Geesthacht. In der Unterstadt beginnt die Blüte, in der Oberstadt aber noch nicht. Dafür gibt es Gründe. Naturschützer fordert: Pflanzt mehr!
Was für ein Augenschmaus: In der Geesthachter Oberstadt hat Horst Leister ein eindrucksvolles Statement für den Frühling gesetzt. Die Straßenbäume tragen zwar noch keine Blätter, aber direkt neben der viel befahrenen Hansastraße hat der Anwohner als Kontrast eigenhändig ein buntes Beet voller Krokusse auf mehreren Metern Länge angelegt. „Schon vor 20 Jahren“, sagt er. Und damit lange vor der Aktion Geesthacht blüht auf.
Im Rahmen dieser Aktion des Geesthachter Ortsvereins des Naturschutzbundes (Nabu) und örtlicher Wirtschaftlicher Vereinigung wurden 500.000 Blumenzwiebeln in sechs Jahren bis 2021 in die Erde gebracht. Doch Friedhelm Ringe vom Nabu reicht das nicht. Der Biologe plädiert für privates Engagement, wie es Horst Leister zeigt. „Mehr Menschen sollten Winterblüher pflanzen“, wünscht er sich.
Warum in Geesthacht zweimal Frühlingsbeginn ist
Auch deshalb wurden etwa 50 Hinweisschilder gesteckt zu den frühblühenden Büschen in den Beeten, die die Stadtverwaltung anpflanzen lässt. Passanten sollen sich auf diese Weise informieren können, was hier aktuell so schön blüht. Und das Gesehene zu Hause gezielt nachpflanzen. Es sei wichtig, sagt Friedhelm Ringe. Wenn das Wetter mild wird, schwärmen die Bienen schon aus – und dann benötigen sie dringend Möglichkeiten, um Pollen und Nektar zu sammeln von angepflanzten Frühblühern.
Die Insekten haben seit etwa Mitte Januar die erste Brut zu füttern. Zwar sind in den Bienenstöcken Futterreserven eingelagert, aber frischer Pollen ist leichter zu verarbeiten. Und den finden sie bei Frühblühern wie Krokussen, Winterlingen und Schneeglöckchen. Die sollten im Spätsommer und Herbst in die Erde kommen, wenn sie im zeitigen Frühjahr das Auge und den Insektenmagen erfreuen sollen. Beste Pflanzzeit bei Gehölzen wie Stauden ist der Herbst und dann wieder, je nach Wetterlage, das Frühjahr bis Ende April.
Randale bei den Bienen: Eine Imme, die sich verflogen hat, wird abgedrängt
Das Angebot der Wildpflanzen ist noch dünn gesät. „Fast alles, was jetzt in den Gärten blüht, ist mediterraner Herkunft“, sagt Friedhelm Ringe. Auch, wenn die Pflanzen nicht von hier stammten, seien sie doch gut für die Insekten, die bereits herumfliegen. „Denn sie haben alle auch Nektar“, sagt er.
In seinem Garten in der Oberstadt stehen zwei Bienenstöcke. Die Saison ist noch jung, aber die Nerven liegen schon blank. Vor einem Einflugloch kommt es zur Schlägerei. Eine Biene des Nachbarstocks versucht vorwitzig, in den falschen Stock einzudringen. Sofort sind drei Wächterinnen zur Stelle, drängen die Fremdbiene zurück. Die Imme macht erst nach einem wüsten Handgemenge die Fliege und biegt diesmal richtig ab.
Hummeln sind bei kühleren Temperaturen unterwegs als Bienen
Auch durch die Geesthachter Fußgängerzone summen die ersten Bienen. Ihr Ziel sind die Beete der Stadt, dort sind Frühblüher wie Winterduftheckenkirsche und Walisischer Winterschneeball gepflanzt. Die Bienen haben ihre Vorlieben. Vom Nektarangebot des in Wales gezüchteten Strauch im Beet vor der Deutschen Bank nascht nur eine Biene, der Busch einen Meter weiter mundet offenbar besser, an seinen Blüten baumeln gleich acht Bienen.
„Bienen fliegen ab acht Grad, Hummeln sind bereits bei fünf Grad unterwegs. Sie sind deshalb als Bestäuber umso wichtiger, wenn es kühl ist“, erklärt der Friedhelm Ringe. Während die Sympathieträger unter den Insekten allmählich in die Saison starten, machen sich die aus Menschenansicht Unsympathen noch rar.
Der Mückentanz im Winter ist der erste Vorbote des Frühlings
So müssen Bienen oder Hummeln wenig Angst haben, irgendwo gegen einen Spinnenfaden zu surren. Den Netze bauenden Achtbeinern fliegen momentan noch zu wenig Fluginsekten umher, um satt zu werden. Sie zeigen sich erst in etwa sechs Wochen gegen Mitte April. Auch Wespen sind ausgesprochene Wärmeliebhaber, die ersten Königinnen werden Mitte März unterwegs sein, erwartet Friedhelm Ringe.
Auch die Mücken haben zurzeit wichtigere Dinge im Blick, als im großen Stil Menschen anzuzapfen. Es stechen ohnehin nur die Weibchen. Die Paare tanzen bereits im Dezember ihren Hochzeitsreigen, sind somit die allerersten Frühjahrsboten. Die Weibchen können Frost gut vertragen. Ein strenger Winter ist nicht der limitierende Faktor für ein massenhaftes Auftreten in der nächsten Generation. Entscheidend ist, ob nach der Hochzeit viele nasse Brutplätze für Eiablage und Entwicklung der Larven vorhanden sind.
Viele Knicks sind verschwunden, nun ist es windiger und kühler in der Feldmark
In Geesthacht robbt der Frühling vom Süden her durchs Stadtgebiet. So blüht es in der Unterstadt immer ein paar Tage bis höchstens eine Woche früher als in der Oberstadt, und das liegt nicht nur an der größeren Höhe des Geesthanges – die Nachbargemeinde Hamwarde etwa liegt auf 50 Metern Höhe. „Unten herrscht Sandboden vor, der sich eher erwärmt“, erklärt Friedhelm Ringe.
Die schweren Böden oben erwärmen sich etwas später. Zudem ist es in der Feldmark hinter Geesthacht nicht so windgeschützt. „Unter anderem deswegen, weil viele Knicks verschwunden sind. Dort zieht der Lenz dann noch mal einen Tick später ein“, sagt Friedhelm Ringe.
Ohne Düngen hält der Krokus auf Sandboden nicht durch
Ein Standortnachteil für „Geesthacht unten“: Der Sandboden ist recht unfruchtbar. „Es ist wesentlich schwieriger, Krokusse ohne zu düngen dauerhaft anzusiedeln. Das haben wir bei ,Geesthacht blüht auf‘ gesehen. Da muss man schon Kompost hinzufügen. Das machen wir seit zwei, drei Jahren“, berichtet Friedhelm Ringe.
Während die Hasel an wärmeren Standorten wie am Richtweg bereits verblüht ist, sind in der Feldmark an kühlen Stellen noch blühende Exemplare vorzufinden. „Die Hasel ist ein Windblüher, Insekten gehen da wenig ran“, sagt Friedhelm Ringe. In den Startlöchern als ein Nachfolger steht die Salweide, sie dürfte in knapp zehn Tagen blühen.
Zwei Kranichpaare zeigen sich regelmäßig neben der A25
Auch die Vogelwelt bekommt täglich Zuwachs. Störche staksen wieder über die Wiesen, vor ein paar Tagen zeigten sich acht Kraniche am Himmel über dem Herzogtum. Von ihnen gehen längst nicht mehr alle auf Reisen. „Mindestens zwei Paare sind den Winter über hier geblieben“, erzählt Friedhelm Ringe. Autofahrer konnten sie oft sehen auf den Feldern neben der A25 und B404. Sie brüten unweit von Geesthacht in Waldmooren. „Sie sind ordentlich am Balzen, man hört es jetzt“, sagt Friedhelm Ringe.
Im ganzen Kreis gab es vor ein paar Jahren nur noch ein einziges Paar, ein weiteres in der Nähe hatte seinen Standort bei Lüchow-Dannenberg. Die Kraniche haben sich dank starker Schutzmaßnahmen wieder erholt. Einige überwintern in Spanien in den Korkeichenwäldern, Eicheln stehen auf ihrer Speisekarte.
Auch Bachstelzen überwintern mittlerweile im geschützten Hamburg
Weitere Rückkehrer, die sich zeigen, sind die ersten Bachstelzen – von ihnen überwintern mittlerweile einige in Hamburg –, die Rückkehr des Zilpzalps, der so heißt, wie er singt, erwartet Friedhelm Ringe täglich. Auch die Ankunft der Mönchsgrasmücke steht kurz bevor. Die begabten Sänger haben sich dem Klimawandel angepasst. „Ein klassisches Beispiel. Sie zieht nicht mehr so weit wie früher, sondern nur noch nach England“, berichtet Friedhelm Ringe.
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Da der Teich in der Hansastraße nach der Sanierung wieder ordentlich Wasser führt, könnten sich nun hier die ersten Vogelküken des Jahres zeigen. „Die Stockente heißt nicht ohne Grund Märzente“, weiß Friedhelm Ringe. Das Weibchen beginnt ab Mitte März mit dem Brüten, nach bis zu 28 Tagen schlüpfen die Küken. Das Gewässer liegt in der Nachbarschaft von Horst Leister. Seine Krokusse sind dann verblüht, und der Frühling läutet die nächste Runde ein.