Lauenburg. Normalerweise ist die Baustelle für Außenstehende gesperrt. Für uns wurde eine Ausnahme gemacht. Eine spannende Entdeckungsreise.
Dicht an dicht stehen Baufahrzeuge vor dem künftigen Medienzentrum. Die Frühstückspause der Arbeiter ist gerade vorbei. Einige hieven dicke Kabelrollen von einem Lastwagen, andere verschwinden mit Arbeitsgeräten durch den provisorischen Eingang. Schon am Vormittag ist es heiß, Staub liegt in der flimmernden Luft. Ein älterer Mann steht im Schatten und beobachtet das Geschehen auf der Baustelle. „Im ,Stappenbeck’ habe ich meine Frau kennengelernt. Sie hätte sich gefreut, das zu sehen, war ja immer eine Leseratte“, sagt er leise.
„Kommen Sie rein, hier drinnen ist es kühler“, bittet Stadtarchitektin Martina Wulf-Junge, mit der ich verabredet bin. Sie wirft einen kurzen Blick auf meine Füße. Ja, diesmal habe ich an festes Schuhwerk gedacht. Besser so: Auf dem Boden sind bereits Kabelschächte ausgefräst, Materialien liegen dort, wo sie später gebraucht werden. Es riecht nach frischem Holz, Staub und Eisen. Von irgendwoher dröhnt laute Musik, doch die Ballermann-Mucke scheint niemanden zu stören. Auf den ersten Blick könnte meinen, alle wuseln wild durcheinander. Doch Martina Wulf-Junge ist zufrieden. Es läuft nach Plan.
Jetzt wird die Gebäudetechnik eingebaut
Die Baubesprechung am Dienstagvormittag ist für die Stadtarchitektin ein fester Termin. Heute geht sie Projektleiterin Birgit Torgan die Abläufe der nächsten Tage durch. Die Firma Winter Ingenieure aus Hamburg ist für die gesamte Gebäudetechnik im Objekt verantwortlich. „Wir kümmern uns darum, dass niemand frieren oder schwitzen muss, dass Strom aus der Steckdose kommt und Wasser aus der Leitung. Und darum, dass das Internet funktioniert“, fasst die Elektroingenieurin zusammen. „Schreiben Sie mal auf: Die Chefin hat alles im Griff!“, ruft jemand lachend.
Ein halbes Jahr ist seit meinem letzten Besuch auf der Baustelle vergangen. Schon von außen habe ich gesehen, dass seitdem einiges passiert ist. Das Dach des Neubauteils ist gedeckt. Baugerüste geben den Blick auf die ziegelrote Fassade teilweise frei. Man muss schon genau hinschauen, um zu erkennen, wo der ehemalige Festsaal endet und der neue Mittelteil in das alte Gasthaus übergeht.
Das „Stappenbeck“ steht nicht unter Denkmalschutz
Im Inneren ist der Baufortschritt noch deutlicher zu sehen. Die Trockenbauer haben ganze Arbeit geleistet, die künftige Raumstruktur ist bereits erkennbar. Die kleine Bühne für Lesungen oder andere Aufführungen ist schon verkleidet. „Der Kinder- und Jugendbereich darüber kann später auch durch einen Aufzug erreicht werden“, erklärt Martina Wulf-Junge, während wir uns über die noch unverkleidete Treppe an Baumaterialien vorbei zwängen.
Was für ein Ausblick! Ich habe das Gefühl, aus der Loge auf eine große Theaterbühne zu schauen. Jetzt sieht man deutlich, worin das Konzept des Hamburger Planungsbüros KBNK Architekten besteht: Möglichst viel vom Charme des ehemaligen Festsaales zu erhalten. Die Deckenstruktur bleibt erhalten, ebenso die charakteristischen Balken. Die neuen Fenster sind den originalen nachempfunden. Hier haben die Planer Fingerspitzengefühl bewiesen, denn sie hatten eigentlich viel Freiraum. Das Gasthaus Stappenbeck mit dem Festsaal steht nicht auf der Denkmalliste des Landes.
Und es geht noch höher hinaus
Die Wände im künftigen Hauptraum der Bücherei werden in Kürze verkleidet. Dann werden die Befestigungsbalken für die großen Regale montiert. Dazwischen bleibt Platz für gemütliche Sitzecken im Loungestil. Der große Saal ist ja schon beeindruckend. Ich staune allerdings, wie viel Platz es in den schon erkennbaren Nebenräumen gibt. „Das hier wird der Makerspace“, sagt Martina Wulf-Junge und zeigt auf einen großzügigen Bereich in der zweiten Ebene. Ein Makerspace ist eine offene Werkstatt, in der für Benutzer unter anderem digitale Werkzeuge, wie Lasercutter oder 3D-Drucker bereitstehen.
Es geht noch höher hinaus. Über eine schmale Bautreppe erklimmen wir das Dachgeschoss. „Auch hier führt später ein Aufzug hoch. Das Medienzentrum ist in allen Ebenen auch für Rollstuhlfahrer erreichbar“, versichert die Stadtarchitektin. Wahrscheinlich hat sie meinen fragenden Blick gesehen. Schade, das uralte Gebälk wird hier noch verkleidet, erfahre ich. Ein Teil der Holzkonstruktion soll aber aufgearbeitet und sichtbar bleiben.
Hier wird das Lauenburger Stadtarchiv seinen Platz finden, sozusagen als Gegenstück zu den digitalen Angeboten. Die Schienen für die schweren Rollregale sind schon montiert. Historische Dokumente, Akten und andere Zeugen der Stadtgeschichte finden hier unter optimalen Raumbedingungen ihren Platz. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich vorzustellen, hier in den Annalen der alten Schifferstadt zu stöbern. Ein Lesebereich schafft die nötige Ruhe dazu.
Stadt hat Betrieb des Lesecafés ausgeschrieben
Wir sind fast am Ende mit der Führung über die Baustelle. Jetzt noch bei einem Kaffee schnacken! Leider wartet auf uns beide schon unser nächster Termin. Nach Fertigstellung des Medienzentrums müssten wir für einen Kaffee nicht mal außer Haus. In der ehemaligen Gaststätte Stappenbeck wird nämlich ein öffentliches Café eingerichtet. Das ist über den Verbindungsteil erreichbar, erhält aber auch einen separaten Eingang.
„Hier kann man gemütlich lesen oder nach dem Einkaufsbummel einkehren, ohne die Bücherei besucht zu haben“, schwärmt Martina-Wulf-Junge. Die Stadt will diese gastronomische Fläche verpachten. Die Ausschreibung ist bereits abgeschlossen. Spannend, wer den Zuschlag erhalten wird. „Es gibt einige interessante Konzepte, wir stehen aber noch in Vertragsverhandlungen“, sagt Bürgermeister Thorben Brackmann.
- Elbbrücke drei Monate dicht: Droht jetzt der Verkehrskollaps?
- Leborker Ring: Baugebiet in Rekordzeit erschlossen
- Neues Kletterparadies an der Elbe für Schwindelfreie
Einweihung des Medienzentrums im Herbst geplant
Kein Geheimnis ist es dagegen, werden die Außenanlagen des Medienzentrums plant. Ein Architekturwettbewerb hatte Ende 2021 spannende Entwürfe hervorgebracht. Die Idee des Berliner Büros Plateau Landschaftsarchitekten überzeugte die Jury am meisten. Nach deren Vorstellungen ist der sogenannte Lesegarten in einen öffentlichen und einen halböffentlichen Raum geteilt. In dem von der Bücherei zugänglichen Bereich sind verschiedene Pflanzinseln, kombiniert mit Sitzmöglichen vorgesehen. Hier greifen die Planer die Idee des sogenannten Urban Gardening (städtisches Gärtnern) auf. Die mögliche Nutzung: Mitten im Zentrum pflanzen Lauenburger jedes Alters gemeinsam Salat, ernten Radieschen oder säen Blumen aus.
Bleibt es bei der geplanten Einweihung im Spätsommer oder Herbst dieses Jahres? Erfahrungsgemäß sind Planer immer sehr zurückhaltend, wenn wir Journalisten nach der Fertigstellung fragen. Doch Martina Wulf-Junge ist überzeugt: „Wir halten den Termin.“ Und dann zitiert sie lachend den ehemaligen Lauenburger Bauamtsleiter Reinhard Nieberg: „Der Herbst endet schließlich erst am 21. Dezember.“