zwar in Lauenburg liegen, der Geschäftssitz mit Büro aber in Hittbergen. „Normalerweise pendle ich oft mehrmals am Tag, ist ja über die Brücke ein Katzensprung. Wenn jetzt die Sperrung von Brücke und Hafenstraße beginnt, ist die Saison für uns gelaufen. Ich rechne mit einem Umsatzverlust von 50 Prozent. Mal sehen, was sich die Bahn dazu einfallen lässt“, sagt er.
Unternehmer vermissen runden Tisch zur Baumaßnahme
Yildiz Frühauf und Norbert Urbanowitz wollen nicht falsch verstanden werden. Sie sind sich einig: Zur Sanierung der Brücke gebe es keine Alternative. Und auch dass die Stadt die Hafenstraße zur gleichen Zeit saniert, sei vernünftig. „Die Kommunikation der Bahn lässt aber zu wünschen übrig. Ich hätte mir gewünscht, dass man uns Unternehmer mal an einen Tisch geholt und mit uns rechtzeitig die Auswirkungen, zum Beispiel die Ausweichstrecken besprochen hätte“, sagt die Hafenmeisterin.
„In diesem Zusammenhang hätte man dann auch über den Zeitpunkt der Maßnahme sprechen müssen“, ergänzt Urbanowitz. So sei zum Beispiel völlig außer Acht gelassen worden, dass Lauenburg in großen Teilen vom Tourismus lebt. „Die Auswirkungen werden nicht nur wir, sondern alle Gastronomen und Beherbergungsbetriebe deutlich zu spüren bekommen“, prophezeit er. Seiner Beobachtung nach sei der Verkehr auf der Brücke in den Sommerferien eher höher als sonst im Jahr. „Die Laster fahren ja sowieso. Zwar sind vielleicht weniger Pendler unterwegs, dafür aber viel mehr Urlauber“, hat er festgestellt.
Mewa verhandelt über Sonderarbeitszeiten
In den großen Unternehmen im Lauenburger Industriegebiet – unweit von Brücke und Hafenstraße – sind die Sorgen nicht kleiner. Die Laster der Mewa liefern mehrmals täglich gereinigte Berufsbekleidung auch nach Niedersachsen aus. „Wenn die Fahrzeuge jetzt den Umweg über Geesthacht machen müssen und womöglich stundenlang im Stau stehen, ist das ein logistisches, aber auch ein wirtschaftliches Problem. Statt um 6 müssen wir dann schon um 4 Uhr los“, sagt Standortleiter Jörg Naegeli. Mit den Mitarbeitern werde derzeit über Sonderarbeitszeiten gesprochen, für die vom Unternehmen Zuschläge gezahlt werden.
Was dem Standortleiter auch Sorgen bereitet: Nicht nur er selbst, sondern auch viele Mitarbeiter der Mewa wohnen auf der anderen Elbseite. „Ich überlege noch, ob ich mit dem Auto bis Hohnstorf fahre und mit dem Fahrrad über die Brücke. Allerdings glaube ich kaum, dass es dort genügend Parkflächen gibt“, sagt der Mewa-Chef. Ob er den Mitarbeitern empfehlen kann, gegebenenfalls mit der Bahn nach Lauenburg zu fahren, wisse er noch nicht. „Ich hoffe, dass Erixx Holstein auf die Situation reagiert und dann mit mindestens einem Waggon mehr die Strecke befährt“, sagt er.
Worlée beklagt mangelnde Kommunikation
Auch bei Worlée rechnet man mit erheblichen Einschränkungen durch die gleichzeitige Sperrung der Brücke und der Hafenstraße. „Diese Maßnahmen haben auf unseren gesamten Produktionsablauf Einfluss. Der Umweg über Geesthacht bedeutet einen großen Zeitverlust. Die Anlieferung der Rohstoffe ist davon ebenso betroffen wie die Auslieferung unserer Produkte“, sagt Unternehmenssprecherin Annika Kunze.
Bei Worlée beklagt man die mangelnde Kommunikation seitens der Bahn. Unterstützung hätte es zu keinem Zeitpunkt gegeben. „Unsere Geschäftsführung hat sich vergeblich bemüht, einen Dialog herzustellen“, so die Sprecherin. Eine Patentlösung für Mitarbeiter, die auf der anderen Elbseite wohnen, hat man bei Worlée nicht. Lediglich einen Parkplatz in Nähe der Brücke konnte das Unternehmen auf Hohnstorfer Seite für die Zeit der Sperrung anmieten.
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Keine zusätzlichen Parkplätze auf Lauenburger Seite
Gute Nerven müssen die Anwohner des Großen Sandbergs haben: Während der Bauarbeiten wird die Zufahrt Richtung Bahnhof über diese Straße umgeleitet. Die Fahrt vom Bahnhof in die Oberstadt wird über die Elbstraße möglich sein. Die Poller bleiben in dieser Zeit dauerhaft abgesenkt.
Pendler, die aus Lauenburg nach Niedersachsen zur Arbeit fahren, sind für die Zeit der Sperrung komplett auf eine Alternative zum Auto angewiesen. Als die Geesthachter Elbbrücke im vergangenen Sommer für mehrere Wochen komplett dicht war, richtete die Stadt zusätzliche Parkplätze in der Nähe ein. „Diese Möglichkeit haben wir in Lauenburg leider nicht“, bedauert Bürgermeister Thorben Brackmann. Für Fragen rund um die Baustelle Hafenstraße hat die Stadt die Mailadresse baustelle@lauenburg.de eingerichtet.