Lauenburg. Das schwimmende Labor, das fürs Helmholtz-Zentrum Hereon fahren wird, bekommt Wasser unterm Kiel. Antriebstechnologie ist wegweisend.
Viel Zeit ist nicht mehr, und das neue Forschungsschiff des Geesthachter Helmholtz-Zentrums Hereon wird zum ersten Mal Wasser unter den Kiel bekommen. Feierlicher Stapelhub der „Coriolis“ auf der Hitzler-Werft in Lauenburg ist am 31. August um 14 Uhr. Am Dienstag wurde der Schriftzug für den Namen am Heck abgesegnet. Unter „Coriolis“ steht als Zusatz der Name des Heimathafens. Das ist Hamburg, hier wird es ins Seeschifffahrtsregister eingetragen.
Für das Ereignis rollen aus Lüneburg zur Unterstützung der werfteigenen Kräne von einer Fachfirma zwei große Autokräne an. Sie fahren am Donnerstagmorgen los, werden gegen Abend auf dem Werftgelände erwartet. Wegen ihres Gewichtes können sie nicht die Wehrbrücke bei Geesthacht im Verlauf der B404 passieren, sondern müssen den Umweg über die Autobahn-Elbbrücken bei Hamburg nehmen. Die Sperrung der B209 wird bei der Schleuse exklusiv für die Kolosse bis zur Zufahrt zur Werft aufgehoben.
„Coriolis“: Geesthachts neues Super-Forschungsschiff wird im Wasser weitergebaut
Nach dem Umheben des rund 30 Meter langen und acht Meter breiten Schiffes geht es im Wasserbecken neben dem alten Stellplatz wettergeschützt mit Blick auf die Lauenburger Altstadt weiter. Aber dafür werden die Arbeiter keinen Blick haben, als letztes feierliches Ereignis nach Kiellegung im März und jetzt dem Stapellauf soll das Projekt mit der Taufe im April oder Mai kommenden Jahres seinen Abschluss finden. Sie haben bis dahin mit den letzten Aufbauten – unter anderem fehlt die Brücke – und dem Innenausbau weiterhin reichlich zu tun.
Auch die wissenschaftlichen Geräte müssen zum Finale platziert werden. Auf einer Fläche von 40 Quadratmetern beherbergt das Schiff später je ein Nass-, Trocken- und E-Labor sowie ein Labor für die Wasserstoffforschung. Besonders innovativ ist der Wasserstoffantrieb, der während der Fahrt an Bord erprobt wird und das Schiff in diesen Phasen völlig emissionsfrei fahren lässt.
„Coriolis“: 1000 Liter Spezialfarbe fürs Super-Forschungsschiff
Auch der Dieselmotor ist durch eine am Hereon gefertigte spezielle Membran weniger klimaschädlich als übliche Schiffsmotoren. Die „Coriolis“ verfügt weltweit über das erste Antriebssystem mit einem Elektromotor, der mit Diesel, über eine Batterie oder direkt durch Wasserstoff betrieben werden kann. Die gewonnenen Erfahrungswerte könnten langfristig den Weg zu einer grüneren Schifffahrt bereiten, so die Hoffnungen.
In Sichtweite des Bugs lagert auf der Hitzler-Werft in fünf Kisten, was in den Tagen bis zum Stapellauf vordringlich erledigt werden muss: Etwa 1000 Liter Spezialfarbe, abgefüllt in verschieden Dosengrößen, stehen bereit, um vermalt zu werden. Schließlich muss die Farbe vor dem Wasserkontakt auch noch trocknen.
„Coriolis“: Graue Flächen sollen Reflexionen verhindern
Aufgetragen wird in fünf Schichten. Eine erste, noch graue Nano-Beschichtung ist bereits drauf. Es folgen drei Grundierungen und der Endanstrich. Zwei Teams à drei Maler teilen sich die Aufgabe, eines arbeitet im oberen Bereich, ein weiteres Trio unten. Es sind fachlich spezialisierte Maler und Lackierer aus dem Schiffbaubereich.
Die Farbgebung sieht für die Außenbereiche über dem Wasser Hereon-Blau vor mit dem in Weiß abgesetzten Schiffsnamen. Das Unterwasserschiff wird schwarz, die Hebezeuge sind gelb, das Arbeitsdeck besteht aus Holz. Die Aufbauten sind im Wesentlichen ebenfalls weiß, für Bereiche, wo Reflexionen die Crew auf der Brücke blenden und irritieren könnte, ist grau vorgesehen.
Nach drei Jahren gibt es die erste Kontrolle des Unterwasserschiffes
Nach drei Jahren wird das Schiff wieder aus dem Wasser gehievt zur ersten Kontrolle des Unterbodens. Der Rumpf wird sorgfältig abgewaschen, um zu sehen, wo gegebenenfalls Farbe nachgebessert werden müsste. Durch Rost würde die Stahldicke schwinden, je nach Position der Stahlplatten beträgt sie acht bis zwölf Millimeter. Auch Abrieb durch Eis auf der Elbe, Nord- und Ostsee kann einen Einfluss darauf haben.
„Die Lebenserwartung liegt bei mindestens 30 Jahren“, sagt Volker Dzaak, der Projektleiter des Hereon, „und es kann sein, dass wir die Farbe noch mal wechseln.“ Dann nämlich, wenn in Zukunft neue, bessere Farbstoffe verfügbar seien. Beim Vorgängerschiff „Ludwig Prandtl“ sei die Frequenz gewesen, das Schiff alle drei Jahre außerhalb des Wassers zu begutachten.
Für die Tankprüfung funktioniert nach dem „Fahrradschlauch-Prinzip“
Verwendet für den Bau wurde ausschließlich neuer Stahl, die Platten wurden von der Ostseestaal GmbH & Co. KG, einem Spezialunternehmen aus Stralsund, in Form gebogen. Gut erhaltene ältere Platten, wie sie je nach Bedarf zur Wiederverwendung auf der Werft eingelagert sind, würden vorwiegend bei schwimmenden Objekten mit Pontoncharakter wie zum Beispiel der Forschungsplattform in Tesperhude verwendet, erklärt Geschäftsführer Kai Klimenko von der Hitzler-Werft.
Bis die „Coriolis“ bunter werden kann, laufen noch einige Vorarbeiten. An den Bullaugen werden Grate entfernt, die Schweißnähte geschliffen und überprüft, Tanks auf ihre Dichtheit gecheckt. Dabei wird ein sehr ähnliches Verfahren verwendet, wie es viele vom Reparieren eines Fahrradschlauches kennen. Der Tank wird unter Hochdruck gesetzt, Seifenlauge an der Außenfläche würde durch die Bildung von Bläschen ein Loch entlarven, sofern denn Luft austritt.
Risse verraten sich durch ein magnetisches Streufeld
Bei den Qualitätskontrollen wird generell auf zerstörungsfreie Überprüfungen gesetzt. Die Dickemessung des Stahl etwa funktioniert mit Ultraschall „auf den Mikrometer genau“, erklärt Volker Dzaak. Im Einsatz sind zudem Röntgentechnik für das Aufspüren von Rissen an Schweißnähten und das Magnetpulver-Verfahren, das zum Nachweis von Schädigungen bei Außenhautdurchlässen wie Ansaugstutzen erste Wahl ist.
Hierbei wird ein Bereich magnetisiert. Risse würden sich anschließend durch die Bildung eines magnetischen Streufeldes verraten. „Die Wahrscheinlichkeit, dass man eine sehr große Leckage hat, ist nahezu verschwindend gering“, sagt Kai Klimenko.
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Veranschlagt für den Bau des Schiffes wurden 15 Millionen, rund 13,5 Millionen Euro wurden 2020 als Zuschuss vom Haushaltsauschuss des Bundestages bewilligt. Wegen eines Tiefganges 1,6 Metern ist die „Coriolis“ vielseitig einsetzbar sowohl in Flüssen als auch auf hoher See.
Gut möglich, dass es beim Anheben des Schiffes beim Stapelhub leise klimpern wird. Dann ist die Münze, die bei der Kiellegung aus alter Tradition unter den Rumpfgelegt wurde, von der Aufbockung heruntergefallen. Sie soll als Andenken auf der Hitzler-Werft verbleiben.