Geesthacht/Oman. Ein blauer Eimer hängt vorn am Expeditionsmobil der Geesthachter. Er markiert einen Wendepunkt der Reise. Was es damit auf sich hat.
Unsere Weltreisenden mit ihrem rosa Oldtimer-Expeditionswohnmobil „Heidi“, Familie Pietzko aus Geesthacht, nehmen im Sultanat Oman gerade eine kurze Auszeit von ihrem Nomadentum. Nachdem sie 24 Stunden in der Wüste feststeckten und eine aufregende Rettung hinter sich haben, muss der 45 Jahre alte Mercedes-Rundhauber erst einmal in die Waschanlage.
Die Eltern Jessica und Jonas mit den Kindern Jano (9) und Jana (2) haben sich für drei Tage eine kleine Wohnung gemietet und genießen auch die Annehmlichkeiten einer Dusche mit fließend Wasser. Für die Pietzkos ist es auch Zeit, ihre Erfahrungen sacken zu lassen. In den zwölf Ländern, die sie in den vergangenen 13,5 Monaten bereisten, haben sie viele gastfreundliche Familien kennengelernt. Doch eine Sache bedrückt die Geesthachter: der unglaublich viele Müll überall.
Familie Pietzko aus Geesthacht reist mit „Heidi“ durch die Welt
Schon in Italien mussten sie sich von ihrer aus der Heimat bekannten Trennung in Papiermüll, Biomüll, Gelber Sack und Restmüll verabschieden. „Dass sie als EU-Land ihren Müll einfach die Schluchten herunterkippen, hat uns schon sehr erschrocken. Aber im Nachhinein ist das eine Lappalie“, sagt Jessica Pietzko.
Als sie nach der Verschiffung nach Albanien erste Station am Strand des Küstenorts Spille machten, ist die 35-Jährige sogar in Tränen ausgebrochen. „Da lag soooo viel Müll herum. Mich nimmt das einfach mit, wie die Menschen auf Kosten der Umwelt leben können“, sagt die Krankenschwester aus dem Berufsgenossenschaftlichen Krankenhaus Boberg in Elternzeit.
Auffällig: Es waren viele Krankenhausabfälle darunter wie Infusionsflaschen, Spritzen und Medikamente-Verpackungen. Von Einheimischen haben sie gehört, dass die italienische Mafia den Müll einfach in die Adria kippen soll und der Müll dann an den Strand gespült wird.
Weltreisende hinterlassen jeden Ort sauberer, als sie ihn vorfanden
Es war ein Wendepunkt auf ihrer Reise. Erstens: Vom ursprünglichen Plan, nach Indien zu reisen, haben sie Abstand genommen. Sie wurden abgeschreckt von Berichten anderer Weltreisender, dass es dort noch um ein Vielfaches schlimmer sein solle. Jessica Pietzko: „Das hätte ich emotional nicht geschafft.“ Zweitens: Es war die Geburtsstunde für den blauen Eimer, der seitdem an „Heidis“ Frontstoßstange hängt.
„Immer wieder werden wir gefragt, was es damit auf sich hat. Den Glückseimer benutzen seitdem nicht nur die Kinder zum Spielen am Strand, sondern er dient uns als Sammelbehälter für Müll“, sagt die umweltbewusste Mutter. Sie kauften sich Müllzangen und haben den Anspruch, jeden Ort, an dem sie übernachten, sauberer zu hinterlassen, als sie ihn vorfanden.
Es ist jedoch ein Kampf gegen Windmühlen. Während es in der Türkei vielfach nach verbranntem Müll stinke, liege besonders in den arabischen Ländern Müll einfach überall herum – ob alte Autoreifen, halb leere Ölfässer, Fischernetze oder Plastikflaschen.
Jessica Pietzko: „Der Müll wird an Ort und Stelle liegen gelassen“
„Das Leben findet draußen statt. Die Saudis kommen zum Essen mit Plastiktischdecke und Plastikgeschirr, und am Ende wird einfach alles zusammengebunden und an Ort und Stelle liegen gelassen“, sagt Jessica Pietzko. „Es gibt kein Trinkwasser aus dem Hahn, dafür aber kleinste Plastikflaschen mit 100 Millilitern. Und diese werden einfach weggeschmissen, weil es kein Pfandsystem gibt.“
Die Saudis seien eines der gastfreundlichsten Völker, die sie kennengelernt hätten, aber es gebe überhaupt kein Umweltbewusstsein. Einen Einheimischen, der während eines Gesprächs seine leere Wasserflasche vor ihre Füße warf, wiesen sie auf „Heidis“ blauen Eimer für den Müll hin. „Er verstand gar nicht, was unser Problem war“, sagt die 35-Jährige.
Die Pietzkos leeren den blauen Eimer immer an Mülltonnen, obwohl sie ahnen, dass er nicht besser entsorgt wird. „Ob unsere Aktion jetzt viel bringt? Aber zumindest sehen Einheimische, was wir tun“, sagt Jessica Pietzko, die in Italien einem älteren Herren auch schon mal seine leere Zigarettenschachtel zurück ins Auto warf.
Umweltbewusstsein der Menschen müsste besser gefördert werden
„Dass es in Deutschland Vorschriften für Pappstrohhalme gibt, wirkt dagegen lächerlich. Stattdessen sollte lieber Geld in Bildung zum Umweltbewusstsein investiert werden“, fordert die Weltreisende. Schließlich sieht sie überall Kühe und Ziegen, die den Müll fressen oder hat im Meer verendete Wale, Schildkröten oder Fische gesehen.
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Umweltbewusst waren sie schon in der Heimat. Ihr Haus am Gorch-Fock-Weg in Geesthacht lag unweit des Hauses der Umwelt- und Anti-Atom-Aktivisten Bettina und Gerhard Boll. Ein Bild von Bettina Boll hängt an einer Wand in „Heidi“. „Mit den Bolls haben wir schon Müll gesammelt. Was Bettina wohl dazu sagen würde, wie schlimm es hier aussieht?“, grübelt Jessica Pietzko.
Vor über 13 Monaten waren die Pietzkos am 8. Februar 2022 in Geesthacht gestartet. Zuvor hatten sie alles aufgegeben: Haus, Auto, Wohnmobil sowie fast ihren kompletten Besitz. Nur noch ein paar Kisten mit Erinnerungen lagern noch auf Omas Dachboden. Seitdem nutzen sie ihre Elternzeit, um die Welt zu bereisen. Vor Januar 2024 wollen sie nicht zurück sein. Wir begleiten sie auf ihrer Reise.