Schwarzenbek. Verstaubt? Nur für Ältere? Der neue Vorsitzende Dieter Brummack will mit den Vorurteilen aufräumen und neue Angebote schaffen.
Die Corona-Zeit hat für einen Digitalisierungsschub bei den Volkshochschulen gesorgt. „Ich habe mich auf vielen Ebenen engagiert, um Online-Angebote auf die Beine zu stellen. Aber erstaunlicherweise wollen die Menschen nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen wieder in Präsenz lernen. Die VHS wird immer stärker zu einem Ort der Begegnung“, sagt Anja Erdmann, langjährige Leiterin der Schwarzenbeker Volkshochschule. Bei einer Umfrage nach dem Ende der Pandemie hätten 85 Prozent der Teilnehmer angegeben, dass sie lieber in Präsenz lernen und sich mit anderen VHS-Nutzern von Angesicht zu Angesicht treffen wollen. „Das hat mich überrascht, aber dem Wunsch kommen wir natürlich nach“, so Anja Erdmann.
VHS Schwarzenbek: Kursteilnehmer wollen lieber in Präsenz lernen
Es gibt sogar bei älteren Kursteilnehmern große Vorbehalte gegenüber digitalen Angeboten. „Es kommt durchaus schon vor, dass ich hier im Büro mit einem Kursteilnehmer sitze und ihm erkläre, wie die Teilnahme an einem digitalen Vortrag oder einer Unterrichtsveranstaltung funktioniert“, so die VHS-Leiterin. Bei jüngeren Nutzern besteht indes oft der Wunsch nach digitalen Angeboten – gerade im Bereich der beruflichen Fortbildung.
„Es gibt auch Kurse, die wir gar nicht anbieten könnten, wenn wir nicht Dozenten zuschalten könnten, die gar nicht in Schwarzenbek sind. Nur so ist ein Dänischkursus bei uns möglich, aber auch einige Buchhaltungs- und Softwarekurse funktionieren nur auf diese Weise“, sagt Anja Erdmann.
Erwachsenenbildung muss sich verjüngen
Doch die Erwachsenenbildung steht vor großen Herausforderungen, um auch jüngere Menschen zu locken. Denn der Altersdurchschnitt der Kursteilnehmer liegt bei 50 Jahren und älter. „Es ist wie bei vielen Vereinen. Die Menschen kommen wieder zu uns, wenn die Kinder ausgezogen sind und sie nach neuen Aktivitäten suchten. Dann steht die Erwachsenenbildung natürlich in Konkurrenz mit Sportvereinen und anderen Freizeitaktivitäten“, sagt der neue Vorsitzende des Volkshochschulvereins, Dietmar Brummack.
Der frisch pensionierte Lehrer der Grund- und Gemeinschaftsschule Schwarzenbek hat 40 Jahre selbst Schüler unterrichtet und kennt sich auch in der Erwachsenenbildung als Dozent und langjähriger Kursteilnehmer bei Gesundheitskursen aus.
Zahlreiche Deutschkurse für Flüchtlinge sorgen für volle Unterrichtsräume
Über einen Mangel an Teilnehmern kann sich die VHS momentan angesichts der zahlreichen Deutschkurse für Flüchtlinge und Asylbewerber allerdings nicht beklagen. Ein Großteil der Schüler kommt aus der Ukraine, Syrien und Afghanistan. Im Herbstsemester gab es parallel fünf Deutschkurse mit jeweils fünf Unterrichtsstunden am Tag, dreimal wöchentlich. Aktuell laufen drei Deutschkurse. Das liegt aber nicht an sinkenden Teilnehmerzahlen, sondern an einem Mangel an Dozenten.
„Für uns sind diese Deutschkurse ein wichtiges Standbein, aber natürlich auch eine wichtige Aufgabe für die Integration“, betont Brummack. „Ich wünschte, wir hätten hier mehr Platz. Die Räume im Kreissparkassenhaus sind toll, aber es fehlt Platz für einen Treffpunkt. Wir versuchen jetzt, hier eine Art internationales Café zu etablieren und die Teilnehmer zu motivieren, selbst etwas gemeinsam zu machen – beispielsweise einen Nähkursus oder ähnliches“, sagt Anja Erdmann.
Der VHS fehlt Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit
Der mangelnde Platz für Zusammenkünfte außerhalb der Kurse und die mangelnde Sichtbarkeit der VHS sind ohnehin eine große Sorge. „Ich hätte gerne wenigstens ein Schaufenster oder ein Stellschild vor der Tür. Hier im ersten Stockwerk des Sparkassengebäudes haben wir keinerlei Menschen, die einfach so vorbeikommen. Das ist bedauerlich“, so Anja Erdmann.
„Bei der Umgestaltung der Stadtbücherei wurden Bereiche geschaffen, in denen Menschen einfach so Computer nutzen, in der Ecke sitzen und ein Buch lesen oder arbeiten oder auch einfach nur einen Kaffee trinken können. So etwas fehlt uns hier“, ergänzt Brummack.
Wunsch: VHS und Bücherei unter einem Dach
In diesem Punkt hoffen die beiden auf das neue Bürgerzentrum, das in der ehemaligen Realschule irgendwann einmal entstehen soll. Im Augenblick ist die Realisierung in die Ferne gerückt, weil jüngste Gespräche des Bürgermeisters Norbert Lütjens mit dem Land hinsichtlich einer Förderung nicht erfolgreich waren.
Aber grundsätzlich wäre es gut, wenn VHS und Bücherei unter einem Dach Platz finden und ihre Angebote besser vernetzen könnten. Dann gäbe es auch mehr Platz für die Begegnungen der Nutzer. „Ich habe mir vor einem Jahr in einer Delegation der Stadt das Bürgerzentrum Dokk1 in Aarhus angesehen. Das Konzept war eindrucksvoll. Genau das fehlt uns hier“, so Anja Erdmann.
Eine Vernetzung unter den Bildungsträgern in der Stadt gibt es aktuell nicht
Was aktuell nicht stattfindet, ist eine Vernetzung der Angebote zwischen Familienbildungsstätte, Familienzentrum, TSV und VHS. „Es wäre durchaus sinnvoll, mal Kontakt untereinander aufzunehmen, um Synergien auszuloten“, räumt Brummack auf Nachfrage ein. Denn in Teilbereichen gibt es durchaus Schnittmengen bei den Angeboten oder auch Möglichkeiten, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen.
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Brummack ist im November des Vorjahres zum Nachfolger von Peter Klemmer gewählt worden, der 28 Jahre dem Volkshochschulverein vorsaß. Jetzt wollte der 84-Jährige nicht mehr antreten. Genau wie Brummack ist auch Klemmer pensionierter Lehrer. Aktuell hat die Volkshochschule im gerade begonnenen Semester 123 Kurse und bewegt sich damit auf dem üblichen Niveau der vergangenen Jahre.
Besonders gefragt sind alle Angebote rund um die Hundeerziehung, aber auch Ahnenforschung steht bei den Teilnehmern hoch im Kurs. „Sehr gefragt sind auch Smartphone-Kurse. Viele ältere Menschen bekommen die Geräte von ihren Kindern und Enkeln geschenkt, damit sie Kontakt halten können. Sie tun sich aber schwer, damit umzugehen“, so Anja Erdmann.
Das Programm liegt in der VHS, Berliner Straße 1 und in der Stadtbücherei aus. Im Internet ist es unter www.vhs-schwarzenbek.de zu finden.