Geesthacht/Salalah. Die Pietzkos aus Geesthacht haben Haus und Hof verkauft und sind einfach losgefahren. Das ist ihre bewegende Geschichte.

Sommerliche 31 Grad sind es aktuell in Salalah an der Südküste des Sultanats Oman. Im Wohnmobil von Familie Pietzko aus Geesthacht gibt es auch bei dieser Hitze etwas Warmes. Kaffee läuft durch den Filter, gleich werden Waffeln aufgetischt.

„Danach gehen wir noch mal schwimmen“, sagt Jessica Pietzko. Was man halt auf einer Weltreise so macht – zumal die Strände hier so paradiesisch sind wie aus 1001 Nacht.

Weltreise mit "Heidi": Farbe des Wohnmobils ist ein Unfall

Ganz so viele Tage und Nächte ist Familie Pietzko noch nicht unterwegs. Am 8. Februar haben die vier Geesthachter Jahrestag gefeiert. Vor einem Jahr brachen Jonas und Jessica (beide 35) gemeinsam mit den Kindern Jano (9) und Jana (2) zur Reise ihres Lebens auf. Vor Januar 2024, wenn Jessicas Elternzeit endet, wollen sie nicht zurückkommen – voraussichtlich.

Solange ist ihre Heimat ein 44 Jahre altes, rosafarbenes Mercedes-Wohnmobil namens „Heidi“ mit Allradantrieb. „Die Farbe ist ein Unfall des Vorbesitzers. Dem war das Rot ausgegangen, und er musste dann mischen. Das ist dabei herausgekommen“, erzählt Jessica Pietzko.

Jessica, Jana, Jano und Jonas Pietzko aus Geesthacht auf dem Dach ihrer „Heidi“.
Jessica, Jana, Jano und Jonas Pietzko aus Geesthacht auf dem Dach ihrer „Heidi“. © Jessica Pietzko

Familie Pietzko ist mit „Heidi“ unterwegs

Das Haus am Gorch-Fock-Weg, ihr Auto, den Wohnwagen und fast den gesamten übrigen Besitz haben sie verkauft. „Uns sind nur die Eheringe geblieben“, sagt Jessica Pietzko. Was vom Rest nicht wegging, wurde verschenkt.

Übrig geblieben sind zehn Kartons mit ein paar Andenken wie Hochzeitsfotos plus etwas Lego-Spielzeug vom Großen auf Omas Dachboden. „Nach einem Jahr weiß ich schon gar nicht mehr genau, was drin ist. Das vermisst man auch nicht“, ist Jessica Pietzko überzeugt.

Begegnung mit einem neugierigen Dromedar in der Wüste.
Begegnung mit einem neugierigen Dromedar in der Wüste. © Jessica Pietzko

Dass sich die Pietzkos entschieden haben, ihr Leben komplett umzukrempeln, hat viel mit der Gesundheit von Sohn Jano zu tun. Er leidet seit Jahren an Neurodermitis, hat Asthma und multiple Allergien. Seitdem er zwei Jahre alt ist, wird er täglich mit Cortison behandelt.

„Die Neurodermitis war so schlimm, dass ich ihn morgens mit dem Schlafanzug abgeduscht habe, damit beim Ausziehen nicht die Wunden aufbrechen“, sagt Mama Jessica, die Gesundheits- und Krankenpflegerin im Boberger Krankenhaus ist.

Sohn Jano geht es besser

Bei einem kurzen Urlaub 2021 in den Dolomiten stellte sich bereits eine deutliche Besserung von Janos Zustand ein. „Wir haben uns dann die Frage gestellt, was uns wichtig ist und haben uns für die Gesundheit unseres Kindes entschieden“, blickt Jessica Pietzko zurück. Zudem ging es beim Umbau in Eigenregie des vor neun Jahren gekauften Hauses nicht so recht voran, die Pandemie tat ihr Übriges.

Rund ein halbes Jahr dauerte es, den gefassten Plan in die Tat umzusetzen. Nicht nur Jessica nahm Elternzeit, auch Bautechniker Jonas Pietzko eröffnete seinem – nicht sonderlich begeisterten – Arbeitgeber Hamburg Wasser, dass er die ihm gesetzlich zustehenden drei Jahre Elternzeit nimmt. Sie kündigten alle Versicherungen bis auf Haftpflicht und Unfall und schlossen noch eine Reiseversicherung ab.

„Heidi“ tut nur so: Sie ist nicht bei der Rallye Dakar in Saudi-Arabien mitgefahren.
„Heidi“ tut nur so: Sie ist nicht bei der Rallye Dakar in Saudi-Arabien mitgefahren. © Jessica Pietzko

Schulpflicht: Ein schwieriges Thema für Weltreisende

Komplizierter war es bei Jano, schließlich besteht in Deutschland Schulpflicht. Für eine Befreiung über einen längeren Zeitraum ist ein Einverständnis der Schulaufsichtsbehörden notwendig, was in der Regel schwierig ist. „Ein Antrag auf Beurlaubung beim Schulamt wäre höchstwahrscheinlich wegen des Ausfalls durch Corona und Homeoffice abgelehnt worden“, hatte sich Jessica Pietzko vorab informiert.

„Auch einen Lehrplan von der Schule mitzubekommen und regelmäßig Tests an die Lehrer zu schicken, war uns zu anstrengend.“ Sie entschieden sich dafür, Jano vom gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland abzumelden und selbst zu unterrichten. Tipps und Materialien haben sie von seiner alten Schule mitbekommen, den Lernstoff passen sie den Gegebenheiten an. Etwa einen Aufsatz über Leoparden zu schreiben, nachdem sie feststellten, dass die Tiere auf einer osmanischen Münze abgebildet sind.

Zwölf Länder in zwölf Monaten bereist

Dennoch kam es nicht überall in ihrem Umfeld gut an. „Wir haben zu hören bekommen, wir würden unserem Kind die Bildung entziehen“, sagt Jonas Pietzko, der diese Einschätzung nicht teilt. „Welcher Neunjährige spricht denn fließend Englisch? Jano ist auch unser Wechselkursrechner.“

Geländetauglich: „Heidi“ in einer Schlucht im Oman.
Geländetauglich: „Heidi“ in einer Schlucht im Oman. © Jessica Pietzko

Ländergrenzen haben sie mit ihrer „Heidi“ schon einige passiert. Das Sultanat Oman ist das zwölfte Land, das sie bereisen. Zuvor waren sie in Österreich, Italien, Albanien, Griechenland, Türkei, Bulgarien, Israel, Jordanien, Saudi-Arabien, Bahrain und den Vereinigten Arabische Emiraten – alles in allem spulten sie rund 25.000 Kilometer ab. „Heidi“ hat das trotz ihres Alters einigermaßen problemlos geschafft.

Nur im Notfall geht's mit dem Rundhauber in die Werkstatt

Den Pietzkos war schnell klar, dass sie auf ihrer Reise autark sein und abseits befestigter Straßen fahren wollen. Also googelte Jonas nach Expeditionsmobilen und stieß dabei auf „Heidi“, einem 4x4-betriebenem Mercedes Rundhauber 1113. Das Gefährt mit dem Baujahr 1978 hatte der Vorbesitzer der Feuerwehr Wunsiedel abgekauft und in zweijähriger Bauzeit zum Weltreise tauglichen Wohnmobil umgebaut. Die Pietzkos kauften es für 85.000 Euro.

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Der Vorteil an einem Rundhauber: Die einfache Technik ist leicht zu reparieren, der Wagen ist in Asien und Afrika – ihrem nächsten Ziel – weit verbreitet. „Jonas kann schon viel selbst machen. Sonst gibt auch eine Facebook-Gruppe, und im Notfall geht es halt in die Werkstatt“, berichtet seine Frau.

Kleiner Haken: Bevor es überhaupt losgehen konnte, musste Jonas Pietzko erst noch einen Lkw-Führerschein machen.

Nach einem Jahr noch lange nicht reisemüde

Kurz überlegten sie übrigens, ob sie „Heidi“ entsprechend umbenennen sollten, weil alle ihre Vornamen mit dem Buchstaben J beginnen. „Deswegen nennen wir uns auch die Jots. Wir haben es dann aber sein lassen. Das bringt Unglück“, sagt Jessica Pietzko.

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Glücklich sind sie hingegen mit ihrem Entschluss, trotz des anfänglichen Respekts vor der eigenen Courage überhaupt losgefahren zu sein. So viel haben sie in der Zwischenzeit gesehen, so viele interessante Menschen getroffen – und vor allem: Jano geht es inzwischen viel besser.

Weltreise mit "Heidi" solange die Kinder mitmachen

Er benötigt keine Medikamente mehr, vom Abduschen im Schlafanzug ganz zu schweigen. „Wir bereuen gar nichts, sondern sind unendlich glücklich, den Mut gehabt zu haben, es zu machen“, sagt Jessica Pietzko. Und reisemüde sind sie nach einem Jahr noch lange nicht, sondern wollen so lange weitermachen, wie die Kinder es mitmachen.

Wir berichten ab sofort regelmäßig über die Pietzkos und ihrer Weltreise mit „Heidi“. Ferner hat die Familie selbst einen Instagram-Account.