Elmshorn. Von wegen stiller Ort: Auch Friedhöfe können voller Leben sein. Zu Besuch bei einem kreativen Friedhofsgärtner in Elmshorn.

Früher war ein Friedhof ein stiller Ort der Trauer. Kinder hatten dort wenig zu suchen und durften auf keinen Fall herumlaufen oder laut sein. Heute steckt in diesen Plätzen der Erinnerung an Verstorbene viel mehr Leben. Was möglich ist und wo noch Grenzen sind, ist gut auf dem Friedhof des evangelisch-lutherischen Kirchengemeindeverbandes in Elmshorn zu erfahren.

Für Torsten Kock, 54, ist der Friedhof „der tollste Arbeitsplatz der Welt, den ich mir wünschen kann“. Seit Herbst 2022 ist der gebürtige Kellinghusener der Chef der Elmshorner Friedhofsverwaltung. Aufgewachsen ist er in der großen Gärtnerei seiner Familie. Zu den Aufgaben, als der junge Mann den Betrieb übernahm, gehörte auch die Grabpflege.

Torsten Kock: „Diese Arbeit hat mich immer fasziniert

„Diese Arbeit hat mich immer fasziniert“, erzählt der Gärtnermeister. Das war zum einen der Ort mit den vielen Pflanzen, und zum anderen kam er häufig mit Menschen in Kontakt, die aufgrund ihrer Trauer in Extrem-Situationen steckten. Torsten Kock fand in diesen Gesprächen vielfach die richtigen Worte. Dank seiner Einfühlung schaffte er es, Grabstätten zu schaffen, an denen die Hinterbliebenen Ruhe, Trost und auch Freude fanden.

Auf dem evangelisch-lutherischen Friedhof in Elmshorn wird zwar noch der Glaube gelebt und gezeigt. Trotzdem sind alle offen für andere Religionen und Konfessionslose.
Auf dem evangelisch-lutherischen Friedhof in Elmshorn wird zwar noch der Glaube gelebt und gezeigt. Trotzdem sind alle offen für andere Religionen und Konfessionslose. © Michael Rahn | Michael Rahn

Vor 16 Jahren machte Kock diese lieb gewonnene Aufgabe zu seinem Schwerpunkt, gab die Selbstständigkeit auf und übernahm den Job des stellvertretenden Verwalters auf dem Friedhof Blankenese. Jetzt, als Chef in Elmshorn, kann er noch ein Stück mehr entscheiden, wie sich „sein Friedhof entwickelt“. Wenn, ja, wenn er dafür die Genehmigung des Vorstands seines Kirchengemeindeverbandes erhält.

Geschäftsstelle muss inspirierten Friedhofsverwalter manchmal bremsen

Schmunzelnd gesteht Janin Racenis, Geschäftsstellenleiterin des Gemeindeverbandes in Elmshorn, dass nicht jede Idee und diese schon gar nicht sofort umgesetzt werden kann. „Oft haben wir schlicht die Mitarbeiter nicht, um das zu verwirklichen, was Torsten vorschlägt“, berichtet Janin Racenis über ihre Rolle als „Bremserin“. Doch das macht Kock nichts aus. Wenn eine Idee verworfen wird, kommt beim nächsten Besuch auf einem anderen Friedhof die nächste Inspiration. Vieles hat sich in jüngster Zeit auf dem Friedhof verändert, zumeist zum Positiven.

Alte Grabmäler werden gern für neue, gemeinsame Erinnerungsbeete eingesetzt.
Alte Grabmäler werden gern für neue, gemeinsame Erinnerungsbeete eingesetzt. © Michael Rahn | Michael Rahn

Torsten Kocks Lieblingsplatz ist das gemeinsam mit dem Team kreierte Staudenfeld für kleine Urnengräber. Dort wachsen Erdbeeren, blühen Bodendecker und wachsen Obstbäume. An so einem Platz möchte Kock selbst gern begraben werden. Für einige Friedhofsbesucher ist diese Bepflanzung noch sehr ungewohnt. „Die Beeren und Äpfel würde ich auf keinen Fall essen“, haben ihm schon einige Damen erzählt.

Auf dem Friedhof in Elmshorn blüht die Natur auf

Torsten Kock hat damit keine Probleme. Leben und Tod gehören für ihn eng zusammen. Und auch Geschäftsstellenleiterin Racenis liebt die blühenden Ecken in und zwischen den Gräberreihen.

Janin Racenis liebt die Blütenwiese mitten auf dem Friedhof zwischen sehr alten Kreuzen und Grabmälern. Torsten Kock findet das auch schön: „Hier könnten wir auch Urnengräber zwischensetzen.“
Janin Racenis liebt die Blütenwiese mitten auf dem Friedhof zwischen sehr alten Kreuzen und Grabmälern. Torsten Kock findet das auch schön: „Hier könnten wir auch Urnengräber zwischensetzen.“ © Michael Rahn | Michael Rahn

Torsten Kock freut sich, wenn auf dem Friedhof junge Menschen unterwegs sind. „Für die Kindergartengruppe ist es ein spannender Ausflug“, berichtet Kock. Wobei das Aufregendste meist die Wasserbecken seien. „Kinder betrachten einen Friedhof ganz anders. Viel offener. Da wird voller Stolz berichtet, wo die liebe Oma begraben wurde, dass man schon an einer Trauerfeier teilgenommen hat.“

Leichtigkeit der Kinder im Umgang mit Tot und Trauer würde allen gut tun

„Diese Leichtigkeit und Unbekümmertheit würde auch unserer Gesellschaft im Umgang mit dem Tod, Trauer, Friedhof gut tun“, lobt Torsten Kock das Verhalten der Kinder.

Alte Grabdenkmäler werden auf dem Friedhof in Elmshorn gern neu eingebettet, und zwar mit vorgeschraubten Steinplatten. So könnten bei Bedarf die Geschichten, die in den Steinen stecken, bei jeder Gelegenheit, wieder hervorgeholt werden.
Alte Grabdenkmäler werden auf dem Friedhof in Elmshorn gern neu eingebettet, und zwar mit vorgeschraubten Steinplatten. So könnten bei Bedarf die Geschichten, die in den Steinen stecken, bei jeder Gelegenheit, wieder hervorgeholt werden. © Michael Rahn | Michael Rahn

Auch Nachhaltigkeit mit einem ökologischen Schwerpunkt gehört an allen Ecken und Enden des Friedhofs dazu. Gern hebt Friedhofsverwalter Kock alte Grabdenkmäler auf. Sie werden dann in die neuen Anlagen, zum Beispiel am Staudenfeld, integriert. Mit einer einfachen Steinplatte vor dem alten Grabmal gibt es Platz für neue Namen und Erinnerungen.

Mausoleum soll bald zum Kolumbarium werden

Sogar das letzte auf dem Friedhof erhaltene Mausoleum soll demnächst herausgeputzt werden. Noch ist das 1890 unmittelbar nach der Gründung des Friedhofs errichtete Gebäude für Besucher abgesperrt. Doch bald könnte es wieder ein neuer Platz für das Erinnern an unsere Verstorbenen sein.

Das 1890 von Familie Möller in Elmshorn errichtete Mausoleum könnte bald zu einem schönen Aufbewahrungsort für Urnen werden, einem Kolumbarium.
Das 1890 von Familie Möller in Elmshorn errichtete Mausoleum könnte bald zu einem schönen Aufbewahrungsort für Urnen werden, einem Kolumbarium. © Michael Rahn | Michael Rahn

Wenn es nach Torsten Kock und seinen Mitarbeitern geht, soll im Mausoleum Platz für ein Kolumbarium geschaffen werden. Dieser Ort mit Nischen für Urnen ist ebenfalls ein neuer Trend für Bestattungen in Deutschland.

Am Begräbniswald sind auch andere kirchliche Riten möglich

Gern würde Kock auch den kleinen Altar und die überdachten Plätze am frisch eingeweihten Begräbniswald für andere kirchliche Feierlichkeiten wie Konfirmationen und Hochzeiten freigeben. Ein Taufbecken auf einem schönen Holzblock ließe sich vermutlich schnell realisieren.

Im neuen Begräbniswald, hier mit dem Erinnerungsbuch, ist auch die Bestattung als Reerdigung möglich.
Im neuen Begräbniswald, hier mit dem Erinnerungsbuch, ist auch die Bestattung als Reerdigung möglich. © Michael Rahn | Michael Rahn

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Noch etwas hat sich im Laufe der Zeiten geändert. Der große Stadtfriedhof gehört zu drei evangelisch-lutherischen Kirchengemeinden, die früher ausschließlich diesen Platz für Ihre Toten nutzten. „Diesen Glauben zeigen wir auch“, sagt Torsten Kock. „Doch sind wir offen für alle Glaubensrichtungen, Konfessionen oder Konfessionslosen.“ Sei es zum Beispiel der Islam mit Beisetzung im Leichentuch oder neue Formen der Beisetzung wie die Reerdigung. „Der Friedhof und der Tod machen keinen Unterschied, und die Kulturen vermischen sich.“

Ideensprühender Nachwuchs mit neuen Konzepten gesucht

Wunderschöne Verse, so wie hier von Rilke im Erinnerungsbuch des Begräbniswaldes, sollen tröstern und Mut geben.
Wunderschöne Verse, so wie hier von Rilke im Erinnerungsbuch des Begräbniswaldes, sollen tröstern und Mut geben. © Michael Rahn | Michael Rahn

Und noch ein letzter Wunsch des ideensprühenden Friedhofverwalters: Auch wenn Torsten Kock mit 54 Jahren noch lange nicht ans Aufhören denkt, setzt er darauf, dass sich wieder mehr junge Menschen für den Beruf des Friedhofgärtners entscheiden. Dazu engagiert sich der Gärtnermeister in der Fortbildung.

Torsten Kock weiß, dass eine bessere Bezahlung her müsste, um mehr Menschen für den frischen Einstieg oder auch den Quereinstieg zu motivieren. Es lohne sich in jedem Fall. Torsten Kock: „Wir arbeiten in einem Traumjob auf einem Gelände, das sich immer wieder wandelt und immer offener für Gäste wird.“ Aus Gesprächen weiß Kock, dass einige Fußgänger gar nicht bemerken, dass sie über den Friedhof gehen: „Ach, den Park meinen Sie?“