Reinbek. Greenpeace bestückt Plastikmüll mit Ortungsgeräten und wirft Recyclingunternehmen illegale Entsorgung im Ausland vor.

Die Vorwürfe von Greenpeace gegen das Edelmetall-Recyclingunternehmen Melor in Reinbek wiegen schwer: Die Umweltaktivisten haben nach eigenen Angaben nachgewiesen, dass der Entsorger mit Sitz im Reinbeker Gewerbegebiet Plastikmüll illegal im Ausland entsorgt hat, vor allem in der Türkei und in Südostasien.

Die Umweltschützer haben in den vergangenen drei Jahren den Weg von 42 Lieferungen mit Plastikmüll verschiedener Entsorger verfolgt. Sie haben dafür im Müll Ortungsgeräte, sogenannte Tracker, versteckt. 19 der Tracker haben die Aktivisten in sogenannten Big Packs von Melor verbaut. Dafür haben sich die Aktivisten illegalerweise Zugang zum Firmengelände an der Carl-Zeiss-Straße verschafft.

Greenpeace erhebt schweren Vorwurf: Organisation will Müll „getrackt“ haben

15 der 42 Ladungen landeten laut Greenpeace im Ausland, wohl zum Teil gegen geltende Gesetze. „Der Müll verrottet dort oder wird verbrannt und kann die Gesundheit der Bevölkerung schädigen. Wenn von unseren Stichproben schon ein Drittel im Ausland landet und darunter mehrere Fälle illegaler Exporte sind, dann ist das Problem noch viel größer “, meint Jakob Kluchert vom Greenpeace-Investigativteam. Melor sei in den Fokus der Umweltschützer geraten, weil der Entsorger „schon in der Vergangenheit häufiger mit Auslandstransporten nicht recycelbarer Stoffe auffällig wurde“, behauptet Kluchert. Was das genau heißt, ließ er offen.

Weder beim Fachdienst Abfall im Kreis Stormarn noch bei der Gewerbeaufsicht der Stadt Reinbek fiel Melor bislang durch Gesetzesverstöße auf. Das Unternehmen gehört mit 55 Mitarbeitern eher zu den kleinen Playern der Kreislaufwirtschaft, hat sich auf das Zerlegen und Wiederverwerten von Elektroschrott und Industrieanlagen spezialisiert.

Firmenchef ist schockiert und enttäuscht

Bei Melor selbst ist, seitdem die Vorwürfe in die Öffentlichkeit geraten sind und über verschiedene Nachrichtenportale verbreitet wurden, nichts mehr, wie es war. „Ich bin ziemlich schockiert über die Behauptungen und enttäuscht“, sagt Geschäftsführer Ingo Nusseck offen gegenüber unserer Redaktion. Enttäuscht, weil er sich und sein Team zu den „Guten der Branche“ zählt und ein reines Gewissen habe. „Wir müssen hier nichts verstecken, arbeiten eng mit den Behörden zusammen, halten uns an bestehendes Recht und Vorschriften und investieren ständig in neue und bessere Sortieranlagen“, sagt der 56-Jährige. Allein im vergangenen Jahr seien 850.000 Euro in moderne Recyclingtechnik geflossen.

Nusseck ist seit 27 Jahren in der Recyclingbranche tätig und weiß, dass es durchaus das eine oder andere schwarze Schaf gibt. „Wir gehören aber explizit nicht dazu, arbeiten offen und transparent – auch Greenpeace gegenüber, haben sie sogar zu einer Führung über das Gelände eingeladen“, sagt er. Zusammen mit seinem Anwalt hat er auf fünf DIN-A4-Seiten die Vorwürfe Punkt für Punkt entkräftet.

Derweil prüft die Umweltschutzorganisation, ob sie juristische Schritte einleitet. Laut Greenpeace könnte nach türkischem Recht beim Umweltministerium Beschwerde gegen Melor eingelegt werden, weil das Unternehmen gemischten Plastikmüll, der sich nicht recyceln lässt, eingeführt habe, was in der Türkei verboten sei. Laut Greenpeace könnte eine mögliche Folge sein, dass das Ministerium weitere Importe stoppt oder Strafgebühren verhängt. Weil es sich um ein Problem mit internationaler Tragweite handele, sei eine Beschwerde bei der UN oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte denkbar.

„Wir sitzen im gleichen Boot, verfolgen das gleiche Ziel“

Angst vor rechtlichen Konsequenzen hat man bei Melor nicht. Nusseck kann sich nicht erklären, wie der angebliche Müll aus Reinbek in die Türkei gelangt sein soll. „Wir beliefern die besagte Firma in der Türkei nicht“, sagt Nusseck.

Die Forderungen von Greenpeace, deutsche Abfälle im eigenen Land fachgerecht zu verwerten und langfristig den Plastikverbrauch drastisch zu senken, würde Nusseck sofort unterschreiben.

„Wir sitzen quasi im gleichen Boot, verfolgen das gleiche Ziel“, sagt er und erzählt stolz, dass sein sorgfältig sortierter Kunststoff von beispielsweise einstigen Staubsaugergehäusen auf dem Markt begehrt wird und zu über 30 Prozent für viel Geld weiterverkauft wird. 2021 verblieb der Kunststoff einzig in Deutschland. Ein Abnehmer beispielsweise sei ein Hersteller von Kaffeemaschinen.

Auch Firmenchef sieht ein weltweites Plastikproblem

Generell sieht auch Nusseck, dass die Welt ein Kunststoffproblem habe, die Recyclingquote noch gesteigert werden könne und zu viele Wegwerfprodukte auf dem Markt seien. Er beispielsweise würde sofort E-Zigaretten verbieten, deren Komponenten nur schwer zu trennen sind. „Doch nicht bei den die Entsorgungsunternehmen muss Greenpeace ansetzen, sondern bei der Industrie, die die Produkte herstellt, und den Konsumenten.“

Das Entpacken und Vernichten von Retourenware aus dem Versandhandel gehört ebenfalls zum Leistungsumfang von Melor. Der Online-Handel boomt. Die Rücksendequote ist hoch, insbesondere in Deutschland. Geschätzt ein Drittel aller bestellten Pakete geht zurück, das produziere mehrere Hunderttausend Tonnen CO2.

Weil die Lagerkapazitäten der Hersteller aber begrenzt und die Kosten für Lagerung hoch sind, ist es für einige Hersteller und Händler günstiger, Retouren zu vernichten – darunter neue Unterhaltungselektronik, Schuhe, Bekleidung. Ein neues Kreislaufwirtschaftsgesetz sollte das Vorgehen stoppen. Doch bis heute fehlt für die Umsetzung die rechtliche Handhabe.