Geesthacht. Wissenschaftlerin vom Helmholtz-Zentrum Hereon will Hitzewellen im Meer untersuchen. Wo sich die Klimaerwärmung besonders zeigt.

Forschung unter vollen Segeln: Erstmals geht mit Ann-Cathrin Rohrweber eine Wissenschaftlerin aus dem Geesthachter Helmholtz-Zentrum Hereon an Bord der „Dagmar Aaen“ von Kapitän Arved Fuchs. Ihre Reise beginnt am 17. Juli mit der Anreise nach Egersund in Südnorwegen.

Die Ausrüstung ist karg. Dabei hat sie nur einen Seesack mit persönlichen Sachen, das wissenschaftliche Equipment ist schon an Bord. Auch das ist überschaubar. Es besteht aus einer an Bord festgelaschten kleinen Metallbox mit 42 Flaschen. Sie werden bis zum Ende der Reise gefüllt sein mit jeweils 300 Millimetern Meerwasser von der Nordküste Schottlands bis zur Irischen See, geschöpft aus unterschiedlichen Tiefen mit einer 2,5 Liter Flache. Ziel: Weiteren Folgen des Klimawandels auf die Spur zu kommen. Die Auswertung erfolgt später im Labor.

Das Meer vor Nordschottland ist extrem warm

Die „Dagmar Aaen“ von Arved Fuchs unter vollen Segeln. Das Schiff wurde 1931 als Fischkutter für den Einsatz im Nordmeer gebaut.
Die „Dagmar Aaen“ von Arved Fuchs unter vollen Segeln. Das Schiff wurde 1931 als Fischkutter für den Einsatz im Nordmeer gebaut. © Arved Fuchs | Arved Fuchs

„Genommen werden Oberflächenwasserproben, aus denen wir dann Werte zum Kohlenstoffkreislauf bestimmen, darüber können wie sagen, wo das Wasser herkommt, zum Beispiel aus dem offenen Atlantik oder küstennah aus der irischen See“, erklärt Ann-Cathrin Rohrweber. Über die Ergebnisse lässt sich die Strömung kartieren.

„Was für uns besonders spannend ist, sind die Marine Heatwaves“, berichtet die Forscherin. Das sind Hitzewellen im Meer, die sich gerade vor Ort ausgeprägt zeigen. „Rund um Schottland ist es gerade fünf Grad wärmer als normal. Das ist schon extrem“, sagt Ann-Cathrin Rohrweber. „Dass sie gerade häufiger werden, deutet sich an.“ 16 Grad wären im Nordatlantik normalerweise zu erwarten.

Die Dauer der Reise richtet sich auch nach dem Wind

Die Proben, die sie nimmt, ergänzen die Doktorarbeit einer Kollegin. „Wir waren mit anderen Forschungsschiffen in der Nordsee, der Bereich der Irischen See ist ganz neu“, sagt Ann-Cathrin Rohrweber. Die Flaschen werden Anfang September in Flensburg abgeholt und ins Labor gebracht, wenn das Schiff zurück ist im Heimathafen.

„Ich bleibe ungefähr vier Wochen an Bord“, erzählt Ann-Cathrin Rohrweber. Der genaue Zeitpunkt, das Abmustern – vermutlich im Bereich Nordschottland – hängt auch vom Wetter ab. Und eben davon, wie der Wind weht. Schließlich handelt es sich um kein normales Forschungsschiff.

Aufgaben von der Forschung bis zum Essenschnippeln

Voller Einsatz für die Wissenschaft – und das Segeln. Ann-Cathrin Rohrweber vom Hereon träumte immer schon davon, die Leidenschaft für das Segeln mal mit einer Forschungsreise verbinden zu können. Die Fahrt auf der „Dagmar Aaen“ in die Irische See kommt ihr da gerade recht. Auf dem Bild allerdings hat sie in luftiger Höhe auf dem schwedischen Dreimaster „Götheborg“ zu tun.
Voller Einsatz für die Wissenschaft – und das Segeln. Ann-Cathrin Rohrweber vom Hereon träumte immer schon davon, die Leidenschaft für das Segeln mal mit einer Forschungsreise verbinden zu können. Die Fahrt auf der „Dagmar Aaen“ in die Irische See kommt ihr da gerade recht. Auf dem Bild allerdings hat sie in luftiger Höhe auf dem schwedischen Dreimaster „Götheborg“ zu tun. © Linda Åkerberg | Linda Åkerberg

Die „Dagmar Aaen“ ist ein ehemaliger Fischkutter, gebaut 1931 in Esbjerg für den Einsatz im Nordatlantik. Arved Fuchs gehört der Segler seit 1988, der bekannte Abenteurer ließ es zu einem Expeditionsschiff mit zusätzlicher Eisverstärkung umbauen. Die Ausrüstung muss auch deswegen so minimalistisch sein, weil das Schiff klein ist. Die Rumpflänge beträgt knapp 18 Meter, die Breite 4,80 Meter bei einer Segelfläche von 220 Quadratmetern.

Zehn Leute inklusive Koch, Kapitän und Wissenschaftlern im Alter von 18 bis über 70 Jahren segeln mit. Ann-Cathrin Rohrweber hat bereits eine Überführungsfahrt mitgemacht von Flensburg nach Kiel. „Es sind einfach nette Leute, eine tolle Bordgemeinschaft. Es ist schon wichtig, dass man auf vielen Positionen aushelfen kann. Ich nehme zwar Proben, werde aber genauso beim Essenschnippeln helfen, das Schiff putzen, Segelmanöver durchführen und am Ruder stehen“, sagt sie.

Segler-Virus stammt von einem Lehrer in Franken

Zudem verfügt Ann-Cathrin Rohrweber über fundiertes Fachwissen in Segelschiffstechnik: Sie ist Mitglied im Verein Segelschiff Thor Heyerdahl in Kiel und hat generell ein Faible für Großsegler. Für das Hamburger Museumsschiff Peking, einem Viermaster, hat sie bei der Restaurierung bei den Takelarbeiten mitgemacht. In den Schoß gelegt wurde ihr die Liebe zur See nicht. Sie stammt aus dem Raum Nürnberg, setzte erst anlässlich des Studiums in Hamburg erstmals einen Fuß auf ein Segelschiff. Das war allerdings kein Zufall: Einer ihrer Lehrer hatte in Franken von Großseglern geschwärmt und die damalige Schülerin mit dem Segler-Virus infiziert.

Arved Fuchs, Polarforscher und Buchautor, auf seinem Schiff
Arved Fuchs, Polarforscher und Buchautor, auf seinem Schiff "Dagmar Aaen" © dpa | Bernd Wüstneck

„Arved Fuchs ist immer auf der Suche nach Wissenschaftlern, die Daten zum Klimawandeln sammeln. Er hat die Veränderungen in der Arktis selbst erlebt, wie das Eis dort schmilzt“, erzählt Ann-Cathrin Rohrweber. Arved Fuchs habe den Schulterschluss gesucht zur Wissenschaft und möchte mit seinem Namen und seiner Bekanntheit dafür sorgen, dass darüber noch mehr wachgerüttelt wird“, erklärt sie.

Die Crewmitglieder sind ehrenamtlich an Bord

Der Bordalltag wird über den Hauptsponsor von Arved Fuchs bestritten, die Crewmitglieder sind ehrenamtlich an Bord. Verpflegung wird gestellt. Nur die eigene Ausrüstung muss jeder selber mitbringen sowie die An- und Abreise bezahlen. „In meinem Fall ist es eine Dienstreise“, sagt Ann-Cathrin Rohrweber.

Geplant hatte sie das ursprünglich so nicht. Zunächst ging es Ann-Cathrin Rohrweber um das Segelerlebnis, sie hatte sich für die Fahrt in die Irische See als Crewmitglied bewerben wollen. „Dann wurde festgestellt, dass die vorgestellte Reise sehr gut übereinstimmt mit dem, was wir hier am Hereon noch an Proben brauchten“, erzählt sie. Sie schickte zur Bewerbung ein kleines Anschreiben an Arved Fuchs, in dem unter anderem stand, „dass ich auch den Kochlöffel schwingen kann in der Kombüse“, erzählt sie.

Das Hereon wäre sehr gern weiter auf dem Segler vertreten

Und eben auch von den Experimenten. „,Klar, super, das kriegen wir hin’, hat Arved Fuchs da geantwortet. Er ist völlig offen bei allem, was sich bei dem begrenzten Platz umsetzen lässt.“ Auf ihre eigene Forschung für die Doktorarbeit muss Ann-Cathrin Rohrweber auf dieser Reise verzichten. Die Geowissenschaftlerin benötigt einen Kühlschrank für ihre Proben, und den gibt es an Bord nicht. Bei ihr geht es darum, wie man Kohlenstoffdioxid umweltverträglich im Meer speichern kann.

„Wenn es sich anbietet, wären wir als Hereon sehr gern weiter vertreten“, sagt Ann-Cathrin Rohrweber zu ihrer Forschungsreise unter Segeln. Große Institute wie das Geomar (Kiel), das Alfred-Wegener-Institut (Bremerhaven) und das IOW (Warnemüde) stechen schon länger mit dem Wind in See. „Man bleibt der Schiffsfamilie treu, wenn man einmal hineingefunden hat. Ich werde der ,Dagmar Aaen’ auf jeden Fall persönlich weiter treu bleiben“, verspricht Ann-Cathrin Rohrweber. „Ich habe immer gedacht, es wäre eigentlich schön, wenn ich die Forschung und das Segeln mal verbinden könnte.“

Die Seite der Expedition mit allen Infos und Logbuch-Einträge finden Interessierte unter www.arved-fuchs.de/de/ocean-change-2023 Das Schiff lässt sich verfolgen auf beluga.geomar.de/ocean-change-2023.