Geesthacht. Die recht kleine Amphibie steht auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Warum die Bestände nun auch in Geesthacht eingebrochen sind.
Für eine Amphibie ist die Knoblauchkröte recht wasserscheu. Eigentlich sucht der hellbraune Lurch ein Gewässer nur zur Laichablage auf. Erwachsene Tiere verbringen ihre Zeit lieber an Land. Sandige Böden haben sie gern, wie es sie in Geesthacht und dem Umland früher reichlich gab. Die Kröten mögen es, sich einzugraben.
Eine Lebensweise, die ihnen nun auch in Geesthacht zum Verhängnis wird. Die Stadt wächst, die Baugebiete sprießen, Flächen werden versiegelt. Besonders die Vernichtung der Äcker im Zuge des Ausbaus der Industriegebiete an Mercatorstraße und Leibnizstraße sowie des Neubaugebietes Finkenweg-Nord hat im großen Stil Lebensraum gekostet. Die Bestände des Tieres, das in Deutschland auf der Roten Liste gefährdeter Arten geführt wird, brechen vor Ort stark ein.
So stark, dass die nun seltene Amphibie an der Grenze zum Verschwinden ist. Geesthacht galt landesweit als Knoblauchkröten-Paradies wie nirgendwo sonst. „Früher haben wir 70 bis 80 Kröten im Frühjahr gezählt“, berichtet Harald Schneider, Amphibienexperte vom Geesthachter Nabu. Zuletzt waren es nur noch sechs.
Damit wenigstens dieser geschrumpfte Bestand eine Zukunft hat, haben Nabu, Fachdienst Umwelt, Abwasserbetrieb und Geestra-Bau nun einen Pakt geschlossen. Herzstück des Überlebenskampfes der Knoblauchkröte ist das Regenwasserrückhaltebecken beim Kreisel an der Mercatorstraße. Hier finden sich neben anderen Amphibien wie Laubfrosch, Teichfrosch, Grasfrosch, Moorfrosch, Kamm- und Teichmolch auch die letzten verbliebenen Exemplare dieser Krötenart ein.
Die Dürre verhindert die Larven-Entwicklung
Und als ob die schwer angeschlagene Population nicht schon genug Probleme mit expandierender Infrastruktur und Verkehrsdichte hat, ist die Dürre drauf und dran, ihr den Rest zu geben. „Das Becken hier hat immer dauerhaft Wasser geführt. Seit einigen Jahren ist es aber so, dass es in den Trockenperioden vollständig verschwindet“, berichtet Ulrike Stüber vom Fachdienst Umwelt.
Und das ist ein weiteres gewaltiges Problem für die Knoblauchkröte. Ihr Nachwuchs braucht Zeit bis Juli, um zum erwachsenen Tier zu reifen. Bis 2018 unterschritt der Wasserstand nie 20 Zentimeter. Dann aber kamen die Trockenheitsphasen. In Wochen ohne Regen ging dem Becken das Nass aus, bevor die Entwicklung abgeschlossen war. „Deswegen haben wir uns irgendwann getroffen und Gedanken gemacht, ob wir eine Lösung finden können“, sagt Ingo Gosch von den Abwasserbetrieben.
Aus dem Becken verdunsten gewaltige Mengen
Das Prinzip in Geesthacht, Regenwasser abzuleiten, basiert auf einem Mulden-Rigolen-System, es umfasst „bestimmt 25 Kilometer“, schätzt Ingo Gosch. Das Regenwasser versickert zunächst in Kuhlen, nur überschüssiges Wasser landet in Regenrückhaltebecken. „Wir haben in Geesthacht insgesamt 26, hier oben im Gewerbegebiet sind es neun“, erklärt Ingo Gosch. Neun weitere sind am Zöllnersweg entstanden.
Zunächst wurde untersucht, warum das Wasser verschwindet. Bodenuntersuchungen zeigen: Das Becken liegt auf einer fast einen Meter dicken, wasserundurchlässigen Tonschicht. So versickert zwar kein Nass nach unten, „aber es verdunsten gewaltige, ungeheure Mengen“, erklärt Ingo Gosch. Die Fläche ist 6500 Quadratmeter groß, grob gerechnet verflüchtigen sich bei schönem Wetter fünf Liter Wasser – pro Tag und Quadratmeter.
Die Lösung ist simpel. Das Regenrückhaltebecken wurde zum Jahresbeginn an einer Stelle einfach ein bisschen tiefer ausgehoben. Die Gelegenheit war günstig, der Böschungsbereich war etwas abgesackt. „So hatten wir nach dem Ausgraben gleich das Material zum Ausbessern dieser Stelle. Das war praktisch, wir mussten nichts herankarren“, sagt Carsten Gaigalat von Geestra-Bau.
Und der Bagger rollte vom Neubaugebiet Finkenweg-Nord auf dem Weg ins Winterlager an, „alles war für die Stadt völlig kostenneutral“, erläutert Carsten Gaigalat. „Das Risiko lag darin, dass man die Tonschicht nicht durchstößt, das wäre so gewesen, als ob man einen Stöpsel gezogen hätte“, ergänzt Ulrike Stüber.
Das neue Notwasserreservoir umfasst 80 Quadratmeter bei 1,50 Meter Tiefe. Ende Juni führte es als einzige Stelle im Becken noch Wasser. In dem trüben Tümpel wurden zwei Larven der Knoblauchkröte gesichtet. Jetzt soll beobachtet werden, ob die Vertiefung ausreicht. Eventuell kommen noch weitere Vertiefungen hinzu.
Zudem wurde das Areal mit einem Zaun ausgestattet, der verhindert, dass die im Frühjahr am Krötenschutzzaun eingesammelten Tiere über die Straßen zurückwandern. Sie sollen ihren neuen Lebensraum im Hinterland des Beckens finden, das mit freien Flächen und kleinen Steinhaufen heimelig umgestaltet wurde.
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„Die ganze Ecke ist, was Amphibien angeht, außerordentlich wertvoll“, sagt Harald Schneider. Er appelliert an die Anwohner, Anlagen naturnäher gestalten. „Bei allen, die in der Oberstadt ein bisschen Sand im Garten lassen, könnte sich auch eine Knoblauchkröten einfinden.“