Mölln. Nicht jeder möchte, dass seine sterblichen Überreste verbrannt oder beerdigt werden. Bei „Meine Erde“ gibt es jetzt eine Alternative.

Der Tod ist nach wie vor ein schwieriges Thema, mit dem sich Menschen nicht gerne beschäftigen. Aber trotzdem denken offensichtlich immer mehr Männer und Frauen mit fortschreitendem Alter über ihre Bestattung nach und lehnen die bisher gesetzlich möglichen Formen – Erdbestattung und Verbrennung – ab. Ein neuer Trend heißt Reerdigung.

Seit zwei Jahren bietet das Berliner Unternehmen „Meine Erde“ eine andere Form ab, bei der Tote reerdigt werden und aus dem Leichnam innerhalb von 40 Tagen Erde wird. Den Begriff der Kompostierung lehnt „Meine-Erde“-Co-Geschäftsführer Pablo Metz aus Pietätsgründen ab, auch wenn es sich im Prinzip um ein ähnliches Verfahren handelt.

Neue Bestattungsart Reerdigung: Im Kokon werden Tote zu Erde

Nach der zweijährigen Pilotphase werden die von Pablo Metz und seinem Geschäftspartner Max Hüsch entwickelten Reerdigungen in Schleswig-Holstein ab sofort auf Basis des angepassten Bestattungsgesetzes durchgeführt. Das Ministerium für Justiz und Gesundheit hat die Fortsetzung der Erprobung der Bestattungsform Reerdigung in Schleswig-Holstein genehmigt. Vorausgegangen war im Januar eine Änderung des Bestattungsgesetzes, die die Erprobung neuer Bestattungsarten gesetzlich regelt. Die Änderung wurde von allen Fraktionen im Landtag einstimmig beschlossen.

In der Kappelle auf dem neuen Friedhof in Mölln gibt es ein sogenanntes Alvarium mit vier Kokons für die Reerdigung.
In der Kappelle auf dem neuen Friedhof in Mölln gibt es ein sogenanntes Alvarium mit vier Kokons für die Reerdigung. © bgz | MEINE ERDE

Die Reerdigung ist eine ökologische Bestattungsart, bei der der Körper der verstorbenen Person durch die natürlichen Mikroorganismen in 40 Tagen in Humuserde transformiert wird. Der europaweit erste Anbieter dieser neuen Bestattungsform, Meine Erde, bietet die ökologische Bestattungsform in Schleswig-Holstein nun an zwei Standorten in sogenannten Alvarien in Mölln und Kiel an. „Die häufigste Bestattungsform ist in mittlerweile 80 Prozent aller Fälle die Verbrennung. Dabei wird sehr viel Gas verbraucht. Die Reerdigung verzichtet auf fossile Brennstoffe und findet rein ökologisch statt. Das trifft den Nerv vieler umweltbewusster Menschen, die mehr Naturverbundenheit haben“, sagt Metz.

Zwei kreative Unternehmer haben die Kokons für die Reerdigung entwickelt

„In Vorbereitung auf die neue Erprobungsphase haben wir weitere Kokons in unseren beiden Alvarien aufgestellt. So können wir diese ökologische Bestattungsform nun mehr Menschen anbieten“, erklärt Pablo Metz. In Mölln stehen ab sofort vier und in Kiel drei Kokons in Kapellen auf kirchlichen Friedhöfen. „Mit der Öffnung seines Bestattungsgesetzes für die Erprobung neuer Bestattungsformen ermöglicht Schleswig-Holstein den ökologischen Wandel im Bestattungswesen, den sich viele Menschen wünschen. Das Land ist ein Vorbild für weitere Bundesländer und unsere europäischen Nachbarn, wie Innovationen in der Bestattungskultur gefördert werden können“, so Metz.

So sieht das Alvarium in Mölln aus. Die Kokons bieten einen würdigen Rahmen für die Reerdigung und werden abgedeckt, während ein Leichnam dort in 40 Tagen zu Erde wird. Trauernde können während des Prozesses dort Andachten halten.
So sieht das Alvarium in Mölln aus. Die Kokons bieten einen würdigen Rahmen für die Reerdigung und werden abgedeckt, während ein Leichnam dort in 40 Tagen zu Erde wird. Trauernde können während des Prozesses dort Andachten halten. © bgz | MEINE ERDE

Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner hat Metz das Verfahren entwickelt. Die Idee kam ihm kurz vor der Corona-Pandemie, als seine Großmutter im Alter von 96 mit ihm über ihren Tod sprach. „Sie lehnte eine Feuerbestattung ab, wollte aber auch nicht beerdigt werden, weil sie der Gedanke an die Verwesung schreckte. Deshalb habe ich mich mit dem Thema beschäftigt und bin über Vorbilder in den USA auf die Idee der Reerdigung gekommen“, erläutert Metz. Seine Großmutter ist zwischenzeitlich übrigens kurz vor ihrem 100. Geburtstag gestorben und sie war einer der ersten Menschen, die nach dem Verfahren zu Erde umgewandelt wurden. Mittlerweile haben 17 Bestattungen auf diese Weise stattgefunden.

Selbst der Kokon ist ökologisch wertvoll aus recyceltem Plastik hergestellt

„Wir haben Forschung betrieben und den Kokon selbst entwickelt“, so Metz. Bei dem Kokon, in dem ein Leichnam in 40 Tagen zu Erde wird, kam vor allem Max Hüsch ins Spiel, ein gelernter Maschinenbauer, während Metz als Betriebswirt eher für die Idee warb. Der Kokon besteht aus recyceltem Kunststoff und wird in Ungarn und Österreich im Auftrag von Meine Erde hergestellt.

Diese neue Form der Bestattung wird von der Universität Leipzig wissenschaftlich begleitet. Pablo Metz betonte in diesem Kontext die gewissenhaften Prüfungen der Behörden, um eine transparente und rechtlich vollkommen gesicherte Bestattung anzubieten.

Innerhalb von 40 Tagen wird der Körper zu Humus

Der Leichnam wird dazu im Kokon auf Heu, Stroh, Schnittgut sowie Blumen eingeschlossen. Innerhalb von 40 Tagen verwandeln natürliche Mikroorganismen den Körper zu Humus. Wie auch bei der Verbrennung bleiben Knochen übrig, die gemahlen werden. Am Ende entstehen 80 bis 100 Kilo Erde. Abschließend erfolgt eine Erdbestattung auf dem Friedhof.

Allerdings ist dies gegenwärtig nur in den drei Nordländern Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein erlaubt. Bei dem Verfahren arbeiten die Unternehmer mit Bestattungsunternehmen zusammen. „Wir sind nur ein Glied in der Kette. Die Beisetzung und alles andere übernimmt ein Bestatter“, so Metz. Eine Reerdigung kostet 2900 Euro, zuzüglich der Kosten für den Bestatter, Trauerfeier und ähnliches.

Für die neue Bestattungsform war sehr viel Überzeugungsarbeit erforderlich

Damit es überhaupt so weit kommen konnte, war sehr viel Überzeugungsarbeit erforderlich. „Wir haben sehr viel für die Idee geworben und viele Entscheidungsträger aus Politik und Verwaltung kontaktiert“, erläutert Metz. Der Durchbruch kam, als die beiden Geschäftspartner Kontakt mit dem Möllner Bundestagsabgeordneten Konstantin von Notz (Grüne) aufnahmen.

Der Jurist ist religionspolitischer Sprecher seiner Fraktion. Er war von der Idee begeistert und half den Unternehmern dabei, Politik und Kirche in Mölln zu überzeugen. So entstand mit Duldung der Landesregierung das Pilotprojekt in Mölln, das später auf Kiel ausgeweitet wurde. Seit Kurzem sind Bestattungen von reerdigten Menschen auch in einem speziellen Begräbniswald in Elmshorn möglich.

Pastorin Hilke Lage von der Ev.-Luth. Kirchengemeinde Mölln, zu der der Neue Friedhof mit dem Alvarium in Mölln gehört, betont: „Wir freuen uns, dass das Alvarium in unserer Friedhofskapelle Menschen eine weitere Form der Bestattung ermöglicht. Uns erreichen aus der Gemeinde immer wieder Anfragen zur Reerdigung. Als ökologische Bestattungsform passt sie gut zum Gedanken der Bewahrung der Schöpfung.“

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Bei einem Besuch auf dem Neuen Friedhof in Mölln ließ sich jetzt auch der Landtagsabgeordnete Oliver Brandt (Bündnis 90/Die Grünen) von Pablo Metz erläutern, wie eine „Reerdigung“ abläuft. Der Landtagsabgeordnete aus dem Kreis Herzogtum Lauenburg freute sich, dass mit der Reerdigung die Bestattungskultur in Schleswig-Holstein um eine weitere Facette erweitert wird: „Die Gewohnheiten ändern sich, dass betrifft auch die Bestattung. Im Land hat die Politik den Weg frei gemacht für eine neue, andere Form der Bestattung und schnell die Voraussetzungen geschaffen, um hiermit Erfahrungen zu sammeln.“