Geesthacht. Axel Funke war baff: Plötzlich lief ihm und Hündin Ginny in den Besenhorster Sandbergen ein Wolf über den Weg. Wie reagieren?
- Axel Funke geht öfter mit Hüdnin Ginny im Bunkerwald spazieren. Dort traf er jetzt auf einen Wolf
- Was für ihn eine einmalige Begegnung war, ist ein paar Meter weiter ein Grund zur Sorge
- Die Betreiber eines Ponyhofes sind alarmiert
Axel Funke ist oft in der Natur unterwegs. Der Geesthachter ist Hundebesitzer, zudem Sportwart des Angelvereins Geesthacht. Über die Jahre kommen da einige bemerkenswerte Begegnungen mit Wildtieren zusammen. „Einmal hatte sich beim Angeln ein Steinmarder direkt vor meinen Füßen niedergelegt“, erzählt er. Aber so etwas wie am Dienstag hat er noch nie erlebt. Er ist am 2. Mai nachmittags mit Hündin Ginny im Bunkerwald in den Besenhorster Sandbergen unterwegs. Etwas raschelt, er blickt nach links – und ist baff. Bei einer kleinen Birkengruppe, „keine 20 Meter vom Weg entfernt“, streift unvermittelt ein Wolf durchs Gebüsch.
Angst hat Axel Funke nicht. Im Gegenteil: „Ich hatte alle Hände voll zu tun“, sagt er. Axel Funke nestelt in aller Eile das Handy für ein Foto aus der Hosentasche, kämpft mit dem Fingerabdrucksensor für die Entsperrung und muss nebenbei auch noch die aufgeregte Ginny zur Räson bringen. Die kleine Hündin kann den Wolf zwar nicht sehen – dafür steht die Vegetation am Wegesrand schon zu hoch –, aber der Wind kommt aus dem Süden und bläst ihr den Wolfsgeruch direkt in die Nase.
Geesthacht: Eine Stunde später am Knollgraben zweite Sichtung
Das alles zieht sich. Zu lange. Als Axel Funke die Handykamera schließlich schussbereit hat, ist der Wolf schon wieder verschwunden. Sieben Sekunden etwa dauert die ganze Aktion. Axel Funke schlägt die gleiche Richtung wie das Raubtier ein, hofft, vielleicht doch noch einmal einen Blick auf den Wolf zu erhaschen.
Aber erst eine Stunde später in der Nähe des Knollgrabens bei der Landesgrenze nach Hamburg sichtet er ihn erneut. „Wieder sehr überraschend und nur ganz kurz“, schildert Axel Funke die Situation. Und diesmal war der Wolf viel weiter weg. Etwa 50 Meter entfernt schnürte er auf einem Trampelpfad einen Zaun entlang.
Der Wolf sah sehr dünn aus – ist er ausgehungert?
Es gibt gute Unterschlupfmöglichkeiten in Besenhorst, viele Rehe. Ein erwachsener Wolf sollte pro Tag etwa drei bis vier Kilo Fleisch vertilgen. Trotzdem schien der Wolf nicht in Form zu sein. Axel Funke kommt er zu dünn vor. Wieder zu Hause schreibt er deshalb zur Information für andere Hundebesitzer und Spaziergänger auf dem Internetportal Facebook von der Sichtung eines ausgehungerten Wolfes.
Umweltbehörde bestätigt- Wolf streift durch Hamburg
Möglicherweise handelt es sich auch um einen Jungwolf, der sich auf der kräftezehrenden Wanderschaft befindet. Wölfe auf dieser Seite der Elbe gelten bei Experten als Durchzügler weiter Richtung Norden, um sich ein Revier zu suchen. Auch in einer Facebook-Gruppe aus den Vier- und Marschlanden wurde zeitgleich über eine Wolfssichtung in Altengamme diskutiert. Die Region um Geesthacht ist als dauerhafter Lebensraum für Wölfe nicht geeignet, weil die Waldgebiete zu klein und immer wieder durchschnitten sind von Straßen und Ansiedlungen.
Bei der Sichtung schrillen ein Stück weiter östlich die Alarmglocken
Bei der Nachricht über die Wolfssichtung am Knollgraben schrillen bei Elke Fritzsche-O’Connell die Alarmglocken. Denn ein kurzes Stück weiter östlich hat die Tierschützerin ihr Pachtland. In ihrem „Shettychat“ lernen Kinder tiergestützt auf spielerische Art Englisch mit Ponys und Pferden.
Auf der Fläche leben „zehn Rinder, drei Pferde und drei Ponys, vier Ziegen, zwei Kaninchen, drei Laufenten und zwei Hunde“, zählt sie auf. Mit ihrem Verpächter, einem Landwirt, hat sie früher schon mal über Wölfe gesprochen. „Bei einzelnen Exemplaren bin ich nicht so beunruhigt“, sagt sie. „Der Verpächter meinte, wir liegen zu nah am Wohngebiet“.
Keine Schutzmaßnahmen gegen räuberische Eindringlinge in Lebenshof
Viele Schutzmaßnahmen gibt es nicht. Das größte Raubtier in der Nachbarschaft ist bisher ein Fuchs, „doch der ist scheu“, hat Elke Fritzsche-O’Connell beobachtet. Ihre Tiere werden nachts nicht aufgestallt. Die Zäune um das Außengelände stehen zwar unter Strom, der mittels Solarpaneelen erzeugt wird, aber ob die einen beherzten Wolf abhalten?
Zusätzlich gibt es noch eine Anlage, die Töne in einem hohen, für Menschen nicht hörbaren Frequenzbereich erzeugt. Die fiesen Klänge sollen Raubtiere abschrecken. Elke Fritzsche-O’Connell hat aber Bedenken, sie in Betrieb zu nehmen. Schließlich müssten ihre Tiere und andere Wildtiere die Töne dann ja auch ertragen. „Mehr als wir hier haben, können wir gar nicht machen“, sagt sie. Ein Aufrüstung hätte mit enormen Kosten zu tun.
Die Herdendynamik der Rinder soll vor Wolfsangriffen schützen
„Man kann nicht 24 Stunden auf seine Tiere aufpassen, das ist illusorisch“, meint Elke Fritzsche-O’Connell. Sie hofft, dass die Herdendynamik funktioniert. „Die Rinder wiegen bis zu 900 Kilo, die bilden bei einem Angriff eine geschlossene Mauer, die Pferde sind auch wehrhaft. Bei den Ponys und Ziegen ist das eine andere Sache“, sagt sie.
Immerhin kommen die Ponys nachts zu den Pferden auf die Koppel. Ein vor dem Krieg geflüchteter Ukrainer, den sie aufgenommen hat, wundere sich über das Problem, das die Deutschen aus der Rückkehr der Wölfe und anderer Raubtiere machten, sagt sie. In der Ukraine gehörten Bären und Wölfe zur Natur dazu. Auch Elke Fritzsche-O’Connell hat nichts gegen Wölfe.
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„Die Begegnungen werden häufiger werden“, meint der Biologe Friedhelm Ringe vom Geesthachter Nabu. Von einem Wolf im Bunkerwald hat er zuvor noch nie gehört. Ringe ist auch Mitglied der Rindergilde, die ihre Herde an der Linau bei Kollow auf einer Weide mitten im Wald stehen hat. „An Rinder- und Ponygruppen, die intakt sind, da geht der Wolf nicht ran“, ist sich auch Friedhelm Ringe sicher. So ist ihm kein Vorfall bei der Herde der Rindergilde bekannt. „Aber einzelne Tiere, die krank oder geschwächt sind, darf man künftig nicht mehr ungeschützt lassen“.